Testbericht: Top Spin 3
Für viele Wii-Spieler dürfte das in Europa im Bundle ausgelieferte Wii Sports der erste Kontakt mit Nintendos neuer Konsole gewesen sein. Doch so einfach zugänglich und spaßig Disziplinen wie Golf oder Tennis auch waren, in Sachen Langzeitmotivation und Spieltiefe ließ der Titel viele Wünsche bei den Konsolensportlern offen. Umso verwunderlicher ist es, dass sich die Entwickler vor allem bei Tennis-Umsetzungen so viel Zeit gelassen haben ein vollwertiges Spiel auf den Markt zu bringen. Abhilfe verspricht jetzt 2K Sports mit „Top Spin 3“, das seit ein paar Tagen in den europäischen Regalen zu finden ist. Ob das Spiel die erhoffte vollwertige Tennissimulation ist und Gebrauch von der offensichtlich perfekt dafür geeigneten Wii-Steuerung macht, haben wir für euch in Lacoste Polo und enger weißer Sporthose versucht herauszufinden.
Steuerung, bzw doch kein 1:1
Da wir die Umsetzung der Steuerung in einem Tennisspiel für das wichtigste Kriterium überhaupt halten, wollen wir damit unseren Test beginnen und wir sollten direkt die erste Überraschung erleben. Eigentlich liegt es auf der Hand: Die Wii-Remote wird zum virtuellen Tennisschläger und das Nunchuk dient zum Bewegen des Spielers … fast. Denn anders als wir es vom oben genannten Tennis aus dem Wii Sports-Paket gewohnt sind, wird die Wii-Remote bei Top Spin 3 um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht gehalten. Das hat den Effekt, dass der B-Knopf nun nicht mehr nach unten sondern zur Seite zeigt und stimmt mit der Haltung eines echten Tennisschlägers besser überein. Das Nunchuk wird zum Glück genau so genutzt wie wir es von so vielen anderen Spielen gewohnt sind. Auch die grundlegende Navigation eures Spielers über den digitalen Court erfolgt nach bewährten Prinzipien. Der Analogstick bewegt euren Spieler und dient auch der Richtungssteuerung des kleinen Filzballes wenn ihr einen Schlag ausführt. Der C-Knopf lässt euren Spieler den Ball für den Aufschlag in die Hand nehmen, eine Bewegung mit der Wiimote nach oben gefolgt von einer solchen nach unten führt den Aufschlag aus. So weit alles schlüssig und gut umgesetzt. Der Z-Knopf dient als Modifikator für eure Schläge. Seid ihr am Netz, spielt ihr durch Drücken von Z und einer Bewegung der Wii-Remote einen Stoppball, steht ihr hinten im Feld führt das zu einem Lob oder einem langen Stoppball.
Wer allerdings gedacht hat, dass der Spieler eure Bewegung 1:1 auf den Bildschirm zaubert wird leider enttäuscht, denn wie so oft ersetzt ein Schwung der Wii-Fernbedienung lediglich einen Knopfdruck und dient so als Trigger für verschiedene Schläge. Eine Bewegung von oben nach unten führt zu einem Slice, eine Bewegung in entgegen gesetzter Richtung zu einem Top Spin. Ob ihr das ganze als Vor- oder Rückhand ausführt ist eurem Alter Ego dabei herzlich egal.
Schwerer als das Ignorieren der Schlagrichtung wiegt allerdings die zeitversetzte Ausführung der Schläge, denn sobald der Ball eures Gegners das Netz überquert könnt ihr euren gewünschten Schlag ausführen und euer Spieler schlägt in dem Moment zu, wenn der Ball in erreichbarer Nähe ist. Das ist nicht nur unrealistisch sondern auch unbefriedigend, da man das Gefühl nicht los wird schlagen zu können, wann immer es einem lieb ist. Dass der Ball stärker wird je synchroner die eigene Bewegung mit der des virtuellen Helden ist, tröstet da kaum.
Dass man sich trotzdem tiefer im Geschehen fühlt als bei einer Tennissimulation die mit Pad gespielt wird, liegt in der Natur der Sache. Denn vor allem mit mehreren Spielern gemeinsam vor dem Fernseher, ein genügend groß bemessenes Wohnzimmer vorausgesetzt, steckt man schnell mit vollem Einsatz in einem packenden Tennismatch, und genau darauf zielt Top Spin 3 für die Wii ab. Technisch ist die Erkennung der Bewegungen einwandfrei gelungen und der Spieler führt zuverlässig das aus, was ihr ihm auftragt.
