Testbericht: WWE SmackDown vs. RAW 2010
Die jährlichen Updates der Sportspiele haben schon lange auch die Riege der Wrestlinggames erreicht. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass „WWE Smackdown vs Raw 2010“ natürlich auch für Nintendos Wii umgesetzt wurde. In der 2008er Version konnte man mangels Umfang kaum punkten, machte es aber in der letztjährigen Variante dafür deutlich besser und setzt sogar die Wii-Steuerung recht sinnvoll ein. Was sich die Entwickler nun für die aktuelle Umsetzung haben einfallen lassen? Wir sind für euch in den Ring gestiegen und haben es im Schweiße unseres Angesichts für euch herausgefunden.
The Road to Wrestlemania continues…
Alle Jahre wieder – THQ bringt die Wrestler erneut auf alle gängigen Konsolen und natürlich darf auch eine Variante für Nintendos weiße Daddelkiste nicht fehlen. Im letzten Jahr konnte vor allem der neue „Road to Wrestlemania“-Modus sowie die geschickt eingesetzte Bewegungssteuerung punkten. Umso überraschender ist es diesmal auf den ersten Blick, dass die Wii-Steuerung diesmal komplett umgekrempelt wurde – aber dazu später noch mehr. Erst einmal kommen wir zu den harten Fakten. Über 60 Wrestler aus den aktuellen Kadern stehen euch zur Auswahl, die keinen Freund des gepflegten Show-Wrestlings enttäuschen sollten. Sollte sich die Einstellung eines Wrestler einmal ändern und er vom Face zum Heel werden, lässt sich dies jederzeit ändern. Die kompletten Roster von Smackdown, RAW sowie der ECW lassen sich nämlich inklusive aller Championtitel jederzeit bearbeiten. Wem dies nicht reicht, der darf sich natürlich auch einen eigenen Superstar erstellen. Der „Create-a-Wrestler“-Modus bietet dabei zwar nichts umwerfend Neues, ist aber immerhin so umfangreich wie eh und je geworden. Neu ist auch nicht, dass die Attribute eines selbst erstellten Charakters verbessert werden können, im Vorgänger musste hierfür aber der Karrieremodus gespielt werden. Dies konnte unter Umständen etwas öde sein, war es doch die einzige Möglichkeit seinen persönlichen Superstar zum absoluten Top-Wrestler zu machen. In der 2010er Version des Games ist es nun egal, welches Match bestritten wird. Sobald Ihr mit einem selbst erstellten Wrestler antretet, erhält er nach dem Kampf auch Attributspunkte, die sich auf die verschiedenen Eigenschaften beliebig verteilen lassen. Das Upgraden fällt somit wesentlich leichter und macht auch deutlich mehr Spaß, da die Limitation auf einen bestimmten Spielmodus weg fällt und Ihr die komplette Palette aller Matcharten zur Verfügung habt.
Und wenn wir schon bei den verschiedenen Matcharten sind, auch hier hat sich einiges getan. Erstmals kommen Wii-Besitzer nämlich in den Genuss des Inferno Matches, welches es bislang nur bei der Konkurrenz gab. Der Spielmodus „Road to Wrestlemania“ ist wie bereits erwähnt ebenfalls wieder mit von der Partie und bietet für sechs Superstars ausgearbeitete Storylines, die nachgespielt werden können. Gut gefallen hat dabei in der aktuellen Version, dass man sogar während der Stories Entscheidungen bis zu einem gewissen Grad selbst treffen kann, was den Spieler noch ein gutes Stück mehr Teil der Geschichte selbst werden lässt. Eine der tollsten Neuerung ist allerdings, dass Ihr zusätzlich noch in „Create-a-Story“ nun erstmals Eure eigene Geschichte komplett selbst entwerfen dürft. Über 50 verschiedene gescriptete Szenen stehen Euch dabei zur Verfügung, in die Ihr je nach Belieben den gewünschten Superstar integrieren könnt. Komplett eigene verfasste Textboxen erlauben dabei die Story in der Tat nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Der Umfang einer solchen selbst erstellten Story umfasst maximal 10 Jahre sowie neben 55 erstellten Szenen auch bis zu 55 Matches, die absolviert werden können. Man soll es übrigens kaum glauben, aber die Wii-Version ist hierbei sogar den HD-Konkurrenten einen Schritt voraus. Während dort nämlich maximal zehn selbst erstellte Kämpfer vorkommen dürfen, was eine absolut unverständliche Beschneidung der Möglichkeiten ist, gibt es diese Limitierung auf Nintendos Fuchtelkiste nicht. Zwei Stories können gespeichert werden, was auf den ersten Blick zwar nicht besonders üppig klingt, aber dennoch ausreichend ist. Schade ist nur, dass es keine Möglichkeit gibt selbst erstellte Geschichten online mit anderen Nutzern zu tauschen. Dies wäre noch eine Option, die im Nachfolger verbessert werden sollte. Dennoch wird bereits mit diesem Modus die Motivation in die Höhe getrieben und man kann sich unzählige Stunden mit dem Titel beschäftigen.
