Testbericht: Tenchu: Shadow Assassins
Schnell wie ein Puma, stark wie ein Bär, scharfsinnig wie ein Adler – das ist nicht nur Marshall Bravestar aus der gleichnamigen 90er-Jahre Serie, nein, das sind vor allem die Markenzeichen moderner Videospielninjas. Entwickler From Software lässt seine feudalen Schwertschwinger erstmals auch auf die Wii-Spieler los. Mit „Tenchu: Shadow Assassins“ bekommt das stark unterbesetzte Genre der Stealth-Action endlich wieder einen Ableger. Dass die Ninjas aber noch mehr können, als nur blind im Dunkel umhertappen, müssen sie im Test erst mal beweisen!
Ninja gegen Fisch gegen Schlange
Die Geschichte der Tenchu-Reihe ist fast so alt wie die der japanischen Schwertkämpfer selbst. 1998 huschten die Protagonisten Rikimaru und Ayame erstmals durch die niedrig aufgelösten Schatten der ersten Playstation. Damals galt das Spiel als neuartig und innovativ – begründete zusammen mit Metal Gear Solid, sowie der Thief-Reihe sogar ein völlig neues Genre. Die Stealth-Action, oder Schleichspiele auf gut Deutsch. Doch in den folgenden Jahren entwickelte sich die Konkurrenz immer weiter und lange Zeit wurde der Kampf um die Schleichkrone nur noch von Solid Snake (Metal Gear Solid) und dem neu hinzugekommenen Sam Fisher (Splinter Cell) ausgetragen. Die Tenchu-Reihe blieb dagegen sprichwörtlich stets im Schatten der Großen, konnte doch nach dem Erstlingswerk kein Spiel der Reihe mehr richtig begeistern. Zehn Jahre, knapp zehn Spiele und zwei Entwicklerwechsel später ist die Serie in der Wii-Ära angekommen. Solid Snake ist mittlerweile längst in Rente und Sam Fisher lässt mit seinem nächsten Abenteuer bereits seit Jahren auf sich warten. Der perfekte Zeitpunkt also für die Ninjas, endlich aus dem Schatten hervorzutreten und lautlos zuzuschlagen. Das Wii- und PSP-exklusive Tenchu: Shadow Assassins versetzt euch einmal mehr in die Zeit des feudalen Japans und in die Haut von Rikimaru und Ayame, die das Verschwinden einen Prinzessin aufklären sollen. Doch selbstverständlich ist das mal wieder nur der Anfang …
Schleichen und Schlitzen
Getreu den Wurzeln der Serie handelt es sich bei Tenchu: Shadow Assassins um ein Actionspiel mit besonderer Betonung aufs Schleichen – Für den Feind unsichtbar sein lautet die Devise. Dazu turnen eure Protagonisten bevorzugt durch die Schatten, huschen mit Hechtsprüngen von Gebüsch zu Gebüsch, hangeln, löschen Lichter und vieles mehr. Das Prinzip ist bekannt und Tenchu macht sich auch nicht die Mühe, das Rad neu zu erfinden. Viele Elemente, etwa eine Anzeige für den Grad der Sichtbarkeit, sind aus anderen Vertretern des Genres hinreichend bekannt. Seid ihr dabei Anfangs noch völlig wehrlos unterwegs, kommen später im Spiel auch Waffen hinzu, mit denen sich dann auch handfeste Konfrontationen überstehen lassen.
Zu Beginn des Spiels heftet ihr euch zunächst mit Rikimaru – dem Anführer des Azuma-Clans – an die Fersen eines kriminellen Händlers, dessen Ware auch gerne mal aus hübschen Frauen besteht. Klar, dass es sich hierbei um eine Spur zur entführten Prinzessin handelt. Die ersten Spielabschnitte dienen dabei gleich als Tutorial, jede wichtige Aktion wird mit Text und Tasteneinblendungen erklärt. Zunächst gilt es in erster Linie im Schatten zu schleichen, Feinde zu umlaufen und von hinten lautlos auszuschalten. Für Letzteres bedienen sich die Ninjas einer Hissatsu genannten Technik: Mit dem A-Knopf wird ein naher Feind in die Mangel genommen und – je nach Wiimote-Schwung – auf unterschiedliche Weise ins Jenseits befördert. Selbst mehrere Gegner stellen auf diese Weise kein Problem dar – schnelle Reflexe vorausgesetzt legt Rikimaru teils beeindruckende Choreografien hin. Das ist allerdings auch dringend nötig, denn anders als bei den Kollegen Fisher und Snake – wo der Spieler dafür belohnt wird, so wenig wie möglich zu töten – können bei Tenchu die vielen Feinde kaum umgangen werden. Außerdem landet am Ende eines Abschnitts jeder erfolgreiche Hissatsu auf einer Punktestatistik. Zu den weniger aggressiven Fertigkeiten eines Ninjas zählt dagegen das Löschen von Kerzen, klettern, hangeln, sich in Bottichen verstecken, schnorcheln und zuletzt noch das innere Auge. Letzteres wird durch Drücken des Z-Knopfes aktiviert und schärft sozusagen eure Ninja-Sinne. In diesem Modus werden Feinde farbig markiert, abhängig davon, ob sie von eurer Anwesenheit Notiz genommen haben oder nicht – das Sichtfeld des Gegners wird praktischerweise auch gleich angezeigt. Doof ist es dagegen, dass diese Sichtfeldlinien selbst durch Wände hindurchgehen. Es kann also durchaus sein, dass ihr euch mitten im Sichtbereich eines Feindes zu befinden scheint, obwohl natürlich eine dicke Wand dazwischen ist – sehr verwirrend.