Zu guter letzt möchte ich noch auf einen Kritikpunkt eingehen der in Berichten zu diesem Spiel immer wieder auftaucht: Das Problem mit dem Nunchuk-Kabel im Eifer des Gefechts. Ich weiß nicht was für aberwitzige Bewegungen manch einer vor der Konsole ausführt, aber auch bei Top Spin 3 gilt: Weniger ist mehr. Denn es ist weder nötig weite noch kraftvolle Bewegungen auszuführen um den gewünschten Effekt zu erzielen, dann besteht auch keine wirkliche Gefahr sich selbst zu erdrosseln.
Game, Set, Match…. und dann?
Die Präsentation des Titels ist mehr zweckmäßig als wirklich gelungen, denn die deutlich zu bunt gestalteten Menüs nerven durch die „Greifen-Ziehen-Ablegen“-Methode zur Auswahl von Spielern und Arenen und die musikalische Untermalung beschränkt sich auf einen Titel, der sich wunderbar in die aktuellen Radiocharts einfügen würde.
Dem Spieler steht die Wahl aus 17 lizenzierten Tennisprofis offen, auf einen Editor wie in anderen Ablegern der Serie wurde aus unverständlichen Gründen verzichtet, eben so auf eine Einbindung der Miis. Zur Wahl stehen neben aktuellen Topstars wie Roger Federer auch alte Haudegen wie unser allseits beliebter Boris Becker.
Aber wozu eine eigenen Charakter erstellen wenn es eh keinen Karrieremodus gibt, womit wir beim größten Kritikpunkt an Top Spin 3 für Wii angelangt wären – dem Umfang.
Es gibt Dinge im Leben, die verstehe ich einfach nicht: Wie berechnen sich eigentlich Börsenkurse und wer kauft diese unsäglichen Jamba-Sparabos? Genauso wenig verstehe ich wieso es scheinbar so schwer ist einen Onlinemodus in Wii-Spiele zu integrieren. Ihr ahnt es schon, auch Top Spin 3 verfügt auf der Wii nicht über einen solchen, was vor allem verwunderlich ist wenn man weiß, dass sogar der Version auf dem DS ein solcher spendiert wurde. Dabei wäre es wunderbar motivierend mit vollem Körpereinsatz im heimischen Wohnzimmer gegen Tennisspieler auf der ganzen Welt anzutreten. Aber da die Wii ja vermeintlich eine Party- und Gesellschaftskonsole ist, kann man in der vorliegenden Version lediglich mit bis zu vier Spielern offline gegeneinander antreten. Vier Wiimote-Nunchuk-Kombinationen voraus gesetzt.
In Sachen Spielmodi stehen dem Spieler lediglich verschiedene Turniere zur Auswahl, welche nach und nach frei gespielt werden müssen so wie ein Schaukampfmodus für ein einzelnes Match. Die obligatorischen Minispiele sind leider nicht der Rede wert, denn dahinter verstecken sich nur gewöhnliche Tennismatches bei denen am Ende nicht die erspielten Punkte den Ausschlag über Sieg und Niederlage geben, sondern so fragwürdige Kategorien wie „höchster Kalorienverbrauch“ oder „stärkster Tennisarm“. Dabei würden mir auch hier spontan mehrere Partyspiele einfallen, die einen solchen Namen auch verdient haben.
Dass beim Umfang der vorliegenden Version der Rotstift umfangreiche Verwendung gefunden hat, erklärt auch wieso kein interaktives Tutorial seinen Platz auf der Disc gefunden hat. Hier muss man mit Bildern und ein paar erklärenden Worten Vorlieb nehmen, was nicht wirklich dem heutigen Standard entspricht.
