Testbericht: Prince of Persia: Die vergessene Zeit
Lange vor Lara Croft oder den meuchelmordenden Assassinen, war es ein Prinz, der in nie gekannter Grazie durch den virtuellen Orient turnte. Der namenlose Thronfolger erfuhr im Laufe seines Lebens zahlreiche Fortsetzungen, darunter die brillante „Sands of Time“ -Trilogie. Deren kürzliche Verfilmung ist für Ubisoft Grund genug, der eigentlich längst abgeschlossenen Reihe noch einen weiteren Ableger zu spendieren. Wenn das mal gut geht…
Sand in der Pluderhose
Alles fing ganz harmlos an. Der Prinz beteiligte sich an einem Feldzug seines Vaters gegen ein benachbartes Königreich, um Ruhm und Ehre zu sammeln. Letztendlich sammelte er in den Katakomben allerdings einen magischen Dolch ein, mit dem sich allerlei Schabernack anstellen ließ. So wurde unter anderem der Sand der Zeit befreit, der dem Prinzen drei Spiele lang gehörigen Ärger einbrockte, bevor endlich das antike Persien gerettet, der Obermotz verhauen und die Prinzessin samt diesmal intaktem Denkapparat befreit wurde. Ihr erinnert euch? Großartig, dann habt ich die Trilogie seinerzeit hoffentlich genossen. Oder aber Ihr habt keinen Schimmer, wovon hier gerade gesprochen wurde? Auch nicht schlimm, denn Ubisofts neuestes Prince of Persia ist – zumindest von der Namensgebung her – ein Marketinggag. Auch wenn der Prinz derselbe sein soll und sich selbst auch gehörig ähnlich sieht, so hat das Spiel inhaltlich doch praktisch nichts mit den Spielen von 2003 – 2005 gemein. Nicht einmal der namensgebende Sand ist als Spielelement vorhanden, wobei Ubisoft gut daran getan hat, den englischen Originaltitel Forgotten Sands hierzulande in Die vergessene Zeit einzudeutschen. Denn es geht um die sieben Jahre zwischen dem ersten und zweiten Teil und die Frage, was der Prinz in dieser Zeit getan hat. Und Sand kommt ja ohnehin nicht vor. Lediglich als Bodenbelag.
Ein Prinz wird erwachsen
Eigentlich wissen Kenner bereits, dass der Prinz in diesen sieben Jahren auf der Flucht vor dem Dahaka war – jenem Wächter der Zeit, der durch das ständige Herumspielen am Lauf der Dinge nach The Sands of Time auf den Plan gerufen wurde. Den Autoren von Ubisoft ist das aber egal, in Die vergessene Zeit begibt sich der Prinz zusammen mit einem kleinen Dschinn auf die Suche nach Selbstverwirklichung und seinem eigenen Königreich. Das findet er auch in den Ruinen von Izdihar, einem einst blühenden Imperium, das nun von der Haoma, einer zerstörerischen Pflanzenpest überwuchert ist. Nun liegt es am Prinzen, aus den Ruinen wieder ein Reich zu formen und die Haoma zu vernichten. Was den Prinzen letztlich dazu veranlasst, all dies zu tun, und warum er dem sonderbaren Dschinn Zahra überhaupt folgt, wird erstmal im Dunkeln gelassen. Stattdessen beginnt das Spiel mit der als Tutorial angelegten Flucht aus einem einstürzenden Palast, in der der Prinz die grundlegende Akrobatik erlernt. Diese fühlt sich zu weiten Teilen auch nach einem waschechten Sands of Time-Ableger an, auch wenn hier und da ein paar Komfortfunktionen hinzugefügt wurden. Nach dem Tutorial und bei der Erkundung Izdihars, erlernt der Blaublüter dann zunehmend effektivere Kampftechniken, die mit der Anzahl vernichteter Feinde nach und nach freigeschaltet werden, sowie die Nutzung magischer Platten. Letztere erinnern ein wenig an ihre Vorgänger aus dem 2008er Prinzenspiel und ermöglichen es dem Recken etwa, sich an der Wand festzuhalten oder mittels einer kleinen Windhose höhere Ebenen zu erreichen. Allerdings müssen die Platten im aktuellen Abenteuer manuell aktiviert werden, wobei immer nur Platten derselben Farbe gleichzeitig nutzbar sein können. Hier entwickeln sich nach und nach knifflige Hindernisparcours, da ihr teilweise an Wänden entlanglaufen oder Abgründe überspringen müsst, sowie per Pointer immer wieder rasch die magischen wechselt, um Halt zu finden. Generell gestalten sich die Sprungpassagen wieder anspruchsvoller als im zu leichten Vorgänger, auch wenn ein Ableben des Prinzen erneut nicht so hart bestraft wird. Anders als in den Vorgängern der Trilogie, könnt ihr die Zeit nicht zurückdrehen, dafür werdet ihr in unmittelbarer Nähe wiederbelebt, solange sich genügend Lebensorbs auf des Prinzen Konto befinden. Diese Sandkugeln dienen als Extraleben und werden durch besiegte Feinde gewonnen. Jedes Ableben kostet ein Orb, im Laufe des Spiels kann die Anzahl maximal verfügbarer Orbs ausgebaut werden.