Dafür leuchten nutzbare Objekte ebenso auf, wie Schatten, in denen die Ninjas sich verstecken können. Doch das mit den Schatten ist in Tenchu ohnehin ein wenig seltsam geregelt. Obwohl die meisten Level schon recht dunkel sind, sind viele Ecken von einer Art schwarzem Dunst belegt. Versteckt ihr euch in diesem „Nebel“ seid ihr quasi unsichtbar. Die Platzierung dieser schattigen Stellen erscheint jedoch mitunter etwas willkürlich, denn nicht überall, wo eigentlich Schatten sein müsste, befinden sich auch die spielerisch nutzbaren Schattenstellen. Hier hat die Konkurrenz klar die Nase vorn, insbesondere Splinter Cell, wo jede Lichtquelle auch einen schutzbietenden Schatten wirft. Werdet ihr dennoch einmal von einer Wache entdeckt, bedeutet das zunächst das zeitweilige K.O. – da anfangs noch unbewaffnet, wirft euer Ninja bei Entdeckung automatisch eine Rauchbombe und springt damit zum Anfang des Abschnitts zurück. Erst später ist es euch möglich, selbst nach einer Entdeckung noch kampffähig zu bleiben. Und auch das erscheint wieder etwas arg konstruiert, insbesondere da eure Ninjas bei einem Hissatsu dem Gegner nicht selten mal das Schwert klauen um ihn damit selbst aufzuspießen. Doch danach wird die Waffe wieder brav zurückgelegt und es geht unbewaffnet weiter, bis man an entsprechender Stelle im Spiel ein Schwert findet, dass dauerhaft mitgeführt werden darf.
Hat man dann die ersten Schwertkämpfe ausgefochten, wünscht man sich die verfluchte Klinge allerdings schon wieder ins Nirvana zurück, denn das Team von From Software hat die Kampfsteuerung ordentlich in den Sand gesetzt. Kommt es zu einem Schwertkampf wechselt das Spiel Red Steel-mäßig in die Egoperspektive, der Kampf wird in einer Abfolge von Schlagen und Blocken ausgetragen. Dabei wird mittels einer Linie kurz angezeigt, wohin der Feind schlagen wird, sodass ihr die Wiimote kreuzverkehrt zum Block halten könnt. Nach einigen Hieben hat euer Ninja dann kurz Zeit selbst zuzuschlagen, allerdings ist dieses Zeitfenster so verflixt knapp, dass man es im ständigen Trott aus Blocken auch gerne mal verschläft und anschließend wieder eine Reihe von gegnerischen Angriffen abwehren muss. Selbst im Vergleich zur nicht optimalen Steuerung des eben genannten Red Steel wirken die Tenchu-Kämpfe so dynamisch wie eine Rollstuhlrally im Seniorenheim. Da zudem jede Entdeckung und der damit verbundene Kampf einen negativen Eintrag in der Statistik mit sich bringt, ist es nicht zuletzt deshalb ratsam, dem direkten Konflikt einfach auszuweichen.
Licht und Schatten
Davon abgesehen macht das ständige Katz-und-Maus-Spiel dank vieler Ninja-typischer Utensilien und Vorgehensweisen aber zunächst richtig Laune. Müsst ihr euch Anfangs meist von hinten an den Feind heranschleichen, erhaltet ihr im späteren Spielverlauf etwa einen Kletterhandschuh oder ein Bambusrohr zum unbegrenzten Schnorcheln. Dadurch erhält das lautlose Meucheln auch einen guten Schuss Abwechslung und regt fast schon den Jagdinstinkt an, kann aber irgendwann auch nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass sich praktisch das ganze Spiel über die Abläufe stetig wiederholen. Schon der erste Abschnitt ist übersät mit komplett gleichaussehenden Klonkriegern, wie man sie höchstens in Star Wars noch häufiger sieht. Zudem reagiert die KI der Feinde nur rudimentär und berechenbar, die meiste Zeit stehen sie einfach nur in der Gegend herum und sind selbst dann taub, wenn zwei Meter hinter ihnen ein Kollege erledigt wird.
