Testbericht: Wii Schach

Wo hat man sowas schon gesehen: ein Schachspiel, bei dem es Dinge freizuschalten gibt? Wii Schach bietet dies und mehr. Aber lohnt sich ein Kauf des Titels wirklich? Wir klären euch auf.

Drumherum

Wii Schach kommt in Wii-typischem Layout daher – wer sich im Wii-Menü auskennt, kommt sofort zurecht. Doch auch schon hier fällt auf, dass man nicht mittels Pointer-Funktion auswählt, sondern per Steuerkreuz. Gleiches gilt für das eigentliche Spiel. Zwar macht die Steuerung so durchaus Sinn, aber eine Wahlmöglichkeit wäre von Vorteil gewesen. Auf jeden Fall würde die Steuerung mittels Pointer schneller von der Hand gehen.
Der A-Knopf dient zur Auswahl und Bestätigung und der B-Knopf für das Aufrufen des Menüs. Der Minus-Knopf dreht das Brett, der Plus-Knopf blendet die Züge (in algebraischer Notation) ein und aus. Ansonsten manövriert der Spieler sich mit Steuerkreuz über das Spielbrett. Von den Wii-Remote-Features wird ausgerechnet die Rumble-Funktion eingesetzt: wird Schach geboten, bekommt man dies zu spüren.
Die Grafik wartet mit lupenreinem 2D auf – eine dritte Dimension findet man nur in Form von Isografik in den Grafikoptionen, echtes 3D sucht man leider vergebens. Anfangs stehen nur ein paar verschiedene Bretter mit jeweils passenden Figuren zur Auswahl. Gewinnt der Spieler gegen die CPU, werden weitere Wahlmöglichkeiten freigespielt.
Miis werden nicht unterstützt, obwohl diese zumindest für Profile, vor allem bei Nintendo-Spielen, mittlerweile Standard geworden sind.
Zu Beginn steht der Schachspieler vor der Wahl alleine oder zu zweit vor der Wii zu sitzen. Hat er kein menschliches Gegenüber, so besteht die Möglichkeit entweder gegen die CPU (nebst Einstellung der Schwierigkeit und der Farbwahl: weiß, schwarz oder Zufall) oder im Online-Modus gegen andere Spieler anzutreten.

Künstlerische Intelligenz

Die KI-Engine heißt „Loop Express“ und ist eine Abwandlung der „Loop Chess Engine“. Eine Variante dieser Programmroutine namens „Magic Loop Engine“ belegte den dritten Platz bei den 15. World Computer Chess Championship. Von einer nicht unerheblichen Spielstärke kann also ausgegangen werden.
In der Tat spielt die KI auf den höheren Schwierigkeitsgraden nicht übel, und manchmal sogar originell. Im Test hatte sie auf Stufe 10 meist kein Problem, gute Vereinsspieler in ihre Schranken zu weisen. Der Preis, den man hierfür zahlen muss, lautet Zeit. Denn mitunter denkt die KI in aller Seelenruhe und ausgiebig nach. Leider wurde seitens der Entwickler verpasst, eine Möglichkeit einzubauen, diese Nachdenkzeit einzugrenzen oder abzubrechen. Eine Zeitbeschränkung gibt es jedenfalls beim Spiel gegen die CPU nicht. Es sollte jedoch hierbei bedacht werden, dass künstliches Abkürzen der CPU-Bedenkzeit immer mit einem Leistungsverlust einhergeht – wer bei anderen Schachprogrammen die CPU auf höchstes Niveau einstellt, dann aber deren Nachdenkzeit nach einer Sekunde abbricht, macht sich selber etwas vor. Daher lautet bei Wii Schach die Devise: die Entscheidung wird vor der Partie gefällt, ob die CPU sehr stark oder sehr schnell sein soll oder irgendwo dazwischen. Wichtig festzuhalten ist, dass nur auf der allerhöchsten Stufe der Zeitbedarf der CPU enorm anwächst. Bis einschließlich Stufe 9, die ebenfalls eine beachtliche Spielstärke an den Tag legt, zieht die Engine äußerst zügig. Wirklich warten muss also nur, wer bis zum Anschlag gefordert werden will.
Gepfuscht werden darf auch: gegen die CPU kann jeder Zug wieder zurückgenommen werden.

