Testbericht: World of Goo
Ich glaube mittlerweile wieder an das Christkind. Denn nachdem es eine ganze Weile so aussah, als würde der bereits im Oktober via WiiWare veröffentlichte Puzzler „World of Goo“ bei uns erst im Frühjahr als Retailversion in die Läden kommen und mit einigen Zusatzlevels stolze 40 € kosten, hat sich das Blatt nun gewendet. Vor wenigen Wochen wurde seitens der Entwickler „2D Boy“ angekündigt, dass man sich nun doch für den Release via WiiWare in Europa entschieden hätte und kurz vor Weihnachten ist es auch endlich soweit: „World of Goo“ steht zum Download bereit. Wir haben uns natürlich gleich für über den klebrigen Titel her gemacht und für euch getestet, ob das Game die an es gerichteten, hohen Erwartungen erfüllen kann.
In einer Welt voller Schleim…
Selten gab es bereits im Vorfeld einen derartigen Hype um einen WiiWare-Titel wie im Falle von World of Goo. Beim „Independant Games Festival 2008″ sackte man den Award in den Kategorien „Design Innovation“ sowie „Technical Excellence“ ein und aktuell gab es eine Auszeichnung bei den „Spike’s Video Game Awards“. Wurde hier mit viel Aufwand ein Projekt entwickelt, welches von vornherein auf den Erfolg ausgelegt war? Mitnichten. Hinter den Entwicklern von „2D Boy“ verbergen sich gerade einmal zwei Leute: Kyle Gabler und Ron Carmel hatten vor gut zwei Jahren in ihren Kaffeepausen, als sie noch bei Electronic Arts beschäftigt waren, das erste Konzept zu dem Game erdacht, welches unter dem Namen Tower of Goo als PC-Demo umgesetzt wurde. Mit einem umfangreicheren und abwechslungsreicheren Gameplay ausgestattet wartet nun mit World of Goo das fertige Produkt der mittlerweile als Independant Entwickler arbeiten Genies, dessen komplettes erstes Kapitel als Demo für den PC kostenlos erhältlich ist. Doch was verbirgt sich nun genau hinter diesem Titel und was um alles in der Welt hat es mit diesem „Goo“ auf sich?
Goo ist umgangssprachlich ein Begriff für „klebriges Zeug“ und trifft damit den Nagel schon auf den Kopf. In World of Goo müsst ihr ganz simpel ausgedrückt viele kleine Goo-Bälle zu Konstruktionen zusammenfügen, um so die Absaugröhre in jedem Level zu erreichen. Denn durch diese Röhre gelangen die Goo-Bälle in die Freiheit und dahin wollen wir die putzigen Klebe-Kugeln ja auch bringen, oder? Mit der Pointerfunktion der Wiimote sucht ihr euch die zu verwendenden Goo-Bälle aus und bestimmt, wo sie angebracht werden sollen. Die Kamera scrollt dabei automatisch mit. Eine Zoom-Funktion sowie eine optionale Steuerung der Kamera über den Analogstick wären sicher angenehm gewesen, das ist allerdings lediglich Kritik im Detail. Beim Bauen gibt es zu beachten, dass Konstruktionen aus klebrigen Bällen natürlich nicht unbedingt standfest sind. Die Physik in World of Goo ist dabei beeindruckend und fordert den Spieler ein ums andere Mal. Immer wieder muss bedacht werden, ob eure Konstruktion sich selbst tragen kann oder ob der nächste angeklebte Goo-Ball eventuell alles aus dem Gleichgewicht bringt und in sich zusammenstürzen lässt. Die teils hoch in den Levels angebrachten Röhren verlangen dabei etliches an baulichem Geschick von euch.
Damit allerdings nicht genug, denn dürft ihr in den ersten Stages noch relativ unbeschwert bauen und das Verhalten der Goo-Bälle austesten, stellen sich euch bald schon die ersten Hindernisse in den Weg. Große Abgründe gilt es mit klebrigen Brücken zu überwinden, Windmühlen fordern euch genauso wie Spitzen und Stacheln, an denen eure Goo-Bälle unweigerlich zerplatzen und somit für immer verloren sind. Um euch eure Aufgabe zu erleichtern, stehen bald schon verschiedene Arten an Goo-Bällen zur Verfügung. Zu den normalen grauen Schleimkugeln, die sich nur einmalig verwenden lassen, gesellen sich in den späteren Stages noch weitere Arten dieser klebrigen Spezies. Weiße Goo-Bälle benötigen nur einen Ankerpunkt und können somit wie eine Art Faden verknüpft werden. Grüne Schleimkugeln lassen sich mehrfach verwenden und sind somit für einen Transport über eine längere Strecke bestens geeignet. Ihre roten Kollegen dagegen ähneln dagegen Zündhölzern und sind in der Tat schnell Feuer und Flamme, wenn ihnen die Hitze zu Kopf steigt. Kettenreaktionen zum Auslösen von Explosionen sind in solch einem Fall genauso gefragt wie auf der anderen Seite das Vermeiden des Feuers, um die Entzündung zu verhindern. Gelbe Goo-Bälle dagegen können ganz schön anhänglich sein und haften an allen Oberflächen. Im Laufe des Spiels kommen noch weitere Varianten auf euch zu, die jeweils sinnvoll eingesetzt werden müssen und die allesamt absolut gelungen sind, man nehme nur die Skelett-Bälle als Beispiel. Vom Konzept her hat World of Goo also alles, was ein guter Puzzler braucht.
