Testbericht: Rune Factory Frontier
Der Bereich der Rollenspiele sowie Simulationen wurde in den letzten Jahren durch die „Harvest Moon“-Reihe um einen interessanten Ableger erweitert. In mittlerweile zahlreichen Titeln aus den verschiedensten Plattformen durfte man sich nun schon in der Haut eines Bauern daran versuchen den Acker zu bestellen, das Vieh zu hüten und eine Partnerin zu finden. Auch auf Nintendos Wii konnte schon zweimal das Landleben getestet werden. Mit „Rune Factory Frontier“ wird das Spielprinzip nun mit mehr Elementen aus dem RPG-Bereich erweitert, was bereits auf dem Nintendo DS gut geklappt hat. Wir haben für euch zur Hacke und zum Schwert gegriffen und herausgefunden, was der Titel taugt…
Der Held bekommt das Mädchen… gleich zu Spielbeginn?
Wie beginnt ein herkömmliches Rollenspiel? Indem man mit seinem Helden vertraut gemacht wird, ein paar Hintergrundinfos über die Welt bekommt in der er lebt und dann erfährt, dass irgendeine böse Macht den Weltfrieden bedroht. Alternativ dazu gilt es eine Seuche zu heilen oder – der Klassiker – ein entführtes Mädchen aus den Klauen des Bösen zu befreien. Das Grundprinzip der klassischen RPG-Story wurde für Rune Factory Frontier beibehalten. Als junger Held ohne Erinnerung findet ihr euch in einer Kapelle wieder, wo ihr der dort ansässigen Schwester Stella euer Leid klagen könnt. Ihr vermisst neben eurem Gedächtnis auch ein Mädchen, welches ihr einmal gekannt habt. Man könnte nun erwarten, dass gleich noch eine finstere Macht erwähnt wird, die sicherlich etwas mit dem Verschwinden des Mädels zu tun hat. Doch weit gefehlt. Statt euch sofort mit Schwert und Schild zu bewaffnen und aus der Kirche zu stürmen, schaut ihr aber erst einmal verdutzt drein: Denn mit einem Mal steht das vermisste Mädchen in der Tür und erklärt die Gründe für ihre längere Abwesenheit. Da gerade ein Haus in ihrem Dorf Trampoli leer steht, lädt sich euch gleich ein dort einzuziehen und das Leben eines Bauern zu führen. Anstelle einer Monsterjagd durch finstere Verließe wird euch also der Ackerbau in Aussicht gestellt.
Dass dieser durchaus seine Reize haben kann, wissen Fans der Harvest Moon-Reihe schon lange. Diese werden sich in Rune Factory Frontier auch schnell heimisch fühlen. Allen anderen dagegen wird der Einstieg in das Game allerdings nicht gerade leicht gemacht. Ihr bekommt zu Spielbeginn eine Billighacke, eine Billigkanne sowie etwas Rübensaat geschenkt. Dann steht ihr am ersten Tag vor eurem mit Unkraut und allerlei Unrat versehenem Acker und seid auf euch alleine gestellt. Mühsam müssen sich die benötigten Infos selbst zusammengesucht werden. Das Gespräch mit anderen Einwohnern von Trampoli ist dabei genauso wichtig wie das Studieren der Bücher. Schon wird klar, dass es das Unkraut zu rupfen und danach mit der Billighacke den Acker zu bearbeiten gilt. Ist dies geschafft, wird die Rübensaat ausgesät und danach mit der Billigkanne bewässert. Holzreste und Steine in verschiedenen Größen blockieren dabei noch etliche Teile eures Ackers, so dass dieser nur bis zu einem gewissen Grad verwendet werden kann. In der Zwischenzeit erfahren wir, dass jeden Tag eine Briefträgerin eure Post bringt und in der großen Versandkiste neben eurem Feld Waren abgelegt werden dürfen, die von der blonden Rosetta auf den Markt für euch verkauft werden. Auf diese Art und Weise lassen sich nicht nur gezüchtete Rüben an den Mann bringen, sondern ihr könnt sogar das auf dem Feld gerupfte Unkraut verschachern. Ein Auge auf den Geldbeutel zu haben ist übrigens sehr wichtig, denn wer sich keine neue Saat mehr kaufen kann, schaut dumm aus der Wäsche.