Online-Codes

Nintendo-üblich lautet das Zauberwort des Online-Modus mal wieder „Freundescode“. Auch bei Wii Schach müssen Codes eingegeben werden, um andere in die Freundesliste einzutragen. Es geht aber wie ebenfalls üblich, codefrei gegen Fremde Schachfreunde zu spielen.
Eine persönliche Wertungszahl gibt eine ungefähre Ahnung der Spielstärken der Gegner im Vergleich zur eigenen. Wer gewinnt, erhält Punkte, wer verliert, bekommt Punkte abgezogen – das ist nicht einfach, das ist simpel. Im Vergleich zu einer Elo-Zahl wie der „Deutschen Wertungszahl“ (DWZ) hat dieses System sicher seine Schwächen. Aber immerhin, diese hauseigene Wertungszahl ermöglicht es, gezielt gegen (theoretisch) ungefähr gleich starke Gegner anzutreten. Und gleichzeitig motiviert sie zum häufigen und guten Online-Spielen.
Positiv fällt auf, dass Verbindungsabbrüche zwar nicht in die Gewinn/Verlust-Statistik aufgenommen werden, aber trotzdem für die Wertungszahl zu Buche schlagen. Im Test verhielt es sich so, dass ich gegen eine Person nach zwei Zügen einen ungeschützten Bauern einsackte (offensichtlich hatte sich mein Gegner verguckt, und dachte, der Bauer wäre von der Dame gedeckt, aber es war leider der König) und ich umgehend die Mitteilung bekam, dass mein Gegner nicht mehr anwesend sei. Macht fast nichts, meine Ranking-Punkte bekomme ich auch so. Im Vergleich zu Mario Strikers Charged Football ist es also nur halb so schlimm, wenn der Gegner die Partie durch Kappen der Verbindung abbricht.
Warum die Entwickler nur die Wahl zwischen Blitzschach (fünf Minuten Bedenkzeit pro Spieler) und Schnellschach (20 Minuten pro Spieler) lassen, ist ein wenig rätselhaft. Diese Einschränkung gilt allerdings nur beim Spiel gegen Fremde – wer sich via Freundescode verbindet, darf die Spieldauer frei wählen: Zeitlimit, zusätzliche Zeit nach dem 40. Zug und das Ein- oder Ausschalten eines Zeitbonus von 30 Sekunden nach jedem Zug.
Nettes Feature am Rande: durch Drücken des Minus-Knopfs kann im Online-Modus dem Gegner angezeigt werden, dass man für den folgenden Zug etwas mehr Bedenkzeit benötigt. Das hat zwar keine Auswirkung auf das Spiel, als höfliche Anzeige ist diese Möglichkeit jedoch trotzdem zu begrüßen.

Fazit

Wii Schach ist sicherlich kein Spiel für alle. Ein paar Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Erst einmal muss man Schach mögen, aber das versteht sich wohl von selber und gilt in ähnlicher Weise für fast jedes Spiel (wer beispielsweise partout keine Jump’n’Runs mag, ist wohl auch mit Super Mario Galaxy schlecht beraten). Durch Wii Schach werden sicher die wenigsten ihre Liebe zum Spiel der Könige entdecken – nach wie vor wird man an Schach besser herangeführt, wenn man es von einer realen Person beigebracht bekommt. Dass Nintendo auf ein Lernprogramm verzichtete, ist trotzdem schade.
Nachlässigkeiten in der Steuerung, der Mii-Unterstützung und dem CPU-Modus hinterlassen einen faden Beigeschmack. Muss all dies in Kauf genommen werden, weil es kein Vollpreisspiel ist? Wohl kaum, denn die meisten dieser Punkte wären vermutlich ohne großen Aufwand möglich gewesen und Wii Schach hätte in jedem Fall einen besseren Eindruck hinterlassen.
Andere Kleinigkeiten fallen hingegen positiv auf. Wie bereits erwähnt verursacht eine unterbrochene Verbindung eines Online-Gegeners keinen Nachteil. Dass En Passant angezeigt wird (rückt ein Bauer vor, hinterlässt er einen Schatten seiner selbst), ist gerade für Anfänger nett. Die Grafik haut zwar niemanden um, ist aber solide und vor allem übersichtlich.
Wer gerne öfter Schach spielen möchte als der Freundeskreis an Spielmöglichkeiten hergibt, dem sei Wii Schach trotz aller Einschränkungen empfohlen. Die Schach-Engine ist solide, leistungsstark und bietet auch im Alleingang gute Unterhaltung. Doch online finden sich schnell und einfach Leute auf angemessenem Spielniveau – warum also gegen die CPU spielen? Auch zu zweit an einer Wii kann die Anschaffung von Wii Schach sinnvoll sein – vorausgesetzt, man möchte die gemeinsamen Partien anschließend analysieren. Dies funktioniert an der Wii schneller und einfacher als am echten Spielbrett, auf dem die Stellungen mühsam rekonstruiert werden müssen. Echte Schachprofis jedoch bleiben wohl am PC oder im Vereinslokal hocken.

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Packshot Wii Schach

Wii Schach

Release: 18.01.2008
Publisher:
Entwickler:
Anzahl Spieler: 2
USK: