Testbericht: Tamagotchi – Party On!
Dass es auf Nintendos Wii vor Partyspielen nur so wimmelt, dürfte auch dem letzten Besitzer der Konsole nicht entgangen sein. An allen Ecken und Enden überschütten uns die Hersteller mit Titeln, die angeblich alle wahnsinnig viel Spaß machen und auf keiner Party fehlen dürfen. Auf jeden Casual-Titel, der wirklich gelungen und spielenswert ist, kommt sicherlich gut ein Dutzend Games, deren Programmierung man sich hätte sparen können. In welche Kategorie „Tamagotchi – Party On!“ gehört? Wir haben für euch alle Torturen auf uns genommen und es herausgefunden…
Werde glücklich! Werde beliebt! Werde Präsident!
Erfolgreiche Konzepte werden immer ihre Nachahmer finden. Im Falle von Tamagotchi – Party On! ist es Nintendos Mario Party-Reihe, die hier das Vorbild darstellte. Ähnlich wie beim Partyspiel mit dem dicken Klempner und seinen Freunden, respektive Feinden, so handelt es sich auch bei Tamagotchi – Party On! um ein virtuelles Brettspiel mit Minispielen. Das von Namco Bandai entwickelte und in unseren Breitengraden von Atari vertriebene Werk hat dabei sogar eine Art Story zu bieten: In der Welt der Tamagotchis stehen die Wahlen kurz bevor und eure Aufgabe ist es, das beliebteste Tamagotchi und damit zum Präsidenten gewählt zu werden. Na, wenn das mal nicht Ansporn genug ist! Um dies zu veranstalten, sollte nach dem Start des Spiels der „Brettspiel-Modus“ gewählt werden. Bis zu vier Spieler dürfen hierbei teilnehmen, allerdings macht sich schnell ein erster Patzer im Design bemerkbar: Einzelspieler können nicht alleine oder mit nur einem Gegner in die Wahl starten, sondern man hat immer drei Gegner mit dabei, die entweder von anderen Spieler übernommen werden oder KI-gesteuert sind. Wer somit auf eine schnelle Runde zwischendurch gehofft hat, wird einen ersten Dämpfer hinnehmen müssen. Danach darf noch eingestellt werden, mit welchem Tamagotchi man an den Start gehen möchte. Zu Beginn stehen dabei lediglich vier verschiedene Charaktere zur Auswahl. Mit der Zeit können aber insgesamt bis zu 15 Charaktere freigeschaltet werden. Nach der Wahl der Rundendauer und der Startreihenfolge beginnt das eigentliche Game.
Ihr werdet zusammen mit euren Kontrahenten in der Welt der Tamagotchis ausgesetzt und müsst nun versuchen, auf den insgesamt sechs Spielfeldern jeweils zum nächsten Kampagnenfeld zu kommen. Denn es wird nur das Tamagotchi zum Präsidenten erklärt werden, welches die meisten Beliebtheitspunkte sammeln konnte. Und wer zuerst das Kampagnenfeld einer Stadt erreicht, darf dort eine Rede vor den anderen versammelten Tamagotchi halten und fährt eine ordentliche Portion Beliebtheitspunkte ein. Auf dem Weg zum Kampagnenfeld wird natürlich reihum gewürfelt und über das virtuelle Spielbrett gezogen. Im Gegensatz zu Mario Party sind hier übrigens die Laufwege nicht fest vorgegeben, so dass man auch jederzeit in die Gegenrichtung starten kann. Ihr landet dabei auf verschiedenen Feldern, die unterschiedliche Auswirkungen haben können. Sternfelder bedeuten, dass man es mit einem Minispiel zu tun bekommt. Es gibt die sagenhafte Anzahl von 15 verschiedenen Minispielen, die in ihrer Art und Weise allesamt bereits aus Mario Party und Konsorten bekannt sind. Je nach Erfolg in den Minispielen werden euch Beliebtheitspunkte gut geschrieben. Angemerkt werden muss noch, dass die Minispiele allesamt für Einzelspieler ausgelegt sind. Ein gleichzeitiges Interagieren vor dem Bildschirm mit den anderen Spielern findet nicht statt. Es gibt auch keine gemeinsamen Minigames am Ende einer jeden Runde wie es bei Mario Party der Fall ist. Aber wir haben es hier ja auch mit dem ernsten Thema einer Präsidentschaftswahl zu tun, oder?