Das Wichtigste bei einem Prince of Persia-Spiel ist sein Leveldesign. Insbesondere die jüngeren Teile sind für ihre aberwitzigen Hüpfeinlagen berühmt und auch hier bildet Die vergessene Zeit glücklicherweise keine Ausnahme. Vom rotierenden Sägeblatt, bis zu dornenbewehrten Walzen ist das komplette PoP-Fallenarsenal vertreten. Auch die Aufgaben orientieren sich an Bekanntem. Hier muss ein entfernter Schalter aktiviert werden, da ist ein bestimmter Ort unter Zeitdruck zu erreichen – dieselbe Kost ist man bereits aus den Vorgängern gewöhnt. Allerdings ist das überhaupt kein Problem, denn wie für ein Prinzenspiel üblich, geht es nicht um das Was, sondern das Wie. Wie erreiche ich den entfernten Schalter, wie komme unter Zeitdruck ans Ziel? Die Hüpf- und Klettertouren machen dabei nach wie vor einen Heidenspaß, auch weil Ubisoft im Falle eines Scheiterns die Rücksetzpunkte sehr fair gesetzt hat. Zudem lockern regelmäßige und teils angenehm knifflige Rätsel das Prinzendasein auf. Um heil ans Ziel zu kommen, beherrscht Mr. Pluderhose die meisten Tricks aus den Vorgängern, die deutlichsten Unterschiede findet man noch bei den Kampfbewegungen. Während in der Trilogie ab dem zweiten Teil mit mehreren Waffen gekämpft wurde und die Liste möglicher Kombos gar kein Ende nahm, stehen dem Prinzen 2010 deutlich weniger Angriffe zur Verfügung. Neben dem schon standesgemäßen Schwertübersprung, kann der Prinz auf seine Gegner hüpfen, sogar von Feind zu Feind. Per Nunchukschwung kann ein Gegner auf diese Wiese sogar geworfen werden. Entweder auf einen seiner Kollegen, oder in Fallen und Abgründe. Dazu können gegnerische Attacken geblockt und gekontert werden. Diverse Wandsprungangriffe sind ebenso im Programm, wie besonders mächtige Spezialangriffe, die jedoch nicht von Anfang an zur Verfügung stehen. Ähnlich wie bei Mario Galaxy kann übrigens ein zweiter Mitspieler per Wiimote ins Geschehen einsteigen, Gegner und Fallen verlangsamen oder versteckte Pfade finden. Das ist als Hilfe ganz nett, ersetzt aber keinen vollwertigen Koopmodus.
Übrigens gestattet sich Ubisoft immer mal wieder kleine Anspielungen an die Vorgänger, so befindet sich der Prinz, als er zum ersten Mal einen der gesundheitsregenerierenden Brunnen benutzt, wieder am selben, mysteriösen Ort voller Hängebrücken, den Spieler auch schon aus dem Original Sands of Time kennen. Generell hält sich die Storypräsentation aber in Grenzen. Ohne die dramatische Beziehung zu einer Prinzessin oder den Kampf des Prinzen mit seinem infizierten Verstand, fehlt dem neuesten Abenteuer ein wenig der Atmosphäre, die die Reihe zuletzt auszeichnete. Das ist schade, denn Ubisoft hatte in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie gute Märchen aus 1001er Nacht erzählen können.
