Testbericht: SNK Arcade Classics Vol. 1
Dass man als Retro-Fan auf Nintendos Wii gut aufgehoben ist, sollte schon lange kein Geheimnis mehr sein. Diese Aussage bezieht sich auch nicht auf die ganzen Ports aus der letzten Generation, die unsere kleine weiße Kiste überfluten, sondern in erster Linie auf die „Virtual Console“, die uns schon etliche Klassiker aus längst vergangenen Tagen beschert hat. SNK ist dort mit einigen Titeln des Neo Geo bereits vertreten, geht jetzt allerdings noch einen anderen Weg und bringt die „SNK Arcade Classics Vol. 1“ in die Läden. Wir haben uns für euch auf eine Reise zurück in die 16 Bit-Tage begeben und herausgefunden, wie viel Spaß die Spiele auch heute noch machen.
Klassiker oder nicht?
Retro ist in. Das dachte sich auch SNK Playmore und bringt mit SNK Arcade Classics Vol. 1 eine Compilation auf den Markt, die insgesamt 16 Titel erhält, die zwischen den Jahren 1990 und 1997 auf dem Neo Geo erschienen sind. Die Freak-Konsole war damals bereits ihrer Zeit voraus und brachte noch vor dem SNES und dem Mega Drive effektvoll die 16 Bit-Optik mit großen, bunten Sprites und digitalisierter Sprachausgabe in die wenigen Haushalte, die sich die damals enorm teuren Module leisten konnten. Heute sieht das alles etwas anders aus und zum Budgetpreis kann man sich bereits die komplette Collection ins Haus holen, von der offenbar noch weitere Teile folgen werden. Die SNK Arcade Classics Vol. 1-Sammlung bietet dabei einen recht repräsentativen Überblick über die auf dem Neo Geo erhältlichen Titel und beinhaltet von vielen Games den Auftakt einer oftmals recht bekannten und beliebten Serie. Insgesamt lassen sich die Titel dabei ganz grob gesagt in vier verschiedene Richtungen einteilen: Zu den Sportspielen gehören Baseball Stars 2, das Golfspiel Neo Turf Masters sowie das Fußballgame Super Sidekicks 3. Natürlich sind in allen Genres heutzutage weitaus realistischere und bessere Games erhältlich. Für die damalige Zeit waren alle drei Titel dennoch hervorragend gelungen und vor allem die Super Sidekicks-Reihe konnte sich durch ihr arcadelastiges Gameplay einen guten Namen machen. Dennoch werden sich in erster Linie nur Die Hard-Fans noch heute für diese Titel interessieren.
Das zweite vertretene Genre sind die Sidescroll-Prügler. Vor allem dank dem erfolgreichen Capcom-Automaten Final Fight war dieses Genre zur damaligen Zeit recht beliebt und fand etliche Nachahmer. Einer davon ist Burning Fight auf dieser Compilation, der kooperativ gespielt werden kann und für kurze Zeit eine gewisse Laune macht. Eher in die Kategorie des Arcade-Trash fällt dagegen King of the Monsters, worin man mit einem von sechs Kreaturen japanische Städte zerstören darf, das Vorbild Rampage aber nicht einmal ansatzweise erreicht. Sengoku nennt sich dann der nächste Griff ins Klo und das mit Abstand schwächste Spiel auf der Sammlung. Der 1991 erschienene Titel wirkt wie ein stümperhaftes Werk von Amateuren mit üblen Spriteanimationen sowie quasi null Feinheiten im Gameplay, so dass man damit sicher nur wenige Minuten freiwillig verbringen wird. Wesentlich besser wird es dann schon mit Top Hunter – Roddy & Cathy. Als Kopfgeldjäger tretet ihr hier alleine oder kooperativ gegen die Weltraumpiraten an und müsst eure Gegner verprügeln und kleine Sprungeinlagen meistern. Neu für die damalige Zeit war die Verwendung von zwei verschiedenen Spielebenen, zwischen denen man jederzeit wechseln konnte. Dank einigen Extrawaffen, dem insgesamt gut von der Hand gehendem Gameplay und dem Coop-Modus macht Top Hunter selbst heute noch Spaß. Nur bedingt kann dies leider vom letzten Titel behauptet werden, der ganz grob in die Richtung der Sidescroll-Prügler gehört. Ich spreche von Magician Lord, welches grob gesagt eher ein Action-Jump’n’Run in 2D ist und vom Ansatz her mit Castlevania verglichen werden kann. Dessen Raffinesse im Gameplay wird allerdings nicht erreicht und obwohl es verschiedene Waffen sowie sechs unterschiedliche Gestalten gibt, in die sich euer Held „Elta“ verwandeln kann, nagen das steife Gameplay sowie die ungenaue Kollisionsabfrage gewaltig am Spielspaß.