Stempel- und Passwortfelder sind selten auf den Spielbrettern und schalten versteckte Extras frei. Ebenso rar gesät sind die Überraschungsfelder, nach deren Betreten sich in der Regel die Wege auf dem Brett ändern. Wesentlich häufiger anzutreffen sind die Gotchi-Spiel-Felder. Hier darf Tamagotchi-like ein mehr als simples Minigame gespielt werden, um damit Geld zu verdienen, welches in den sporadisch aufzufindenden Shops wieder ausgegeben werden kann. Geld? Ja, denn neben den Beliebtheitspunkten ist das der andere Faktor, der von Bedeutung ist: Geld. Das Geld in Tamagotchi – Party On! wird „Gotchi“ genannt und man soll es einsetzen, um damit seine Beliebtheit zu erhöhen und zum Präsidenten gewählt zu werden. Dass eine Finanzspritze für den Gewinn einer Wahl essentiell sein kann, verleiht dem Game trotz seiner kindlichen Aufmachung einen erschreckend nahen Bezug zur Realität. Ob die Programmierer die Kids bewusst für die Farce sensibilisieren wollten, die als „Wahlkampf“ bezeichnet wird? Oder waren sie schlicht und ergreifend so gelangweilt vom eigenen Game, dass man dachte mit Geld das Gameplay aufpeppen zu können?
Tamagotchi – Party On! spielt sich nämlich erschreckend lahm. Das Würfeln, das Ziehen der Charaktere, die Tatsache, dass man die Züge der Computerspieler nicht überspringen kann – all das trägt nicht gerade zu einem motivierenden Spielfluss bei. Hinzu kommt, dass das Bruder Glück und Schwester Zufall eine zu große Rolle spielen. Ereignisfelder bedeuten nämlich gescriptete Events, die entweder gut oder schlecht für euer Konto sein können. Die Höhe der Boni oder Mali ist dabei stets rein zufällig. Beeinflussen könnt ihr euch Schicksal somit nicht. Und wo man meinen könnte, dass man mit den im Shop gekauften Items sein Hauptquartier verschönern und daraufhin mehr Beliebtheitspunkte abstauben kann, wird ebenfalls eines Besseren belehrt: Am meisten bringt es nämlich, schnellstmöglich das Kampagnenfeld zu erreichen. Der erste Spieler dort wird mit vergleichsweise vielen Punkten überschüttet, die man mit den normalen Spielen praktisch kaum noch aufholen kann. Dabei hätte Tamagotchi – Party On! durchaus einige positive Aspekte vorzuweisen. Die sechs Spielbretter sind nämlich alle miteinander verknüpft und der zu wählende Weg ist dem Spieler vollkommen freigestellt. Natürlich sollte man sich in Richtung Kampagnenfeld bewegen, das ist jedoch nicht vorgeschrieben. Aus diesem Ansatz hätte sich bestimmt mehr machen lassen.
Außer Kontrolle?
Mehr machen lassen hätte sich auch in Sachen Steuerung. Das beginnt schon mit der Tatsache, dass im Hauptmenü auf die Pointerfunktion der Wii-Remote verzichtet wurde und man die Menüpunkte über das Steuerkreuz anwählt. An sich ist das nicht schlimm, aber warum um alles in der Welt bietet denn die Wiimote die komfortable Pointerfunktion, wenn sie nicht genutzt wird? Richtig schlimm wird es in Punkto Steuerung jedoch erst, wenn es ans Eingemachte, sprich die Minispiele geht. Hier offenbart sich die größte Schwäche von Tamagotchi – Party On!. Es gibt nämlich insgesamt zwei Kategorien von Bewegungen im Spiel: Simple Gesten wie kräftiges Schütteln, bei denen man die Minispiele in der Regel ohne Probleme perfekt meistert und dabei reichlich Punkte einführt. Dann gibt es aber noch die Spiele, die eine genauere Bewegungssteuerung erforderlich machen. Und so simpel die Bewegungen dort auch sein mögen – von links nach rechts, von oben nach unten – sie werden kaum ein einziges Mal korrekt erkannt. Nur mit Zufall gelingt es ein paar der gestellten Aufgaben zu erledigen. Ausgerissene Seiten in ein Buch einfügen, Eiskugeln portionieren, Fenster putzen – dank der absolut misslungenen Steuerung sind diese an sich simplen Minispiele oftmals ein Ding der Unmöglichkeit.
Den krassen Gegensatz dazu stellen die „Gotchi“-Spiele dar, in denen es nicht um Beliebtheitspunkte, sondern um die pure Kohle geht. Diese sind so simpel, dass sie prinzipiell nur das Betätigen von drei Buttons erfordern, um beispielsweise eine Auswahl zu treffen oder eine Reihenfolge festzulegen. Dies geschieht über die Richtungen Links, Oben sowie Rechts auf dem Digikreuz der Wii-Remote. Das funktioniert zwar, der aufkommende Spielspaß hält sich bei derartigen Aktionen allerdings stark in Grenzen. Und warum man die Wiimote kraftvoll nach oben oder unten schwingen muss, um vor dem eigenen Zug eine Übersicht über die aktuelle Punkteverteilung zu erhalten, wird ein ewiges Rätsel bleiben.
Attacke der Killer-Farben!
Selten zuvor sollte man die Epilepsie-Hinweise so ernst nehmen wie vor dem Spielen von Tamagotchi – Party On!. Das Game ist nämlich derart bunt, dass einem bereits vom Zusehen die Zähne schmerzen. Knallige Farben, bunte Strichmännlein und eine Optik, als ob ein halber Kindergarten mit den Farbpistolen unterwegs war. Technisch erwecken die zweidimensionalen Charaktere auf den dreidimensionalen Spielbrettern den Eindruck, als wäre all dies bereits ohne Probleme auf dem N64 möglich gewesen. Doch immer muss man dem Titel eine gewisse stilistische Einheitlichkeit zusprechen, die es zweifelsohne besitzt. Dass Tamagotchi – Party On! dann sogar den 16:9- sowie 480p-Modus unterstutzt, hätte man der killerbunten Nippon-Party für Farbliebhaber gar nicht zugetraut.
Auf einem ähnlichen Niveau präsentiert sich der Sound. Die wenigen Hintergrundmelodien quietschen und lassen Erinnerungen an das Midi-Gedudel aus 8Bit-Zeiten aufkommen. Doch gepaart mit den hohen, kreischigen Kommentaren der Charaktere und den ab und zu ertönenden Juchzern aus dem Lautsprecher der Wii-Remote muss man dem Game zugestehen, dass man zumindest beinhart eine klare Linie verfolgt. Reizüberflutung als Stilmittel? Hier haben wir das beste Beispiel dafür.
Fazit
Eigentlich ist Tamagotchi – Party On! ein absolutes Hardcoregame. „Hardcore“ deswegen, weil alleine die quietschbunte Optik mit ihren grellen Farben einem höllischen Trip gleichkommt, den kein Drogencocktail in dieser Art verursachen kann. Die piepsigen, kreischigen Sprachsamples aus dem tiefsten Nippon rauben euch den letzten Nerv und lassen die Gehörgänge bluten – und gerade das verleiht dem Titel eine gewisse Anziehungskraft. Kennt jemand das Buch „Faszination des Bösen“? Man könnte meinen, Tamagotchi – Party On! wäre geradewegs der Gameplay-Hölle entsprungen um uns mit einer missratenen Steuerung, fehlendem Spielfluss und einer Technik, die eine Bankrotterklärung an die Fähigkeiten eines jeden Programmierers ist, zu knechten. Immerhin lässt der Budgetpreis diesen Trip günstiger kommen als eine Ladung bunter Pillen, weshalb das Game in gewisser Weise damit seine Daseinsberechtigung hat.
Schreibe einen Kommentar