Damit es soweit gar nicht erst kommt, gilt es die Feinheiten des Ackerbaus zu erlernen. Wichtig ist es generell dabei den Tagesverlauf im Auge zu behalten. Euer Tag beginnt jeden Morgen um 6 Uhr, ihr seid also immer schon recht früh auf den Beinen. Zu beachten ist auch, dass eine Woche in Rune Factory Frontier nur sechs Tage hat: Fünf Wochentage von Montag bis Freitag sowie einen Feiertag, der für die Ladenbesitzer als arbeitsfreies Wochenende gilt. Nach 30 Tagen wechselt die Jahreszeit, was für den Anbau der verschiedenen Sorten an Gemüse, Obst und Blumen wichtig ist. Genügsame Pflanzen wachsen dabei binnen wenigen Tagen und verzeihen euch auch den einen oder anderen Tag ohne Bewässerung, andere dagegen wollen täglich gegossen werden und brauchen mehr Pflege. Doch der gelegentliche Regen in Trampoli nimmt euch zum Glück einen Teil eurer Arbeit ab. Ein Tag ohne Wasser lässt die Pflanzen zudem nicht sofort verdorren, sondern verlängert nur die Zeit, bis die Ernte eingefahren werden kann. In eurem persönlichen Kalender in eurer Hütte sind übrigens wichtige Festivitäten im Ort notiert, an denen ihr teilhaben könnt. Doch zurück zum Leben als Bauer: Durch verschiedene Aktionen wie Pflügen, Gießen, etc. steigt euer Level in Sachen Ackerbau, was euch später weitere Aktionen einbringt, die euch das Arbeiten erleichtern. Anstatt jedes Stück Acker einzeln zu bewässern, lernt ihr nach kurzer Zeit schon eine Art „Special Move“, mit dem immer drei Felder gleichzeitig gegossen werden können. Zudem kosten die Aktionen euch weniger der kostbaren Runenpunkte, die ihr stets im Auge halten solltet.
Runenpunkte? Ja, denn Rune Factory Frontier konfrontiert den Spieler mit zwei immens wichtigen Leisten: Die Energieleiste sowie die Leiste der Runenpunkte. Beide sind zu Tagesbeginn durch den erholsamen Schlaf der letzten Nacht immer komplett gefüllt. Allerdings verbrauchen eure Tätigkeiten auf dem Feld auch Energie, die euch in Form der Runenpunkte abgezogen wird. Ist diese Leiste leer, wirken sich weitere Anstrengungen direkt auf eure Energieleiste aus. Hat auch diese den Nullpunkt erreicht, kollabiert ihr und wacht einige Tage später betreut von einer Krankenschwester in der Kirche wieder auf. Soweit solltet ihr es aber gar nicht erst kommen lassen. Zu Beginn des Spiels habt ihr nur die Möglichkeit euch schlafen zu legen, sobald sich eure Runenpunkte dem Ende nähern. Mit dem nötigen Kleingeld lassen sich später jedoch entsprechende Nahrungsmittel kaufen, die eure Runenpunkte wieder auffüllen. Dabei ist ebenfalls zu beachten, dass die Geschäfte in Trampoli natürlich nur zu den normalen Ladenöffnungszeiten zwischen 9 und 18 Uhr betreten werden können. Kommt ihr zu einer anderen Zeit, steht ihr vor verschlossenen Türen. Andere Lokalitäten besitzen dagegen andere Öffnungszeiten. Während die Therme täglich ab 15 Uhr benutzt werden kann, werdet ihr in der Taverne dagegen vor 20 Uhr kaum Einwohner antreffen. Auch die anderen Bewohner besitzen einen mehr oder weniger individuellen Tagesablauf, der euer Spielgeschehen teils mehr, teils weniger beeinflusst. Dass ihr eure Briefträgerin nur am frühen Morgen antreffen könnt, ist zum Beispiel nachvollziehbar. Die Dialoge mit den verschiedenen Charakteren sollten sich dabei nicht nur auf den üblichen Einkauf oder das Abholen der Post beschränken.
