Testbericht: Spider-Man 3
Filmumsetzungen sind immer eine heikle Angelegenheit. Zu oft schon wurde zum großen Namen auf der Leinwand mit heißer Nadel ein schwaches Spiel gestrickt, nur um rechtzeitig zum Kinostart ein Game in den Läden zu haben, mit welchem man den Zockern das Geld aus der Tasche ziehen und damit die teuer eingekaufte Filmlizenz anständig nutzen konnte. Zum Glück gibt es immer wieder Ausnahmen, wie die letzten Titel mit Spiderman in der Hauptrolle unter Beweis stellten. Zwar wurde auch hier das Rad nicht neu erfunden, aber man hob sich deutlich ab vom meist durchschnittlichen Rest der Filmumsetzungen. Aber wie sieht es nun mit dem aktuellen Teil „Spiderman 3“ aus? Kann man dem Blockbuster gerecht werden? Und noch wichtiger: Kann sich Spidey dank der Wii-Steuerung in ungeahnte Spielspaß-Höhen schwingen?
Aus großer Kraft folgt große Verantwortung
Fans des Spinnenmanns kennen diesen Satz und werden sicher auch mit der Hoffnung an das Spiel herangehen, dass den Entwicklern ebenfalls diese Zeile im Kopf herumspukte, als sie sich an die Programmierung der Wii-Version machten. Rein storytechnisch gesehen orientiert man sich wie bei den anderen Umsetzungen für Xbox360, PS3, PC und PS2 nur grob am Film. Der Spieler bekommt also nur Schlüsselszenen aus dem Kinostreifen serviert und spielt diese nach, mehr Wert wird aber wie schon beim Vorgänger auf eine offene Welt mit speziell gestalteten Missionen gelegt. Wem dabei nun „GTA“und Konsorten in den Sinn kommt, liegt dabei nicht einmal so falsch.
Hauptaufgabe bei Spiderman 3 ist es nämlich, an bestimmten Orten mit bestimmten Personen zu reden, um von diesen einen bestimmten Auftrag zu erhalten. Ihr entscheidet euch quasi nur, ob ihr den Aufträgen der Haupthandlung folgt und das Game relativ schnell durchspielen, oder ob ihr euch auf Nebenmissionen konzentriert und möglichst alles erkunden und freischalten wollt. Entscheidet ihr euch für den Quickie und wollt nur schnell das Ende sehen, seid ihr binnen weniger Stunden am Ziel angelangt. Ohne viel Aufwand steht ihr nach guten drei bis vier Stunden Venom gegenüber und dürft dafür sorgen, dass New York von dieser Plage befreit wird. Wollt ihr mehr Zeit investieren, dürft ihr euch den Nebenmissionen widmen und regelmäßig auf Verbrecherjagd gehen. Auf der Karte wird euch dabei angezeigt, in welchen Stadtteilen die insgesamt vier Verbrecherbanden aktiv sind und wo die Polizei bereits die Kontrolle hat.
Ihr sucht euch dann einfach einen Informanten aus (am leuchtenden Kreis schon von weitem erkennbar), sprecht diesen an und los geht die Banditenhatz! Die Aufgaben scheinen dabei anfangs breit gefächert sein: Entführte Personen retten, geklaute Gegenstände besorgen, Bomben entschärfen, Sprengangriffe auf Gebäude verhindern – klingt eigentlich nicht schlecht. Leider entpuppt sich aber nahezu jede Mission als gleichbleibender Action-Brei. Schwingt euch zum Ort des Geschehens, verprügelt ein paar Bösewichte, bringt den gesuchten Gegenstand/die gesuchte Person zum Zielort – fertig. Selten gesetzte Zeitlimits treiben etwas zur Eile an und noch seltener vorkommende Quick Time Events bringen kurzzeitig Abwechslung, insgesamt gestaltet sich die Verbrecherjagd aber als eine sehr zähe und bald schon langweilig werdende Angelegenheit. Zudem sollte bedacht werden, dass auch im Verlauf der Hauptstory das Fangen und Vermöbeln von Fieslingen immer wieder angesagt ist.
Immerhin lassen sich so Erfahrungspunkte nach jeder erfolgreich absolvierten Mission verdienen, mit denen man die sogenannten „Heldenupgrades“ freischalten kann. Diese lassen Spidey neue Fähigkeiten erlernen, die von längeren Combos über mehrere Sprünge und neue Attacken bis hin zu Energie- und Speed-Updates reichen. Mit der Zeit wird euer Spinnenmann also zur lebenden Kampfmaschine und hat immer mehr Tricks drauf, die ihm das Erledigen der Gegner leichter machen. Positiv fällt auch auf, dass die einzelnen Missionen übersichtlich im Pausenmenü aufgeführt sind und man dort auch den Fortschritt im Spiel genau betrachten kann. Da Peter Parker als Reporter tätig ist, bekommt man nämlich auch eine Kamera, mit der sich Fotos von den Schurken knipsen lassen. Diese dürfen genauso gesammelt werden wie 100 Meteoritensplitter oder 50 Spinnensymbole. Letztere erscheinen allerdings erst nach dem Ableben des letzten Obermotz und das aus gutem Grund: Bislang konntet ihr den aus dem Film bekannten schwarzen Anzug auch im Spiel anlegen und Spidey damit wesentlich stärker und widerstandsfähiger machen. Allerdings sorgte der schwarze Anzug auch dafür, dass Peter mit der Zeit wahnsinnig wurde und wer den Anzug zu lange trug, riskierte ein „Game Over“. Diese Spielerei fällt dann erst einmal weg und man erhält den Anzug erst wieder, wenn man alle 50 Spinnensymbole gefunden hat.
Um soweit zu kommen, muss man aber natürlich erst einmal seinen Spinnenmann auf Vordermann bringen und aufpowern, wobei sich am Anfang vor allem die erweiterten Combos und die ersten Energieupgrades als sinnvoll herausgestellt haben. Während des Spiels lässt sich übrigens jederzeit zwischen drei Schwierigkeitsstufen wechseln, was vor allem Anfängern entgegenkommen dürfte und selbst Profis bei manch fiesem Gegner in den Fingern zucken lässt. Während sich die ersten Kämpfe noch simpel und etwas eintönig gestalten, wird bald schon mehr (Gegenwehr) geboten. Eure Widersacher blocken Angriffe mit einem Schild, schwingen eine Keule oder weichen vor euren Attacken zurück, um euch selbst im ungeblockten Moment zu erwischen. Leider beschränken sich die Gegner aber auf gerade mal eine Handvoll Schergen, denn auch die später im Spiel auftauchenden Echsen verfolgen dieselben Angriffsmuster wie ihre menschlichen Pendants. Auch die sich auffüllende Adrenalinanzeige, welche euch spezielle Moves ermöglicht, kann hier nicht viel zur Abwechslung beitragen. Das Gameplay in den Standardsituationen bleibt leider überraschend eintönig und wird selbst von freischaltbaren Wettrennen nicht aufgelockert.
Somit sorgen einzig und allein die Bosskämpfe für Spannung und ein Abkommen vom öden Haudrauf-Prinzip. Hier hat man sich wirklich etwas einfallen lassen und genau das weiß zu gefallen. Sei es der Fight gegen den neuen Kobold, wo man am Gleiter hängend dem Straßenverkehr ausweichen muss, der Kampf gegen den riesigen Lizardman, der geschickt in Elektrofelder gelockt und wie ein störrisches Pferd gezähmt werden will oder die Schlacht gegen die beiden Wii-exklusiven Schurken Morbius und Shriek, die ganz Vampir-like das Sonnenlicht hassen und auch nur mit Hilfe dessen in die ewigen Jagdgründe geschickt werden können. Hier finden sich die wenigen Lichtblicke des Spiels und auch nur hier kommt richtig Stimmung auf. Der Rest des Titels sorgt eher für gähnende Langeweile, weil man sich viel zu oft durch die halbe Stadt zum nächsten Informanten schwingen muss. Hinzu kommt auch, dass offenbar schludrig programmiert wurde. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ein für die Story wichtiger Informant mit einem Mal verschwunden war und ich frustriert 30 Minuten durch Manhatten schwang, bevor ich das Spiel einfach neu startete. Und siehe da, mit einem Mal war der Typ auf der Karte sichtbar, ansprechbar und ich konnte die Story weiterspielen. Sorry, aber das sollte in einem fertigen Game eigentlich nicht vorkommen.
Die Steuerung
Nun sollte man meinen, dass die Entwickler wenigstens die Wii-Steuerung entsprechend in das Spiel einbauen und dem Spieler so zumindest das Gefühl vermitteln, als würde er sich mitten im Kinofilm befinden. Dies ist sogar halbwegs gelungen und wird euch auch gleich nach Spielstart in einer Mischung aus Intro und Tutorial beigebracht. Gesprungen wird mit dem Z-Button, der Analogstick des Nunchuk steuert Spidey und C positioniert die Kamera wieder hinter euch. Das ist zum Glück nur selten notwendig, da die Kamera erstaunlich gut reagiert und das Geschehen meist übersichtlich einfängt. Durch das Schwingen der Wiimote nach links oder rechts teilt ihr Schläge aus, die je nach Heldenupgrade automatisch zu Combos aneinander gereiht werden und mit dem A-Button für einen schweren Angriff abgerundet werden können. In der Nähe von Wänden genügt ein Druck auf den B-Button, schon klettert ihr wie eine Spinne an den Wänden entlang. Habt ihr einen Gegner anvisiert, könnt ihr mit B einen Netzangriff ausführen und euren Widersacher so kurzzeitig lähmen. Z + B bewirken den sogenannten Netzleinenzug, mit dem man auf der Straße und auch an Gebäuden schneller vorankommt.
Richtig interessant wird es aber erst, wenn man sich durch die Straßen von New York schwingen will. Hierbei fungieren Wiimote und Nunchuk als rechter und linker Arm eurer Spinne. Auf der Wiimote muss man B gedrückt halten und dann den Arm nach vorne stoßen, damit Spidey eine Spinnenleine ans nächste Gebäude klebt und sich nach vorne schwingt, beim Nunchuk wird Z gehalten und ebenso verfahren. Anfangs wird man dabei noch recht unkoordiniert in den Häuserschluchten umher schwingen und sicher mehr als einmal gegen ein Gebäude segeln, aber da unser Spinnenmann selbst einen Sprung vom Empire State Building ohne Energieverlust übersteht, sollte das kein Problem sein. Mit etwas Übung kommt man bald schon gut damit zurecht, zumal ein Drücken des A-Buttons dem Schwung einen zusätzlichen Boost verleiht und man beinahe in einen kleinen Geschwindigkeitsrausch verfällt. Mit etwas Phantasie fühlt man sich so selbst im heimischen Wohnzimmer wie ein kleiner Spiderman – zumindest bis man dann von der Realität des Spiels wieder eingeholt wird. Denn auch die Steuerung ist nicht in allen Belangen wirklich zu loben. Das Ausweichen beispielsweise durch ein schnelles Senken/nach vorne Bewegen des Nunchuk funktioniert nur sporadisch. Viel zu oft hängt man in den Combos der Gegner fest und rettet sich eher durch einen Sprung aus der Gefahrenzone heraus.
Die Grafik
Einen richtig herben Dämpfer bekommt jeder Fan der Spinne aber weder durch die Steuerung, noch durch das eintönige Spielprinzip der meisten Missionen versetzt. Nein, in erster Linie erwähnt werden muss wieder einmal der Punkt, den ohnehin schon viele Kritiker immer wieder als Zielscheibe für ihre Angriffe verwenden: Die Grafik. Sicherlich erwartet man von einem Multiplattform-Titel nicht, dass er die Konsole bis aufs Letzte ausreizt. Aber was uns hier in Form von Spiderman 3 auf dem Screen geboten wird, ist an manchen Stellen einfach eine Frechheit. Man sollte vielleicht noch als Hintergrundinfo erwähnen, dass für die Umsetzungen zwei verschiedene Teams verantwortlich waren und das Team der Wii-Version gleichzeitig auch die PS2-Version programmiert hat. Na? Dämmert es? Ja, denn leider wurde hier offenbar auf dieselbe Engine zurückgegriffen. Für den Spieler bedeutet das, dass Spidey auf Nintendos Heimkonsole schlicht und ergreifend ein grafischer Witz ist und bei weitem nicht zeigt, was Wii kann. Im Gegenteil. Zwar stechen die Bosskämpfe auch hier wieder einmal positiv heraus, denn vor allem in diesen Momenten kann sich das Game auch optisch sehen lassen. Abgesehen davon wirken aber nur die Rendervideos noch ganz gut, die Zwischensequenzen in Spielgrafik sind dagegen potthässlich.
Abgesehen davon weist der Titel noch weitere grafische Mängel auf, die sich nicht so einfach entschuldigen lassen. Sobald man ein höheres Gebäude erklimmt, werden die Texturen auf den Gebäuden ausgeblendet. Somit erblickt man irgendwann nur noch graue und weiße Bauklötze anstelle einer Skyline und fragt sich ernsthaft, ob hier vielleicht schon an einem neuen Teil der Lego-Serie gearbeitet wird. Bis auf wenige Ausnahmen wirken die Gebäude zudem alle gleich, so dass kaum von einer Großstadtstimmung die Rede sein kann. Diese kommt ohnehin nicht auf wenn man bedenkt, wie leblos die Straßen New Yorks sind. Entspräche dies der Wirklichkeit, müsste sich wohl niemand mehr dort über einen Verkehrsstau beschwerden. Und auch die Einwohner im Big Apple wirken allesamt wie geklont. Es lassen sich vielleicht 10 verschiedene Personentypen ausmachen, auf die man immer wieder trifft: Der farbige Kerl mit dem Streifenpulli, der Informant im braunen Ledermantel, der Dicke mit dem weißen Shirt, die junge Frau, der Polizist… Es verlangt ja niemand, dass jeder Einwohner individuell gestaltet wird, aber etwas mehr als hier wäre sicher drin gewesen. Hinzu kommt, dass die Animationen der NPCs zudem allesamt sehr sparsam ausgefallen sind und die Typen nur so durch New York stolpern. Kinder und Hunde gibt es gleich gar nicht, ebenso wenig wie Kinderwägen, Verkaufsbuden, etc. – eben alles, was eine Großstadt eigentlich ausmacht.
Dadurch geht ein gewaltiger Teil der Atmosphäre flöten und man fühlt sich, als wäre die Stadt zur einen Hälfte ausgestorben und zur anderen Hälfte von geklonten Zombies besiedelt. Wenn man jetzt noch weiß, dass für die Wii-Version „Vicarious Visions“ verantwortlich ist, die mit „Marvel: Ultimate Alliance“ einen recht ordentlichen Job erledigt haben, ist die Enttäuschung umso größer. Musste das Spiel einfach bis zum Release des Kinofilms fertig werden? Es scheint so, denn Clippingfehler tauchen ebenso auf wie Situationen, wo man schon einmal halb in den Gebäuden steckt oder durch die Wände fällt. Dass die wenigen Effekte allesamt ein schlechter Scherz sind – allen voran die Explosionen beim letzten Aufeinandertreffen mit Sandman – rundet den schlechten Gesamteindruck ab.
Sound und Musik
Auch in diesem Punkt hat man sich leider nicht mit Ruhm bekleckert. Zwar ertönen die Original-Synchronstimmen aus dem Kinofilm, aber das erwarte ich ehrlich gesagt auch von einer derart teuren Lizenz. Ansonsten bleibt es in den Straßen von New York auch was die Soundkulisse betrifft eher ruhig. Keine hupenden Autos, kein Straßenlärm, keine murmelnden Passanten. Nur ab und an bekommt man ein Sprachsample zu hören, diese wiederholen sich allerdings auch schnell und passen teils nicht zur Person. Aus einem Trupp Polizisten erklingt eine Frauenstimme, hat man eine Mission geschafft und ist schon auf dem Weg zur nächsten Aufgabe, wird einem noch eine ellenlange Dankesrede an den Kopf geworfen und dergleichen mehr. Der aus dem Tutorial bekannte Sprecher sowie Spidey selbst wollen dabei mit einem sehr eigenen Humor wohl für etwas Auflockerung sorgen, scheitern aber meines Erachtens nach daran, dass ihre Kommentare schlicht nicht witzig sind. Eine zu rettende Geisel hat es dabei meiner Meinung nach recht gut getroffen: „Wenn ich kotzen muss bist du schuld!“ – Mag hart klingen, aber Spiderman 3 verlangt dafür auch sehr viel vom Spieler ab – leider nur nicht in spielerischer Hinsicht. Eine mit Ausnahme bei der finalen Schlacht stets gleiche Hintergrundmusik gibt es übrigens einzig und allein bei Bossfights zu hören, es wurde also auch hier eher gespart.
Fazit
Es ist schade, dass eine Lizenz wie Spiderman 3 hier derart in den Sand gesetzt wurde. Dank der recht gelungenen Wii-Steuerung hätten sich hier undenkbar viele Möglichkeiten ergeben können, die Fassung auf Nintendos Heimkonsole trotz grafischer Überlegenheit der Konkurrenzsysteme zum Klassenprimus zu machen. Anstatt aber einen Vorzeige-Spinnenmann abzuliefern, bekommt man eine billige Filmumsetzung in schlechter PS2-Optik serviert, die mit vielen repetitiven Missionen vor allem eines verlangt: Viel Geduld. Vor dem Kauf sollte man sich den Titel unbedingt ausleihen und anspielen, immerhin funktioniert das Schwingen mit der Wii-Steuerung ganz gut und schnell durchgezockt ist das Game auch. Ob man nach dem letzten Bosskampf aber noch den Drang verspürt die versteckten Extras freizuschalten, muss wohl jeder für sich entscheiden. Hier dürften einzig und allein beinharte Spiderman-Fans zuschlagen, alle anderen sollten sich nach einem anderen Spiel umschauen.
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