Doch der Titel bietet noch mehr. Pro Level wird euch von Beginn an angegeben, wie viele der putzigen Schleimkugeln ihr in die Absaugröhre befördern müsst. Habt ihr diese Vorgabe erfüllt, könnt ihr das Level abschließen und zur nächsten Herausforderung antreten. Eine Abrechnung jeder Stage gibt euch dabei nicht nur eine Auskunft darüber, wie viele Goo-Bälle ihr wirklich gerettet habt, sondern auch wie viele Züge ihr dafür gebraucht hat und wie viel Zeit dabei verstrichen ist. Über die Vorgabe hinaus gerettete Schleimkugeln werden vermerkt und in der „World of Goo Corporation“ gespeichert. In diesem Modus lässt sich aus den Goo-Bällen in einer Art freiem Spiel ein möglichst hohes Gebilde erstellen, wobei man hier an die Nutzung von Wii Connect24 gedacht hat. Ist die Wii mit dem Internet verbunden, erscheint noch während des Bauvorgangs nicht nur eure eigene Wolke mit der Angabe der erreichten Höhenmeter, sondern auch die erreichten Ergebnisse anderer Spieler samt Länderangabe werden dargestellt, was eine virtuellen Rangliste gleich kommt und für zusätzliche Motivation sorgt. In jeder Stage gibt es neben der ursprünglichen Rettungsaufgabe noch das so genannte ZKV, das „zwingende Kriterium für Vollständigkeit“. Dies kann die Beendigung des Levels innerhalb einer bestimmten Zeit, mit einer maximalen Anzahl an Zügen beinhalten oder man muss einfach eine vorgegebene Anzahl an Goo-Bällen retten, die wesentlich höher liegt als die Mindestvorgabe. Für Langzeitmotivation ist also gesorgt, denn in jeder Stage das ZKV zu erreichen und dafür eine kleine rote Flagge in der Levelauswahl zu erhalten gestaltet sich mitunter als ungemein komplex und anspruchsvoll.
Dabei ist das Spiel an sich absolut simpel gehalten und erklärt sich quasi von selbst. Binnen Sekunden hat man das Spielkonzept verstanden und ist schon damit beschäftigt die ersten Konstruktionen zu erstellen. Nach und nach wird man mit neuen Goo-Bällen sowie Hindernissen in den einzelnen Stages vertraut gemacht. Tipps lassen sich dabei jeweils vom geheimnisvollen Schildermaler holen, der in jedem Level das ein oder andere Hinweisschild aufgestellt hat. Die zu lösenden Aufgaben werden nach und nach natürlich immer komplexer und irgendwann ist die Lösung vielleicht nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar. Doch wer etwas experimentiert, findet früher oder später auch seinen Weg ans Ziel. World of Goo ist dabei niemals unfair und man ärgert sich das ein oder andere Mal auch über sich selbst, da die Lösung im Prinzip die ganze Zeit auf der Hand lag, man nur nicht gleich von Anfang an darauf gekommen ist. Hinzu kommt, dass die einzelnen Stages unglaublich abwechslungsreich geraten sind. Die Rätsel wiederholen sich im Prinzip kein einziges Mal, sondern erfordern immer wieder ein anderes Vorgehen und neue Strategien. Wo andere Puzzler bei einem neuen Spielelement mindestens zehn Stages lang darauf herumreiten, wandelt World of Goo die neuen Elemente einfach ab und ersetzt sie, so dass ihr den Eindruck habt, ihr hättet es mit einer nie enden wollenden Wundertüte voller toller Gameplay-Ideen zu tun.
