Testbericht: Punch-Out!!
Oft wurde schon gemeckert, dass Nintendo sich aktuell nur noch auf die Erweiterung des Videospielmarktes mit dem Erreichen der so genannten Casualgamer konzentrieren würde, dabei aber seine alte Fanbasis komplett aus den Augen lässt. Wie der sprichwörtliche Schlag ins Gesicht aller Kritiker wurde nun allerdings mit „Punch-Out!!“ ein Nintendo-Game in den Ring geschickt, welches klassischer nicht sein könnte. Wir sind für euch ebenfalls in den Ring gestiegen, gerade mal noch so mit einem blauen Auge davon gekommen und wollen euch nun davon berichten…
Little Mac is back!
Geschlagene 15 Jahre ist es nun her, dass das Franchise seinen letzten Auftritt auf einer Nintendo Konsole erlebte. Nach dem Original auf dem NES aus dem Jahre 1987 war es die Inkarnation Super Punch Out, die 1994 das SNES heim suchte. Seitdem hat sich in der Welt der Videospiele viel geändert. Die klassischen Arcade-Games der 80er erleben zwar aktuell ein Revival, sind aber jahrelang so gut wie tot gewesen. Stattdessen wird immer mehr Wert auf eine fulminante Präsentation sowie einen Onlinemodus gelegt. Stetig scheint der Kampf zwischen leicht zugänglichen Causualgames für die breite Masse und komplexen, in erster Linie durch ihre Optik überzeugenden Actiontiteln für alt eingesessene Hardcorezocker zu währen. Ist in so einem Markt überhaupt noch Platz für einen Titel wie Punch-Out!!?
Die Antwort ist einfach: Ja – und Nintendo hat gut daran getan, diesen Titel zu veröffentlichen. Punch-Out!! richtet sich dabei in erster Linie an die Kenner des Originals und hat dennoch das Potenzial auch neue Spieler für die Serie zu begeistern. Man sollte allerdings nicht den Fehler machen und mit Punch-Out!! ein Boxspiel im klassischen Sinne erwarten welches mit dem Boxen aus Wii Sports vergleichbar wäre. Das war Punch-Out!! nie und das will es auch nicht sein. Vielmehr hat das Gameplay des Titels mit Taktik, schnellen Reaktionen und einer gewissen Rhythmik zu tun. Aber fangen wir doch einfach mal von vorne an…
Nach 15 Jahren kehrt euer virtuelles Konterfei „Little Mac“ nun also in den Ring zurück. Schwer wiegen immer noch die Erinnerung an die vergangenen Kämpfe und er will nicht nur sich selbst, sondern auch der ganzen Welt beweisen, dass er immer noch der Champion in der WVBA (World Video Boxing Association) werden kann. Mit Doc Louis steht ihm dabei sein Trainer aus alten Tagen zur Seite, der ihn wieder in Form bringen möchte. Die ersten Kämpfe werden dabei im „Minor Circuit“ ausgetragen und sollten relativ leicht zu gewinnen sein. Kein Wunder, tritt man dabei auch gegen Kontrahenten wie „Glass Joe“ an, dessen empfindliche Kauleiste bereits nach ein paar ordentlichen Treffern die Segel streicht. Das Spielprinzip von Punch-Out!! ist dabei ebenso simpel gehalten wie im Original. Ihr könnt gerade Jabs verteilen oder seitliche Haken auf den Körper eures Gegners loslassen. Ankommenden Attacken weicht ihr entweder seitlich aus oder duckt euch ab. Das Blocken kann zwar einfache Schläge abwehren, gegen starke Attacken richtet euer Block dagegen nicht viel aus und ihr geht schneller zu Boden als euch lieb sein kann. Wer seinen Opponenten in ungeschützten, besonders verwundbaren Momenten trifft kassiert dadurch Sterne. Bis zu drei Stück davon lassen sich sammeln, gehen aber bei einem feindlichen Treffer sofort flöten. Wer seine Sterne behält und diese im richtigen Moment mit einem Sternenhieb einsetzt, schickt seinen Gegner leicht auf die Bretter. Im Auge behalten werden sollte allerdings auch die Ausdaueranzeige, die bei verpassten Schlägen oder eingesteckten Treffern in den Keller geht. Erreicht sie ihren Nullwert ist Little Mac erschöpft und ihr müsst ein geschicktes Ausweichmanöver schaffen um dadurch neue Ausdauer zu bekommen.