Weitere Patzer leistet sich das Spiel bei der Steuerung der Kamera. Diese lässt sich nämlich nur bei aktiviertem innerem Auge frei drehen – dann allerdings könnt ihr euch mit eurem Charakter nicht bewegen. Immer wieder müsst ihr daher im laufenden Spiel stehen bleiben um die Kamera zu justieren.
Schön gelungen ist dagegen die Inszenierung des Abenteuers, das zumindest auf Wii kaum Genrekonkurrenz hat. Obwohl die Geschichte des Azuma-Clans, der entführten Prinzessin und eines drohenden Krieges kaum über die üblichen feudal-japanischen Klischees hinausgeht, sind die regelmäßigen Zwischensequenzen doch sehr schön inszeniert und tragen ab einem gewissen Punkt die gut Spannung weiter. Zudem lassen sich abseits der Hauptkampagne auch separate Einzelmissionen spielen, in denen unter Zeitdruck ein Ziel erreicht oder eine Vorgabe erfüllt werden muss. Zumindest für kurze Zeit wissen diese Bonusmissionen zu unterhalten, allerdings bekommt man hier nichts, was es nicht auch im Hauptspiel gibt – nur mit dem Unterschied, dass die motivierende Handlung fehlt. Ebenso wie ein Multiplayermodus, denn den gibt es überhaupt nicht.
Die Technik der Ninjas
Anhand der Trailer hat sich schon im Vorfeld erkennen lassen, dass Tenchu: Shadow Assassins kein ganz hässliches Spiel sein wird. Und in der Tat, die Jungs von From Software haben ihre japanische Kulisse mit viel Liebe zum Detail gebaut. Auch wenn weder Texturen noch Polycount einen neuen Rekord auf der Wii aufstellen, so fügen sich die Spielfiguren doch harmonisch in die Umgebungen ein und die Lichtgestaltung der überwiegend düsteren Kulissen weiß zu überzeugen. Umso ärgerlicher ist es dafür, dass nahezu alle Feinde gleich aussehen und stets die exakt selben Sprüche vom Stapel lassen – zudem sind auch die Lippen nur sehr spärlich animiert. Desweiteren trüben vereinzelte Clippingfehler immer wieder das Geschehen und die hakelige Kamera betrachtet auch gerne mal eine Wand von Innen.
Doch dafür schmeichelt zumindest der Sound selbst verwöhnten Ohren. Während viele Effekte nur sehr mager ausfallen und die Stimmen der feindlichen Samurai eher nach ur-amerikanischen Wrestlern klingen, so schafft es doch die stellenweise märchenhaft schöne Musik immer wieder so etwas wie eine erhabene Atmosphäre zu kreieren. Dass auch diese Stücke sich recht schnell wiederholen, sei dafür dann einfach mal großzügig übersehen.
Fazit
Ninjas stehen ja bekanntlich auf martialische Auftritte, und so lässt sich auch ihr Wii-Abenteuer wunderbar mit einer simplen Metapher beschreiben. Dem zweischneidigen Schwert, ein Katana – mal scharf wie der Wind, mal stumpf wie „Germanys next Topmodel“. Im Prinzip schlagen sich Rikimaru und Ayame seit zehn Jahren durch fortwährend ähnliche Abenteuer, die nie den Glanz eines Blockbusters erreicht haben. Doch woran liegt das? Und woran liegt es, dass auch Tenchu: Shadow Assassins auf Wii nicht vollends begeistern kann? In erster Linie an den vielen Flüchtigkeitsfehlern der Entwickler. Hätten sie einfach nur die besten Elemente aus Metal Gear Solid und Splinter Cell ins japanische Setting transportiert wäre bereits ein gutes Spiel herausgekommen. Doch viele kleine Schnitzer, etwa die Kamerasteuerung oder das eigenartige Schattenprinzip nehmen dem Titel den Wind aus den Segeln. Zudem fehlt es an guten, eigenen Ansätzen. Obwohl sie Ninjas sind, haben eure Recken kaum etwas drauf, was in anderen Spielen nicht schon mal da gewesen wäre. Die wenigen eigenen Ansätze, etwa der Schwertkampf in der Egoansicht, leiden dafür an den Tücken der Steuerung. Dennoch ist Tenchu kein schlechtes Spiel. Aber letztlich bleiben wieder nur das interessante Setting, sowie das unverwüstliche Schleich-Spielprinzip, dass zwar nach wie vor großen Spaß machen kann, in der Form aber auch einfach nichts Neues mehr ist.
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