Spricht man heute von einem Shooter, denkt jeder sofort an einen Ego-Shooter. Damals war dem noch nicht so und folglich sind die hier in das Genre der „Shooter“ fallenden Titel auch etwas anderer Art. Ein 2D-Shooter im klassischen Sinne ist sicherlich Last Resort, welches mit anderen Shoot’em’Ups wie R-Type oder Gradius verglichen werden kann. Die Story – man muss die Menschheit auf ihrer letzten verbleibenden Raumstation vor einem Virus beschützen und Alien in deren Raumschiffen abballern – ist nicht neu, das Gameplay überzeugt dennoch. Pixelgenau steuert ihr euer Schiff und sammelt dabei diverse Extrawaffen ein. Für die damalige Zeit neu war die sammelbare Helfereinheit, die nicht nur ebenfalls Schüsse abgibt, sondern auch aufgeladen und wie ein Projektil abgefeuert werden darf. Hinzu kommt, dass deren Schüsse nach Belieben in verschiedene Richtungen gelenkt werden können, was ein gewisses taktisches Vorgehen ermöglicht und Last Resort zu einem interessanten Genre-Vertreter werden lässt, dessen hoher Schwierigkeitsgrad Anfänger allerdings abschrecken dürfte. Zwei weitere Action-Shooter haben es auf die Compilation geschafft: Zum einen hätten wir mit dem ersten Teil der Metal Slug-Reihe einen Titel, den Spielefans eigentlich bereits kennen sollten. Zum anderen gibt es mit Shock Troopers einen weitaus unbekannteren Shooter, bei dem aus der Vogelperspektive einer von acht Helden durch drei Szenarien gesteuert werden darf und dabei alles an Gegnern aus dem Weg ballern muss, was ihm vor die Wumme kommt. Extrawaffen, ein Ausweichmanöver sowie Sidescroll-Passagen (beispielsweise auf einem Motorrad) und ein Coop-Modus lassen Shock Troopers ebenfalls interessant werden, selbst wenn das Game technisch sogar für Neo Geo-Verhältnisse durchschnittlich ist.
Aller guten Dinge sind zwar drei, doch hat es noch ein viertes Genre auf die SNK Arcade Classic Vol. 1 geschafft: Die guten alten 2D-Beat’em’Ups. Entstand mit Street Fighter II damals ein riesiger Hype um dieses Genre, so war das Neo Geo doch unter vielen Spielefans vor allem als Konsole für just jene Prügelspiele bekannt. Kein Wunder, hatte SNK doch etliche Serien ins Leben gerufen und mit King of Fighters sogar erstmals die heute nicht mehr neue Idee, die Protagonisten aus verschiedenen Serien in einem Spiel zu vereinen. Mit Art of Fighting macht man auf der Compilation den Anfang, wobei der Titel heute nicht nur wegen der mageren Charakterauswahl von gerade einmal zwei verschiedenen Recken altbacken wirkt. Wesentlich besser gefällt dagegen schon Fatal Fury, in welchem die legendären Bogard-Brüder Terry und Andy ihren ersten Auftritt feierten. Ebenfalls Kultstatus erreicht hat Samurai Shodown, welches die Kontrahenten zu Waffen greifen lässt und den Sieg über den Samuraimeister Amakusa Shiro Tokisada zum Ziel hat. World Heroes ist ein eher mittelprächtiger Vertreter des Genres, allerdings muss dieser Titel erst freigespielt werden. Von Anfang an zugreifen darf man dagegen auf King of Fighters‘ 94, den ersten Teil der Spiele übergreifenden Prüglersammlung. Kämpfertrios aus insgesamt acht Nationen treten hier zum ultimativen Turnier an und selbst wenn die Teams im ersten Teil der Serie noch nicht individuell zusammen gestellt werden können, macht das Game vor allem Prügelfans sicherlich auch heute noch viel Spaß.
Der Umfang mit insgesamt 16 Titeln ist also durchaus überzeugend, doch die Programmierer von „Ignition Entertainment“ haben sich noch mehr einfallen lassen. So bieten die SNK Arcade Classics Vol. 1 ein Belohnungssystem, denn bei jedem der Games lassen sich diverse Medaillen freispielen. Diese gibt es in der Regel für das Durchspielen auf verschiedenen Schwierigkeitsstufen, für das Erreichen von Highscores oder andere Aufgaben, zu denen unter anderem der häufige Messereinsatz in Metal Slug oder das Absolvieren eines Levels ohne Lebensverlust in Magician Lord oder Top Hunter gehören. Jede erspielte Medaille schaltet euch wiederum Bonuscontent in der Collection frei. Das fängt bei Artworks und Movelisten aus den Prügelspielen an, geht über Soundtracks und Gameplay-Videos bis hin zum Spiel World Heroes, welches aber zum Glück bereits beim Erreichen der zehnten Medaille insgesamt verfügbar ist. Das System an sich ist klasse und motiviert zum Spielen, doch ist es etwas unverständlich, wie genau das Freispielen der Extras verteilt wurde. Um beispielsweise die Moveliste von Andy Bogard aus Fatal Fury zu erhalten, muss ich unbedingt die Grütze Sengoku spielen. Natürlich soll man so zum Spielen der kompletten Collection angeregt werden, ein etwas fader Beigeschmack bleibt allerdings dennoch. Eine gute Idee ist dagegen das Einrichten der automatischen Speicherpunkte gewesen. Nach jedem „Game Over“ wird von alleine gespeichert und man darf das Spiel an der gespeicherten Stelle später fortsetzen. Gerade weil manche Titel vom Schwierigkeitsgrad her höher angesiedelt sind und man ihnen die Herkunft aus der Spielhalle anmerkt, werden viele Spieler diese Funktion zusammen mit den unbegrenzten Continues sicherlich begrüßen.
Natürlich darf man sich dennoch fragen, wie sinnvoll ein Release einer Klassiker-Compilation von SNK ist, wo man doch bereits etliche Titel über die „Virtual Console“ zum Download zur Verfügung gestellt hat. Wirft man einen Blick auf die Liste der enthaltenen Spiele, so stellt man schnell fest, dass genau ein Dutzend der insgesamt 16 enthaltenen Titel auch für Nintendos Downloadservice zur Verfügung steht. Rechnet man allerdings kurz gegen, dass man alleine für diese Spiele 10.800 Wii Points zahlen müsste, steht für Retro-Fanatiker die Entscheidung schnell fest: Wir greifen zu SNK Arcade Classics Vol. 1! Lediglich wer sich bereits einige der Titel bereits heruntergeladen hat sollte an Hand der anderen Games entscheiden, ob sich ein Kauf der Sammlung noch lohnt.
Retro-Feeling?
Es stellt sich natürlich noch die Frage, wie die Steuerung in SNK Arcade Classics Vol. 1 umgesetzt wurde. Zwar lässt sich der Titel mit Wii-Remote und Nunchuk spielen und auch der Gamecube-Controller wird unterstützt, jedoch ist von beiden Varianten ganz klar abzuraten. Manche Games sind immerhin mit quer gehaltener Wiimote zu spielen, sofern diese nicht viele Tasten erforderlich. Bei der Kombination aus Remote und Nunchuk ist jedoch generell die Tastenbelegung zu bemängeln und der Gamecube-Controller versagt in Sachen Präzision durch das kleine Steuerkreuz. Ein Glück, dass SNK Arcade Classics Vol. 1 den Classic Controller unterstützt, auf dessen Verwendung das Game auch optimiert wurde. Dies geht sogar so weit, dass in der Anleitung bei den Beschreibungen der Spiele sogar die Steuerung nur für den Classic Controller erläutert wird. Mit ihm spielen sich alle Titel übrigens hervorragend präzise, so dass man im Falle eines Kaufs unbedingt einen Classic Controller sein eigen nennen sollte. Vor allem bei Games wie Last Resort oder Metal Slug macht sich die Möglichkeit zum pixelgenauen Steuern positiv bemerkbar, doch auch die Beat’em’Ups profitieren vom traditionellen Button-Layout des Classic Controllers.
Zurück in in die Zukunft?
Technisch haben wir es bei dem Titel mit einer sauber gemachten Umsetzung zu tun. Die Compilation war bereits für die Playstation 2 sowie die PSP erhältlich, hatte hier aber gelegentlich mit einem leichten Ruckeln zu kämpfen. Dies ist auf der Wii nicht der Fall, alle Titel laufen flüssig ab und nur an sehr wenigen Stellen kommt es kurzzeitig mal zu Slowdowns. Ein Großteil der Spiele bietet die für Neo Geo üblichen und teils beeindruckenden Sprites mitsamt gelungenen Animationen. Lediglich Sengoku und in Ansätzen auch Magician Lord sind optische Gurken, wobei vor allem erst genannter Titel mit Leichtigkeit Augenkrebs verursachen könnte, während bei Magician Lord in erster Linie die abgehackten Animationen stören. Sauber umgesetzt, mit einem 480p-Modus ausgestattet sowie angenehm kurzen und kaum bemerkbaren Ladezeiten fährt die Wii-Umsetzung der Klassiker dagegen weitere Punkte ein.
Der Sound ist zu den Spielen passend und dudelt als Midi vor sich hin. Die mitunter etwas kratzigen Sprachsamples verdienen dennoch ein Lob, waren sie zur damaligen Zeit doch alles andere als selbstverständlich. Die arcadelastige Präsentation rückt die Spieleklassiker ins rechte Licht und gibt sich schlicht, aber zweckgemäß.
Fazit
Wer kein Neo Geo besessen hat und einige der SNK-Klassiker nachholen möchte, aber die Titel über die „Virtual Console“ als zu teuer empfindet, bekommt mit SNK Arcade Classics Vol. 1 endlich eine preiswerte Alternative. Unter die 16 Titel hat sich zwar der ein oder andere Flop gemischt, doch stehen dem potenziellen Käufer mit Samurai Shodown, Top Hunter, Metal Slug, Last Resort sowie King of Fighters‘ 94 auch etliche Hits ins Haus. Da ein Großteil der Titel mit einem menschlichen Kollegen gespielt werden kann und man reichlich freischaltbare Extras bietet, stimmt auch die Langzeitmotivation. Retro-Fans werden jedenfalls voll auf ihre Kosten kommen.
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