Die allgemeinen Regeln im Kampf sind ebenfalls schnell erklärt. Eine Runde geht über genau drei Minuten, wobei maximal drei Runden gekämpft werden. Wenn einer der beiden Kontrahenten innerhalb von einer Runde drei Mal zu Boden geht, gilt dies als technisches KO und er hat sofort verloren. Wer generell zu viele Treffer einsteckt kann ebenfalls KO zu Boden gehen und sich nicht mehr davon erholen. Geht ihr selbst zu Boden, könnt ihr euch durch schnelles Buttondrücken wieder aufrappeln. Habt ihr euren Gegner auf die Matte geschickt, könnt ihr einen Teil eurer verlorenen Energie wieder erlangen. Zwischen den Runden gibt euch euer Coach nützliche Tipps für den aktuellen Kampf oder lässt einen seiner witzigen Sprüche vom Stapel. Sollten nach drei Runden beide Boxer noch stehen entscheidet der Ringrichter über einen Sieg nach Punkten. Das Gameplay an sich präsentiert sich dabei vom Prinzip her so klassisch wie beim Original, denn auf sinnlose Extras wie Superschläge und dergleichen mehr wurde zum Glück verzichtet. Kenner der NES-Version fühlen sich also sofort heimisch, doch auch Neueinsteiger kommen mit der einfach zu erlernenden Steuerung schnell zurecht.
Wer nun allerdings der Meinung ist Punch-Out!! wäre durch die simpel gehaltene Steuerung auch ein simples Spiel hat sich gewaltig getäuscht. Die ersten Gegner werden in der Tat noch relativ leicht zu Boden geschickt. Doch spätestens nach der Hälfte der insgesamt 13 offiziellen Gegner packen diese immer fiesere Tricks und Kombinationen aus der Mottenkiste und heizen euch damit kräftig ein. Hier gilt es die Angriffsfolgen eurer Kontrahenten genau zu studieren um im richtigen Moment ausweichen und dann selbst einige Treffer landen zu können. Spieler mit dem „Hau drauf“-Prinzip sehen hier definitiv kein Land. Vielmehr müssen schnelle Reaktionen bewiesen und der Gegner genau beobachtet werden um am Ende siegreich zu sein. Roundhouse-Schläge wollen dabei genauso gemieden werden wie tödliche Uppercuts und Faustschläge, die normalerweise kein Gras mehr wachsen lassen. Da eure Gegner im Ring vor jeder Attacke kurzzeitig rot blinken, kann man sich auf die Angriffe vorbereiten oder diesen Bruchteil einer Sekunde für einen schnellen Konter nutzen. Ohne Timing und ein exakt geplantes Vorgehen ist der Fight allerdings schnell verloren.
Die nahezu perfekte Spielbarkeit lässt Punch-Out!! dabei zu keinem Zeitpunkt unfair werden. Auch wenn man bei den späteren Gegenspielern manchmal vor Frust in den Controller beißen möchte ist es niemals das Spiel selbst, welches unfair wird. Vielmehr ist es der Ärger über seine eigenen Fehler, da man schon wieder in die falsche Richtung ausgewichen ist oder sich erneut von einer Finte seitens „Mr. Sandman“ hat täuschen lassen. Dies kommt der hohen Motivation des Titels zu gute, denn auch wenn im späteren Verlauf viele Niederlagen eingesteckt werden müssen, so möchte man dennoch gemäß dem Motto „beim nächsten Mal zeig ich’s dir!“ immer weiter spielen. Hat man sich durch den ersten Circuit gearbeitet geht es erst im „Major“ und später im „World Circuit“ weiter. Wer allerdings denkt, dass er nach dem Gewinn der drei Gürtel und dem finalen Sieg über Mr. Sandman ausgesorgt hat ist definitiv schief gewickelt und hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Hälfte des Spiels hinter sich. Im „Champion Modus“ gilt es nun nämlich seinen Titel gegen alle Herausforderer noch einmal zu verteidigen. Diese sind nach eurem Titelgewinn nicht nur sauer, sondern haben sich auch allesamt neue Angriffstaktiken einfallen lassen und gehen härter zu Werke als im ersten Durchgang. Und wer weiß – vielleicht wartet ja sogar noch ein versteckter Kämpfer darauf entdeckt zu werden?