Ein Prinz turnt herum
Auch in Puncto Steuerung waren sich die jüngsten Prinzenspiele stets recht ähnlich, mal abgesehen davon, dass sich der direkte Vorgänger schon fast von selbst spielte. Auch hier machen die Entwickler einen erfreulichen Rückschritt zur Originaltrilogie, die Kampf- und Sprungmanöver fühlen sich nicht mehr ganz so automatisiert an, wie vor zwei Jahren. Stattdessen begnügen sich die Aktionen auf das Wesentliche. Rennen, Springen, und Blocken geschieht auf Knopfdruck, zum Kämpfen wird die Wiimote geschwungen. Leider fühlt sich gerade das manchmal ein klein wenig behäbig an, bzw. es scheint so, als müsse der Controller recht fest geschwungen werden, um einen Schlag auszuführen. Hier wäre wie so oft eine alternative Angriffssteuerung per Button schön gewesen. Ebenfalls unpraktisch wurde die Kamerasteuerung gelöst. Statt über das Steuerkreuz die Perspektive zu justieren, wird die Kamera mit Hilfe des C-Knopfs hinter dem Prinzen zentriert (was ok ist) und mit Bewegung des Pointers an den Bildschirmrand gedreht (was nicht ok ist). Durch dieses etwas träge Verfahren, geht gerade in Kämpfen – und ganz besonders in engen Räumen – des Öfteren die Übersicht komplett flöten. Im normalen Spielgeschehen muss die Kamera glücklicherweise nur selten manuell korrigiert werden, doch wenn, dann fühlt es sich unnötig kompliziert an.
Wunderschönes Märchenland
Die modernen 3D-Prince of Persias sahen allesamt nicht schlecht aus. Mal mit mehr oder weniger moderner Technik inszeniert, verfügten sie doch allesamt über einen liebevollen und detailverliebten Grafikstil. Die vergessene Zeit kann in diesem Punkt auf Wii sogar richtig punkten. Auch wenn gerade die Charaktermodelle ein paar Ecken weniger vertragen könnten, so sind die Umgebungen abwechslungsreich gebaut und hübsch ausgeleuchtet. Texturen verwaschen nur bei genauem hinsehen und der Prinz turnt butterweich durch das antike Persien. Die meisten Effekte sehen ebenfalls ausgesprochen gut aus.
Dem entgegen steht allerdings die akustische Ebene. Zumindest ein wenig. Wurde der Prinz in der Originaltrilogie noch von den deutschen Synchronstimmen von Leonardo DiCaprio bzw. Christian Bale gesprochen, so hat der neue Prinz eine leicht quängelige, viel verspieltere Stimme, die keineswegs danach klingt, als wäre der Blaublüter gerade dabei erwachsen zu werden. Sie klingt grundsätzlich nicht wirklich schlecht, ist aber auch nicht so facettenreich wie früher. Hier waren die alten Sprecher wohl zu teuer. Auch Zahra versprüht eher den Charme eines glücklichen Schulkindes, als den eines mysteriösen Fabelwesens. Auch hier kein Vergleich zu Prinzessin Farah, die einst die Stimme Kate Winslets verliehen bekam.
Musikalisch gibt sich Die vergessene Zeit dezent. Orientalische Klänge wechseln sich mit Kampfgetrommel ab. Das passt gut, fällt aber auch zu keinem Zeitpunkt herausragend auf und unterliegt ebenfalls dem ohrwurmtauglichen Orientrock der Vorgänger.
Fazit
Prince of Persia: Die vergessene Zeit ist ein gutes Spiel. Auch wenn hier Einiges kritisiert wurde, macht der Titel Spaß und spielt sich gut. Nicht zuletzt deswegen, weil neben diversen Achievements auch das Ur-POP von 1989 freigeschaltet werden kann. Allerdings passt das Spiel meiner Ansicht nach nicht wirklich in den Kontext der Sands of Time-Trilogie, auch wenn es Ubisofts Geldbeutel sicherlich gut tut, diese Verbindung zu knüpfen. Die Originalspiele waren anspruchsvoller, erzählerisch deutlich vielschichtiger, atmosphärischer und boten neben flinken Kämpfen nicht zu letzt auch hervorragende Dialoge. In all diesen Punkten muss sich Die vergessene Zeit geschlagen geben. Dennoch macht der Titel Spaß, weil Grafik und Leveldesign gelungen sind, die Steuerung des Prinzen gut von der Hand geht und die Erforschung Izdihars genügend Abwechslung bietet, um 8-10 Stunden zu unterhalten. Wer ein neues Sands of Time erwartet, wird also mitunter enttäuscht sein, doch wer einfach mal wieder Lust auf eine Prinzenrolle oder schlicht ein gutes Action-Adventure für Wii hat, der macht mit dem Kauf sicher nichts falsch.
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