Irgendwann neigt sich dieser Spaß allerdings dann doch einem Ende. Fünf verschiedene Welten gibt es mit jeweils knapp über zehn Stages, wobei das fünfte Kapitel quasi nur noch ein Bonus mit besonders anspruchsvollen Rätseln ist. Kapitel vier birgt ebenfalls eine Neuerung, denn hier wurde das Gameplay vom Ansatz her stark verändert und erinnert in gewisser Weise an Super Mario Galaxy – mehr soll allerdings an dieser Stelle nicht verraten werden. Geübte Puzzler werden nach guten fünf bis sechs Stunden die Rätsel geknackt haben und erkennen, wie sich die zwischen den Kapiteln gesponnenen Storyfragmente zusammensetzen. Doch legt man auch nach dieser Spielzeit die Wii-Remote noch lange nicht aus der Hand. Stattdessen versucht man die Levels schneller und mit mehr Extra-Goo zu lösen, um seine Konstruktion im freien Modus möglichst hoch werden zu lassen. Wer an einem Rätsel übrigens verzweifelt, muss den Controller nicht gefrustet in die Ecke feuern. Man darf nämlich eine begrenzte Anzahl an Levels überspringen und später zum Lösen zurückkehren, womit ein frustiges Festsitzen an einer bestimmten Stelle ausgeschlossen ist. Ebenfalls eine nette Idee: Bis zu drei weitere Spieler können sich in das Game einklinken und kooperativ die Stages lösen. Somit können nicht nur Eltern ihrem Nachwuchs helfen, sondern auch Freunde im kleinen Kreis möglichst große Mengen Goo gleichzeitig bewegen und so versuchen die ZKV zu erlangen – eine mehr als nur nette Idee.
Schleim mit Stil
Bei vielen Puzzlegames spielt die Optik ja eher eine untergeordnete Rolle – nicht so allerdings bei World of Goo. Hier ist die Optik und der gesamte Stil Teil des Konzepts, welches erst als Ganzes das Kunstwerk darstellt, welches World of Goo zweifelsohne geworden ist. Der Artstyle des Spiels erinnert ein ums andere Mal an Tim Burtons „Nightmare before Christmas“ und ist in dieser Form absolut einzigartig. Mitunter grotesk wirkende Figuren erzählen in den wenigen Zwischensequenzen die Hintergründe der „World of Goo Corporation“, wobei sich die entsprechend gestylten Spielelemente auch in den einzelnen Stages wiederfinden lassen. Die in sich stimmig gestalteten Levels mit den klaren und teils stark kontrastierenden Farben passen ebenfalls wie die Faust aufs Auge. Alles wirkt in sich perfekt und komplett durchdacht. Dass dabei noch ein gewisser subtiler Humor mit einfließt und es nebenbei versteckte Kritik am Konsumdenken unserer Gesellschaft sowie der Fixiertheit auf die moderne Technik, den PC und das Internet gibt mit einem Seitenhieb auf die Versender von Spam-Mails, rundet den ohnehin schon mehr als positiven Eindruck gelungen ab.
In Sachen Sound hat man sich ebenfalls große Mühe gegeben. Die teils hektischen, teils stimmungsvollen und stets einzigartigen Kompositionen rufen euch ein weiteres Mal den Namen „Tim Burton“ ins Gedächtnis, während ihr euch davon beschallen lasst und dabei die starken Kompositionen genießt. Hinzu gesellen sich optimal abgestimmte Soundeffekte. Selbst das Zusammenstürzen eurer Konstruktion ist durch den tollen Sound der Goo-Bälle eine kleine Freude. Geräusche, wie die eines Luftballons, wurden absolut realistisch und niedlich zugleich umgesetzt und lassen erkennen, dass bei World of Goo mit unglaublich viel Liebe gearbeitet wurde. Bis ins kleinste Detail wurde alles perfekt durchdacht, um den Spieler nicht nur in Sachen Gameplay zu verwöhnen, sondern auch technisch zu überzeugen.
Fazit
Abschließend fasse ich mich kurz: World of Goo ist nach Tetris und Lemmings der wohl beste und faszinierendste Puzzler aller Zeiten und gehört ganz klar zur Crème de la Crème im Line Up der Wii. Das stimmungsvolle Design mit seiner überzeugenden Präsentation ergänzt das intuitive Gameplay und dank freiem Spiel, Wii Connect24-Support, den ZKV und einem Mehrspielermodus für vier Spieler ist auch in Sachen Langzeitmotivation alles im grünen Bereich. Einziger Nachteil: Man wird süchtig nach dem Goo und will immer mehr davon. Für 1.500 Wii Points könnt ihr euch mit dieser Droge infizieren, die ihr Geld weitaus mehr wert ist als ein Großteil der aktuellen Titel in den Regalen der Händler und eindrucksvoll unter Beweis stellt, wie ein gelungener WiiWare-Titel auszusehen hat.
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