Damit man nicht allzu chancenlos gegen die späteren Gegner da steht, hat sich Next Level Games neben dem Karriere- auch noch einen Schaukampf-Modus einfallen lassen. Hier lassen euch die Mario Strikers Charged Football-Entwickler gegen Hologramme der einzelnen Boxer antreten, um so deren Verhalten studieren zu können. Da ihr im Kampf gegen das virtuelle Abbild keinerlei Kraft verliert und auch nicht erschöpft werdet, eignet sich dies gut als Vorbereitung auf die Auseinandersetzung im Karriere-Modus. Sobald ihr eure Gegner in der Karriere besiegt habt, steht euch im Schaukampf noch eine weitere Option zur Verfügung. Nun könnt ihr normale Matches gegen eure Kontrahenten bestreiten, wobei es für jedes Match drei besondere Herausforderungen zu erlangen gilt. Schickt „Glass Joe“ mit fünf Schlägen auf die Bretter, schlagt „King Hippo“ die Krone vom Kopf oder verhindert es, dass „Soda Popinski“ während des Kampfes von seiner Flasche trinkt. Gewöhnlichere Aufgaben wie der Sieg mit einem KO binnen einer Minute, ein Sieg ohne einen einzigen Schlag in die Deckung eures Gegners segeln zu lassen oder das Finden von bestimmten Schwachpunkten der Gegner, die euch Sterne verschaffen, sind ebenfalls mit von der Partie. Der Schwierigkeitsgrad dieser Herausforderungen reicht von „machbar“ über „schwer“ bis hin zu „verdammt nochmal wie ist das nur zu schaffen?“ und sollte selbst Profis eine gehörige Weile beschäftigen. Sind die drei Herausforderungen für jeden Boxer erledigt, werden dadurch weitere Extras wie dessen Audiobibliothek frei. Da eure Gegenspieler ebenfalls auch in ihrer zweiten Reinkarnation des „Champion-Modus“ vorhanden sind, ist der Umfang mehr als ordentlich.
Erstmals darf übrigens auch zu zweit vor einer Konsole zum heimischen Boxkampf angetreten werden, was sich Fans der Serie schon seit Jahren gewünscht haben. Der Mehrspielermodus ist dabei zwar recht rudimentär gehalten, wurde aber zum Stil der Reihe passend umgesetzt. Beide Spieler schlüpfen in die Haut von „Litte Mac“ und beharken sich im vertikal geteilten Splitscreen mit den wenigen Standardmoves. Erfolgreiche Treffer füllen dabei eine Anzeige die euch in den überzeichneten „Giga Mac“ verwandelt. Sofort schaltet die Perspektive um in den Vollbildschirm und während der soeben verwandelte Kampfkoloss starke Attacken ausführen kann, darf sein mickriger Gegenspieler diesen ausweichen und kontern. Als nette Dreingabe ist der Mehrspielermodus für zwischendurch recht gelungen, eine dauerhafte Motivation ihn zu spielen wird man nicht zuletzt auf Grund des fehlenden Onlinemodus aber nicht verspüren.
Das ist Boxen und kein Tanten-Kaffee!
Diesen Spruch des Berliner Boxers „Von Kaiser“ sollten sich alle hinter die Ohren schreiben die zur Wiimote greifen. Für die Steuerung haben sich die Entwickler insgesamt drei Varianten einfallen lassen, die allesamt ihre Vor- und Nachteile haben. Ausgelegt ist Punch-Out!! dabei auf die Methode mit Wiimote und Nunchuk. Bewegungen der beiden Steuereinheiten lösen die rechten und linken Schläge aus, durch Drücken des B-, bzw. Z-Buttons werden hohe Jabs daraus. Der A-Knopf ist für den Sternenschlag zuständig und mit dem Controlstick des Nunchuk wird ausgewichen, geduckt und geblockt. Die zweite Methode funktioniert ähnlich, bringt allerdings noch das Balance Board ins Spiel. Auf dem Board stehend sorgt ihr nun mit dem Verlagern des Gewichts zur Seite für ein entsprechendes Ausweichmanöver, bzw. duckt euch ab, indem ihr auch auf dem Board kurz in die Knie geht. Vom Prinzip her funktionieren diese beiden Varianten gut und selbst wenn Punch-Out!! wie vorher bereits erwähnt kein reinrassiges Boxspiel ist, so kommt es dem mit dieser Steuerungsmethode definitiv am nächsten. Die ersten Gegner lassen sich so auch noch relativ einfach besiegen. Aber in den späteren Runden wird es so recht schwer werden. Nicht nur ist das Spielen auf diese Art und Weise ziemlich anstrengend, teils ist auch einfach keine so schnelle Reaktion möglich, wie es notwendig wäre. Das sehr sensibel reagierende Balance Board erfordert zudem eine exakte Bewegung, möchte man nicht gleich zweimal hintereinander ausweichen.