Oftmals ist es eher der allgemeine Plausch, der euch im Spiel weiter bringt. Im sehr umfangreichen Menü könnt ihr nämlich schon zu Spielbeginn ersehen, dass ihr für euer Wohnhaus später einmal eine Küche oder auch eine Schmiede erwerben könnt. Wann und wie das allerdings bewerkstelligt wird, erfahrt ihr nur, indem ihr euch mit den verschiedensten Bewohnern unterhaltet. Ob ihr nämlich wirklich als Ackerbauer euren Lebensunterhalt verdient oder später die Profession wechselt, ist euch gänzlich selbst überlassen. Genauso gut könnt ihr auch als Koch, Schmied oder Magier euer täglich Brot verdienen. Allerdings müsst ihr dafür viel selbst erforschen und herausfinden. Die genauen Anleitungen wie Koch- und Zauberbücher dazu findet man zwar, nur wollen diese erst einmal entdeckt werden. Und selbst dann werden immer noch die entsprechenden Materialien benötigt. Nur wenige davon lassen sich direkt im örtlichen Shop käuflich erwerben. Von daher bleibt dem Spieler früher oder später ohnehin nichts anderes übrig, als sich mit einem Schwert zu rüsten und sich auf die Monsterjagd zu begeben. Jetzt wird es so richtig interessant, denn nun kommt Action in die Bude. Bereits zu Beginn hatte man ja von den Dorfbewohnern erfahren, dass eine mysteriöse Wal-Insel am Himmel schwebt, auf der es Monster geben soll. Wie ihr dorthin gelangt, müsst ihr allerdings selbst herausfinden. Dort angekommen, werdet ihr von der „Seele“ der Insel angesprochen, die euch um Hilfe bittet. Die Monster dort entziehen der Wal-Insel ihre Runenkraft – das sollte natürlich verhindert werden.
In den Dungeons trefft ihr dann auf allerlei Getier, wie man es aus Rollenspielen so kennt. Einem Dungeoncrawler gleich drescht ihr mit wenigen Schwerthieben auf die Kreaturen ein und stoppt deren Auftauchen erst dann, wenn ihr die dazugehörigen Monstergeneratoren beseitigt habt. Praktisch ist, dass sich mit jedem Level Up eure Energie- sowie Runenleiste wieder komplett auffüllt. Andernfalls werden durch die Kämpfe eure Runenpunkte bald aufgebraucht sein. Wer sich vor einem Ausflug in einen Dungeon also nicht mit ausreichend regenerativen Früchten ausstattet, ist bald handlungsunfähig und muss seine Monsterjagd frühzeitig beenden. Das Kampfsystem in Echtzeit kommt zwar ohne Combos aus und ist auch sonst eher rudimentär gehalten, sorgt aber für Abwechslung im Game und macht durchaus Laune. Verschiedene Ausrüstungsgegenstände sowie der Einsatz von Magie später im Spielverlauf peppen das RPG-Element zusammen mit den üblichen Items, Heiltränken, etc. ebenfalls auf. Mit reinrassigen RPGs kann Rune Factory Frontier zwar nicht mithalten, das will es aber auch gar nicht. Immerhin seid ihr im Grunde genommen ein einfacher Junge, der den Kampf nicht zur Profession hat und sich hin und wieder auch noch um seine Felder kümmern muss, möchte er diese nicht komplett verkommen lassen. Zusammen mit den reichhaltigen Aktionsmöglichkeiten im Dorf, wo auch die Beziehungen zu den anderen – vor allem den weiblichen – Einwohnern eine Rolle spielen und man die vier Arten magischer Runeys, einer Art Geisterwesen, dazu nutzen kann, um das Wachstum auf den Feldern zu beeinflussen, hat man als Spieler reichlich zu tun. Und habe ich schon erwähnt, dass man ganz Pokémon-like Monster auch fangen und in der eigenen Scheune zähmen kann, sie dann aber auch füttern und pflegen sollte? Nicht? Ihr seht also, wie riesig der Umfang des Games ist. Ihr solltet nur genug Zeit und Geduld mitbringen, denn in Rune Factory Frontier brauchen viele Dinge ein wenig länger, als man es von anderen Spielen gewohnt ist. Die anspruchsvolleren Früchte wollen etliche Tage lang bewässert werden, eine vorantreibende Story gibt es kaum und auch in den Dungeons kann sich nicht sofort bis in die unteren Ebenen gekämpft werden. Dafür erlebt man ein Spiel mit unglaublich vielen Handlungsmöglichkeiten, das dem Spieler etliche Freiheiten lässt.