Daneben gibt es wie man es aus dem Vorgänger kennt noch eine ganze Reihe an anderen Matches, die das Herz eines jeden Wrestling-Fans höher schlagen lassen, angefangen von Tag Teams über Royal Rumble, Extreme Rules, TLC bis hin zum Steelcage- oder Leiter-Match. Erstmals darf auch in fünf verschiedenen Backstage-Arenen der Gegner bis zum Knockout gekloppt werden, um einen Sieg zu erzielen. Toll umgesetzt wurden ebenfalls die Neuerungen, die man sich für den Royal Rumble hat einfallen lassen. Bislang war dies Art des Matches zwar auf der Mattscheibe stets interessant zu verfolgen, im Spiel selbst aber oftmals nicht mehr als ein bloßes Chaos mit einem frühen Ausscheiden. Nun ist es so, dass im Falle eines drohenden Ringouts in der Ecken oder an den Seilen eine Art kurzes Minispiel, bzw. ein Quick Time-Event gestartet wird. Während ihr beispielsweise euren Opponenten in der Ringecke nach oben gehievt habt, werden euch drei verschiedene Richtungspfeile eingeblendet. Wer nun zuerst die korrekten Richtungen gedrückt hat, behält die Oberhand. Entweder kann sich euer Gegner so befreien und in die rettende Ringmitte zurückkehren, oder ihr seid erfolgreich und bugsiert ihn noch ein weiteres Stück über das oberste Ringseil. Nicht zwingend muss der gegnerische Wrestler nach einer Attacke übrigens sofort übers Ringseil auf den Boden fallen und ausscheiden. Teils versuchen sich eure Gegner festzuhalten und sich wieder in den Ring zu retten. Nur wer dran bleibt und sie auch auf dem Apron stehend noch einmal attackiert, sichert so ihr Ausscheiden. Das bedeutet umgekehrt aber auch für euch, dass ihr nicht sofort die Arena verlassen müsst, sobald ihr in Gefahr geratet über das obere Seil geworfen zu werden. Dies macht den Royal Rumble wesentlich spannender als zuvor und bereichert das Gameplay um einige nette Elemente.
Thema Gameplay: Das Repertoire an Moves wurde ebenfalls gehörig erweitert. Neben weiteren Griffvarianten, je nachdem an welcher Seite eines liegenden Opponenten ihr beispielsweise steht, sind auch viele Special Moves dazu gekommen, die in besonderen Situationen verfügbar sind. Die „First Blood“-Matches bieten euch einige fiese Moves, um eure Kontrahenten zum Bluten zu bringen. In der Nähe der Ringseile könnt ihr nun eure Gegner hinterhältig mit Hilfe der Seile würgen oder sie einfach auf die Seile setzen und mit ihren empfindlichsten Körperteilen Hoppe Hoppe Reiter spielen. Verletzte Körperteile können nach dem Erreichen der dazu gehörigen Fähigkeiten übrigens nun auch im Match selbst wieder zumindest zum Teil regeneriert werden. Ist euer Fuß aber beispielsweise zu stark angeschlagen, strauchelt ihr beim Rennen und fallt mitunter ungeplant auf die Nase. Zu den weiteren Eigenschaften, die man im Laufe der Zeit für einen Charakter frei schalten kann, gehören unter anderem unfaire Pinmethoden unter Einbezug der Ringseile oder ein besonders starker Irish Whip, der euren Kontrahenten mit Wucht in die Ringseile und aus dem Ring schleudert. Neu ist ebenfalls, dass man keine Kraftanzeige mehr besitzt, sondern die so genannten Schwungleiste. Sie wird unauffällig kreisförmig unter eurem Wrestler ab und an eingeblendet und zeigt euch an, wann ihr beispielsweise einen Finisher einsetzen könnt.