Leider machen die Entwickler noch einen zweiten Fehler der genauso schwer ins Gewicht fällt wie der der zweifelhafte Umfang – das ist die Geschwindigkeit, in der sich das Geschehen auf dem Platz abspielt. Das dürfte gut und gerne 30% schneller ablaufen damit mehr Spannung und Dynamik aufkommt. Denn so wird das Match vor allem bei langen Grundlinienkämpfen schnell langatmig und man erwischt sich dabei nach vorne ans Netz zu spurten um dem Spiel Pep zu verleihen. Der Hintergedanke dabei dürfte vermutlich sein, dass man verhindern wollte, dass es beim gemeinsamen Spiel mit bis zu vier Spielern zu schwerwiegenden Verletzungen kommt. Allerdings hätten wir uns gefreut, wenn man die Geschwindigkeit des Spiels nach seinem persönlichen Empfinden hätte regulieren können. Eine weitere Option die wir im Spiel vermissen ist die Möglichkeit, seinen Spieler auf links einzustellen was nur schwer als Designfehler durch geht. Vielleicht gab es im Entwicklerteam einfach keinen Linkshänder…
Grafik
Das alte Lied mit der Wii und der Grafik möchte ich hier nicht anstimmen, denn selbstverständlich sieht auch dieser Multiplattformtitel auf der Wii am schwächsten aus, was allerdings nicht heißen soll, dass er nicht hübsch anzusehen wäre. Die Animationen der Sportler sind gut gelungen und die Arenen reichen vom herunter gekommenen Hinterhof bis zum glanzvollen Centrecourt. Gewinnt ihr einen Punkt, so könnt ihr durch verschiedene Gesten eurem virtuellen Ebenbild eine Jubelpose entlocken in dem ihr verschiedene Bewegungen mit euren Armen ausführt. Welche Bewegungen dabei welche Posen auslösen ist weder näher erklärt noch so wirklich schlüssig und trotzdem macht es Spaß nach einem Satzgewinn die Arme in die Höhe zu reißen und dann zu sehen, wie Bobbele es einem nach macht.
Lediglich die Zuschauer die auf ihren Sitzen festgetackert zu sein scheinen stören das ansonsten ordentliche Bild. Hier gibt es aber im Großen und Ganzen nicht viel zu kritisieren und wir können uns getrost dem Sound widmen.
Sound
Was, liebe Entwickler, hat euch geritten diese schlimme 90er Jahre Popmusik in das Spiel zu integrieren? Der Titel nervt schon beim ersten Starten des Spiels und da er auch noch die einzige musikalische Untermalung ist die das Menü zu bieten hat, ist man gut beraten sich so kurz wie möglich in diesem aufzuhalten. Aber die Wahrheit liegt ja bekanntlich auf dem Platz, doch da herrscht leider betretenes Schweigen. Dass ein Tennis-Court nicht der Ort ist, an dem Bier trinkende Proleten lautstark ihren Favoriten anfeuern dürfte jedem klar sein, aber bei Top Spin 3 erinnert dies eher an ein schwach besetztes Regionaltheater in dem sich die Besucher von Zeit zu Zeit ein müdes Klatschen abringen. Da kann man das gebrüllte „Fault“ des Schiedsrichters, welches erschreckend stark nach „Fuck“ anhört, noch getrost als Highlight bezeichnen. Wirkliche Wettkampfatmosphäre kommt bei einem so schwachen Soundteppich leider nicht auf.
Fazit
Ich habe mich seit der Ankündigung und den ersten Videos auf diesen Titel gefreut und war zunächst auch begeistert. Endlich kann man seinen Spieler selber in Position bringen und die Richtung der Schläge besser bestimmen als dies in Wii Sports der Fall war. Auch der Look des Spiels entsprach mehr meinem Geschmack als die kurzbeinigen Miis mit den Riesenköpfen. Leider lies meine Begeisterung eben so schnell nach wie sie gekommen war, denn das langsame Gameplay, die mittelmäßige Steuerung so wie die fehlende Langzeitmotivation auf Grund des viel zu knappen Umfangs sorgen dafür, dass Top Spin 3 relativ schnell wieder im Regal landet und nur für Mehrspielerpartien wieder den Weg in die Konsole findet. Wann verstehen die Entwickler nur endlich, dass Wii-Spieler nicht immer die ganze Hütte voller Besucher haben, sondern auch mal alleine online oder in einer Karriere antreten wollen. Für alle, die eine Tennissimulation suchen ist Top Spin 3 aus dem Hause 2K Sports nicht zuletzt auf Grund der mangelnden Konkurrenz definitiv eine gute Wahl und kann vor allem im Multiplayermodus überzeugen. Alle anderen müssen sich überlegen, ob die Wii-Steuerung den knappen Umfang wett macht oder ob man nicht mit Wii Sports ausreichend versorgt ist.
Schreibe einen Kommentar