Für alle Puristen wurde deswegen auch die traditionelle Steuerungsmöglichkeit im NES-Stil integriert, bei welchem die Wiimote einfach quer gehalten wird. Die Buttons 1 und 2 lösen dabei die Schläge aus, das digitale Steuerkreuz lässt diese zu Jabs werden und lässt euch ausweichen, ducken sowie blocken. Der A-Knopf aktiviert hier ebenfalls euren Sternenschlag. Mehr braucht es nicht um Punch-Out!! zu spielen und wenngleich die Einbindung von Wiimote und Nunchuk gelungen ist, ist meiner Meinung nach die NES-Methode klar vorzuziehen. Sie reagiert perfekt und ist vor allem bei den späteren Kämpfen unverzichtbar wenn ein präzises Timing von Nöten ist. Einziger Patzer im Design: Selbst mit der NES-Methode muss in den Menüs mit dem Pointer navigiert werden, was zwar an sich sauber funktioniert, sich jedoch als recht umständlich erweist. Warum hier keine Navigation über die Buttons wie in nahezu jedem anderen Spiel integriert wurde wissen wohl nur die Entwickler selbst. Selbiges gilt auch für das Fehlen einer Classic Controller-Unterstützung, was aber zu verkraften ist.
Ein Klassiker im neuen Gewand?
Als Wii-Besitzer hat man sich ja schon an den Spruch gewöhnt, dass das Gameplay wichtiger als die Grafik ist. Prinzipiell ist das korrekt, allerdings schließen sich eine saubere Spielbarkeit und eine ansprechende Optik nicht unbedingt aus – so wie im Falle von Punch-Out!!. Der auf der letztjährigen Herbstmesse von Nintendo angekündigte Arcade-Prügler besticht vor allem durch seine Liebe zum Detail. Alle Boxer sind überzeichnete Stereotypen im Comic-Look und karikieren liebevoll die Eigenheiten ihrer Heimat. Das geht vom irischen Raufbold über den Fisch verliebten, kanadischen Holzfäller bis hin zum auf einem Teppich in den Ring schwebenden Inder. Dass mit dem „Disco Kid“ nur ein einziger Neuling dabei ist und alle anderen Fighter aus den ersten beiden Teilen erneut ihren Auftritt haben freut den Fan der ersten Stunde und stört den Neueinsteiger nicht im geringsten. Next Level Games glänzt hierbei vor allem mit den absolut flüssigen und gelungenen Animationen, die den an sich ebenfalls sehr schick modellierten und sehr bunt und kontrastreich gestalteten Polygonmodellen Leben einhauchen. Zwischen den Boxrunden sorgen lustige Zwischensequenzen für Abwechslung und sobald ein Circuit bewältigt ist, dürft ihr euer Alter Ego und dessen Trainer zusammen ebenfalls in einer tollen Videosequenz beim weiteren Training zusehen. Dass die Abwechslung bei den Boxarenen selbst aus bleibt ist dabei ebenso zu verschmerzen wie die Tatsache, dass die Menüs selbst etwas uninspiriert wirken. Die Ladezeiten halten sich jedenfalls in Grenzen, und auch die Unterstützung des 60 Hz- sowie des 480p-Modus sind lobenswert.
Beim Sound hat man sich ebenfalls viel Mühe gegeben und beweist enorme Liebe zum Detail. Kenner des Originals bekommen bereits bei den ersten Klängen der neu aufgelegten Titelmelodie eine Gänsehaut. Doch auch Neueinsteigern gehen die größtenteils rockigen Klänge gut in die Gehörgänge und untermalen das Geschehen passend. Die Schlaggeräusche sind satt und kräftig, während es als Hommage an das Original noch den ein oder anderen dudelnden und piepsenden Sound gibt sobald sich ein Kontrahent auf die Matte legt. Speziell erwähnt werden muss auch die Sprachausgabe des Titels. So wurden jedem der 13 Recken etliche Sprachsamples in dessen Muttersprache spendiert. Während wir hier zu Lande mit den indischen und russischen Aussprüchen der jeweiligen Boxer nichts anfangen können, verstehen dafür andere Nationen wohl kaum, was der aus Berlin stammende und dennoch mit einem leichten Akzent behaftete „Von Kaiser“ so von sich gibt.
Fazit
Nintendo belebt ein altes Franchise mit Erfolg. Punch-Out!! ist in seiner dritten Inkarnation herrlich Old-School was das nahezu perfekte Gameplay betrifft und besticht mit einer Technik, die der aktuellen Konsolengeneration gerecht wird. Der umfangreiche Karrieremodus sowie die teils knackig schweren Herausforderungen fesseln selbst alte Hasen stundenlang vor die Konsole, während sich Neueinsteiger zwar mit dem fordernden Schwierigkeitsgrad schwer tun, dafür aber die gelungene Einbindung von Wiimote, Nunchuk und Balance Board genießen dürfen. Und jetzt bitte alle: Zuschlagen!
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