Kenner der anderen Versionen werden sich freuen, dass nun auch Wii-Besitzer in den Genuss kommen ihre eigenen Finisher zu erstellen. Dies war bisher den Spielern auf den Konkurrenzkonsolen vorbehalten, hat aber nun auch endlich den Einzug in die Wii-Version gefunden. Bis zu zehn verschiedene Bewegungsabläufe dürfen hierbei zu einem ganz persönlichen Finishing Move aneinander gereiht werden. Neu dabei sind auch einige Attacken vom obersten Ringseil sowie spezielle Royal Rumble-Finisher, die euren Gegner ohne wenn und aber ins Aus befördern. Neben all den Zusätzen müssen Wii-Spieler in der aktuellen Version von Smackdown vs Raw allerdings auf ein Feature verzichten: Konnte im letzten Jahr noch online gegen Gegner aus der ganzen Welt angetreten werden, so fällt diese Möglichkeit nun flach. Wer sich mit anderen Spielern duellieren möchte, kann bis zu drei Herausforderer vor der Konsole im heimischen Wohnzimmer versammeln. Ob der Wegfall des Onlinemodus mit den starken Verbindungsproblemen der Version aus dem letzten Jahr zu tun hat kann nur vermutet werden. Es ist aber zu hoffen, dass THQ an diesem Problem arbeitet und die Option im nächsten Jahr wieder mit anbietet. Ob man den Onlinemodus nutzt oder nicht ist natürlich jedem Spieler selbst überlassen. Die Option jedoch zu beschneiden nachdem man sie als Spieler früher schon hatte, ist aber natürlich trotzdem schade. Dennoch soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass WWE Smackdown vs Raw 2010 um gefühlte 50% erweitert wurde und dem Spieler mehr Matcharten, Optionen und Moves zur Verfügung stehen als vorher. In Sachen Langzeitmotivation und Umfang hat man also im Falle von WWE Smackdown vs Raw 2010 den mit Abstand besten Vertreter auf der Wii vor sich.
Fuchteln ist out?
In der Version des letzten Jahres wurde versucht die Steuerung von Smackdown vs Raw mittels Einsatz von Gestiken zu perfektionieren. Mit einem Schwung des Nunchuk schickte man den Opponenten beispielsweise in die Seile, während komplexere Griffe über Bewegungen der Wiimote ausgeführt wurden. Damit ist nun Schluss. THQ hat die Steuerung des Titels komplett überarbeitet und dabei sämtliche Spezialitäten der Wiimote über Bord geworfen. Somit gehören die interaktiven Einzugs- und Siegessequenzen ebenfalls der Vergangenheit an, was jedoch zu verkraften ist. Erstmals ist ein WWE-Game auf der Wii dafür von der Steuerung her somit mit den Pendants auf den anderen Konsolen vergleichbar. Da die Kombination aus Wiimote und Nunchuk nur über eine begrenzte Anzahl an Buttons verfügt, müssen für komplexere Angriffe teils zwei Buttons in Kombination mit einer Richtung gleichzeitig gedrückt werden, was die Steuerung für Einsteiger sicher unnötig komplex erscheinen lässt. Natürlich darf aber auch auf die Steuerung mittels Classic oder GameCube Controller ausgewichen werden. Bei beiden Controllern stehen nun ausreichend Buttons zur Verfügung, wobei die Variante mittels Classic Controller aufgrund der beiden gleich großen Analogsticks am flüssigsten spielbar ist.
Während mit dem linken Analog-Stick euer Charakter bewegt wird, ist der rechte Analog-Stick für die verschiedenen schnellen Griffe zuständig. Die anderen Buttons lassen euch relativ problemlos Schläge austeilen, euren Kontrahenten in die Seile werfen, Jubelposen vollführen, auf Ringecken klettern, unerlaubte Gegenstände wie Stühle zum Einsatz bringen und Kontern – eben alles, was das Wrestlingherz begehrt und noch viel mehr, als jetzt hier aufgezählt wurde. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Dreht am Boden liegende Gegner bewusst herum oder schleift sie im Ring umher, um sie an die notwendige Stelle zu bekommen und dort eure gewünschten Aktionen ansetzen zu können. Neu bei komplexen Griffen ist ebenfalls, dass man verschiedene Ausgangspositionen für die Moves hat wie einen Side Headlock oder einen Wrist Lock, zwischen denen man stets wechseln kann. So spielt sich WWE Smackdown vs Raw 2010 nicht nur wesentlich flüssiger, sondern auch realistischer als je zuvor. Der Verzicht auf die Wii-Steuerung und die Umstellung auf die Button-Steuerung ermöglicht zudem umfangreichere Movepaletten für alle Wrestler. Einsteiger mögen sich aus diesem Grund etwas schwerer mit WWE Smackdown vs Raw 2010 tun, das sollte klar sein. Da aber Wrestlingfans ohnehin eher aus der Ecke der Hardcorezocker kommen dürften, die meist schon einige Zeit vor der Konsole verbracht haben, dürften sie diese Entscheidung begrüßen.