Mit Gießkanne und Schwert…
Obwohl die Aktionsmöglichkeiten in Rune Factory Frontier sehr reichhaltig sind, wurde versucht die Steuerung auf die notwendigsten Aktionen zu reduzieren. Bei der Kombination von Wiimote und Nunchuk kommen dabei einige Gesten zum Einsatz, so dass der Spieler im wahrsten Sinne des Wortes mit Körpereinsatz die Harke oder das Schwert schwingt und die Gießkanne betätigt. Eine kurze Bewegung reicht hier zwar aus, dennoch kann es gerade bei sich oftmals wiederholenden Tätigkeiten ermüdend sein, ständig die Wiimote schwingen zu müssen. Mit dem A-Button werden Aktionen ausgewählt, mit dem B-Button wieder storniert. Dies wurde so auch für die Steuerungsvariante mit dem Classic Controller übernommen, bei der zudem die Gesten für gewisse Aktionen durch einen Knopfdruck ersetzt wurden. Durchs Menü blättert man sich mit den Minus- und Plustasten, während die Waffen, Items, etc. über ein Ringmenü verwaltet werden. An sich klingt das logisch, praktisch und sehr komfortabel. Dummerweise sieht die Praxis jedoch anders aus. Waffen, etc. müssen jedes Mal neu ausgerüstet werden, bevor sie eingesetzt werden können. Lediglich vier Items lassen sich auf die Richtungen des Steuerkreuzes legen, um diese schneller einsetzen zu können. Man gewöhnt sich zwar daran, dennoch hätte die Steuerung in diesem Punkt wesentlich zugänglicher realisieren lassen. Als weiterer Kritikpunkt soll die Kollisionsabfrage erwähnt werden, da man immer an störenden Felsbrocken hängen bleibt. Wirkliche spielerische Nachteile ergeben sich dadurch zwar nicht, es ist für den Spieler allerdings ziemlich nervig.
In einer Fantasywelt
Technisch präsentiert sich das Game durchweg auf einem gehobenen Wii-Niveau. Die Landschaften sind schön gestaltet und weisen viele Details wie Büsche, Blumen und Sträucher am Wegesrand auf. Dasselbe gilt für die Häuser der Bewohner sowie das Interieur. Alle Charaktere sind gut ausgearbeitet und detailreich modelliert worden. In sich macht das Game einfach einen stimmigen Gesamteindruck. Aufgelockert wird es durch viele Dialogfenster sowie einige kurze Videosequenzen im Anime Stil. Optisch verbessern können hätte man lediglich noch die teils etwas karg wirkenden Dungeons sowie die Animationen der Charaktere, die mitunter leicht abgehackt wirken. Technisch präsentiert sich das Game dagegen sauber und läuft flüssig. Lediglich die Ladezeiten beim Betreten der Häuser hätten gerade wenn man ohnehin im Dorf ist und oftmals bei den Bewohnern ein und aus geht einen Hauch kürzer ausfallen dürfen.
Der stimmige Soundtrack in Rune Factory Frontier hält sich dagegen eher im Hintergrund. Die leisen und leichten Melodien untermalen das Geschehen eher dezent, als sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Es passt somit alles zu der eher ruhigen Atmosphäre in den Simulationsabschnitten. In den Dungeons dagegen nimmt die Hintergrundmusik leicht an Fahrt auf, setzt aber dennoch keine wirklichen Akzente. Die Soundeffekte dagegen wissen richtig zu gefallen. Sie ertönen in aller Regel aus dem Lautsprecher der Wiimote, was den Spieler noch ein wenig mehr ins Geschehen hinein versetzt.
Fazit
Mit Rune Factory Frontier erhalten alle Fans von Simulationen wie Harvest Moon nicht nur neues Futter, sondern bekommen durch den RPG-Anteil sogar komplett neue Gameplay-Elemente spendiert. Einsteiger sollten sich jedoch bewusst machen, dass sich das Game eher träge spielt und nicht binnen wenigen Stunden riesige Erfolge verbucht werden. Stattdessen kann man in unzähligen Stunden die vielen Feinheiten des Titels ergründen und sich wirklich lange damit beschäftigen. Der technisch insgesamt saubere Gesamteindruck unterstreicht die Tatsache, dass man mit Rune Factory Frontier einen der umfangreichsten und für Fans des Genres interessantesten Titel auf Nintendos weißer Kiste erhält.
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