The Big Show
Neben den ganzen Änderungen in Sachen Gameplay war offenbar nicht mehr viel Zeit übrig die Optik des Titels ebenfalls noch von Grund auf zu überholen. Bereits im letzten Jahr waren die Athleten hervorragend animiert und konnten mit überzeugenden Texturen aufwarten. Dies ist auch in der aktuellen Ausgabe der WWE-Rauferei wieder der Fall. Besonders die Mimiken der einzelnen Superstars sind fantastisch geworden. Hierbei profitieren natürlich vor allem Stars wie der Undertaker, der bedrohlich mit seinen Augen rollt und die Mundwinkel verzieht, während er im Ring majestätisch niederkniet und seine Urnenhand in den Himmel reckt. Die butterweichen Animationen machen sich auch während der Kämpfe selbst bemerkbar, die absolut flüssig laufen und nur selten unter den obligatorischen Clippingfehlern zu leiden haben. War die 2009er Version hier schon richtig gut, konnte man die Animationen dank neuer Gameplay-Elemente noch geschmeidiger umsetzen. Holprige Aktionen gehören nun fast der Vergangenheit an. Die fulminante Präsentation mit ihren stimmungsvollen Menüs, den unzähligen Einspielern, den realistischen Kameraschwenks und der actionbetonten Kameraführung während der Kämpfe sammelt zudem fleißig Pluspunkte. Kritik geäußert werden darf allerdings erneut in Bezug auf das Publikum, welches besonders während Kamerazooms einfach wie frisch aus der Gaming-Hölle entstiegen wirkt und noch genauso pixelig und matschig ist wie im letzten Jahr. Mit Leichtigkeit hätte hier sicher einiges verbessert werden können.
Kommen wir nun noch zum Sound, der bei einem Spiel dieser Art ebenfalls eine gewisse Rolle spielt. Die Einzugsmusiken der Athleten wurden allesamt integriert, der Sound dröhnt wuchtig aus den Boxen und die Schlag-, Tritt- und Wurfgeräusche während der Kämpfe vermitteln eine packende Atmosphäre. Ob man die beiden englischen Kommentatoren mag oder nicht, muss jeder selber entscheiden. Es ist allerdings positiv anzumerken, dass es sich um die Originalkommentatoren der WWE handelt, was zur Atmosphäre des Titels beiträgt. Das ist auch stets dann der Fall, wenn sie im Modus „Road to Wrestlemania“ eure Story vor jedem Match kommentieren und die Ereignisse der letzten Veranstaltung noch einmal zusammenfassen – wie in den TV-Sendung eben auch. Als kleine Randnotiz muss auch erwähnt werden, dass der Lautsprecher der Wiimote sporadisch zum Einsatz kommt. Im „Road to Wrestlemania“-Modus hinterlassen euch Freund wie auch Feind nämlich schon einmal Sprachnachrichten auf eurer Mailbox, die ihr euch dann „aus dem Lautsprecher“ anhören könnt. Hier wurde jedenfalls erneut ganze Arbeit geleistet.
Fazit
Dass man auf der Wii nicht immer zwangsweise die Möglichkeiten der Wii-Steuerung nutzen muss und dennoch ein tolles Game aus dem Hut zaubern kann, haben bereits andere Entwickler bewiesen. Nun konzentriert sich auch THQ mit WWE Smackdown vs Raw 2010 auf das klassische Gameplay mittels Buttons, erweitert dafür den Umfang des Titels beachtlich und liefert technisch eine mehr als solide Kost ab. Dafür müssen Wii-Wrestler diesmal auf Online-Matches verzichten, was angesichts der vielen Verbesserungen zwar zu verkraften, aber dennoch unverständlich ist. Wer einen klassischen Wrestlingtitel mit umfangreicher Movepalette und schier endlosen Möglichkeiten sowie einer unglaublichen Langzeitmotivation sucht, sollte also ohne Bedenken zugreifen können.
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