Testbericht: Oben
Filme aus dem Hause Pixar haben in der Regel eines gemeinsam: Sie sind unterhaltsam, technisch gesehen herausragend und von meist überragender Qualität. Filmumsetzgungen zu Videospielen haben ebenfalls oft vieles gemeinsam: Sie sind schludrig programmiert, lieblos umgesetzt und meist nicht ihr Geld wert. In welche Kerbe Versoftung des Pixar-Streifens „Oben” schlägt, haben wir für euch herausgefunden…
In die Lüfte…
Der zehnte Animationsfilm aus dem Hause Pixar in 15 Jahren bringt einige Neuerungen mit sich. Erstmals präsentiert man in Oben die immer populärer werdenden 3D-Effekte und eine weitere Premiere gibt es ebenfalls zu verkünden: Oben war nämlich der erste Animationsfilm überhaupt, der die legendären Filmfestspiele in Cannes eröffnen durfte. Den Vorschusslorbeeren wird der Streifen dabei auch gerecht, denn die turbulente Geschichte des rüstigen Rentners Carl Fredrikson und des jungen Pfadfinders Russell gehen nicht nur ans Herz, sondern sorgen für jede Menge Lacher. Eigentlich möchte Carl nur den Traum seiner verstorbenen Frau erfüllen, die sich immer ein Haus an den Paradiesfällen gewünscht hat. Der schrullige alte Carl, der von der Abschiebung ins Altersheim bedroht ist, fasst daher den Plan sein Haus mittels mit Helium gefüllter Ballons an einen anderen Ort zu versetzen. Dies gelingt, doch hat er dabei mit dem Pfadfinder Russell einen blinden Passagier an Bord. Gemeinsam mit dem sprechenden Hund Dug erleben sie haarsträubende Abenteuer im Amazonasgebiet.
Der Spieler wird dabei nach einem kleinen Intro mitten ins Geschehen geworfen, startet allerdings in einer Szene, die im Film erst später vorkommt und eine gewisse Spoilergefahr verbirgt, sofern man den Streifen noch nicht gesehen hat. Erst nach Erledigung dieser Sequenz wird der Rest des Kinofilms Stück um Stück nachgespielt. Oben ist dabei in gewisser Weise die typische Filmumsetzung geworden, wie man sie auch erwarten würde. Positiv fällt auf, dass in die Haut aller drei Protagonisten geschlüpft werden darf um sich deren Fähigkeiten zu nutze zumachen. So müssen sie zusammen arbeiten um Hindernisse zu überwinden, sich dem Fiesling Charles F. Muntz in den Weg zu stellen und den sprechenden Laufvogel Kevin vor der Gefangenschaft zu bewahren. Die Steuerung ist dabei reichlich simpel ausgefallen, denn neben Springen und dem Ausführen von Aktionen sowie Sonderfertigkeiten braucht der Spieler nicht viel mehr zu wissen, um durch das Abenteuer zu steuern. Abwechslung bringen Sonderlevels wie der Flug mit dem Doppeldecker, doch auch hier hält sich die Variation in Grenzen.
Somit dürfte klar sein, dass sich Oben in erster Linie an die Zielgruppe der jungen Spieler richtet, die den Film bereits kennen und das auf dem Bildschirm gesehene Geschehen auf der Konsole nachspielen wollen. Das Sammeln von Verdienstabzeichen und das Freischalten von Aufgabenkarten soll dabei die Motivation etwas in die Höhe treiben, indem fleißige Sammler Bonusinhalte wie Artworks oder Videos freischalten können. Doch nachdem man das Game in knappen drei Stunden bereits komplett durch gespielt haben wird, hält sich die Langzeitmotivation selbst durch das Sammeln dieser Boni stark in Grenzen. Gut gelungen ist dagegen die Tatsache, dass während des Games ein zweiter Spieler direkt ins Geschehen mit eingreifen und die Kontrolle über den zweiten Charakter übernehmen kann. Dies ist mitunter hilfreich um bestimmte Hindernisse zu überwinden, in denen Teamwork gefragt ist. Dank der relativ guten KI sind solche Aufgabe aber auch lösbar, wenn der zweite Charakter vom Computer gesteuert wird, so dass Einzelspieler nicht auf frustige Momente stoßen werden. Im spartanisch gehaltenen Mehrspielermodus darf gegeneinander auf verschiedenen Karten angetreten werden, wobei derjenige gewinnt, der zuerst fünf Hundekämpfer ausgeschaltet hat. Juhuuuu. Hier wäre etwas mehr Innovation schön gewesen.
…in den Dschungel?
Mehr wäre auch im Bezug auf die Technik schön gewesen. Zwar profitiert Oben von der Vorarbeit seitens Pixar, in erster Linie bezieht sich dies allerdings auf die butterweichen Animationen der Figuren. Die Texturen dagegen wirken etwas matschig und unscharf, was die insgesamt sehr bunte Optik dennoch wertungstechnisch deutlich nach unten zieht. Gepaart mit den mittelprächtig präsentierten Levels wäre hier sicherlich mehr drin gewesen. Etwas störend wirkt auch die Kamera, die in etlichen Sequenzen zu weit weg vom Geschehen scheint. Ob damit die generelle Unschärfe der Grafik vertuscht werden sollte? Man kann es nur vermuten. Und selbst der zum Einsatz kommende 60 Hz- sowie 480i-Modus gehören übrigens genauso wie die Videosequenzen mittlerweile zur Grundausrüstung eines guten Videospiels und sollen deswegen nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Der Sound ist dagegen eines der absoluten Highlights. Wir bekommen es nicht nur mit den tollen, beschwingten und leichten Melodien aus dem Kinostreifen zu tun, sondern dürfen uns auch über die ebenfalls sehr engagierten und authentischen Synchronsprecher freuen. Dass die Soundeffekte im Mittelmaß dümpeln, ist dagegen zu verkraften und war auch nicht anders zu erwarten.
Fazit
Will also der Nachwuchs nach dem Kinobesuch unbedingt das Spiel zum Film, so machen Eltern mit Oben nicht viel verkehrt. Einzig die geringe Spielzeit sollte dabei bedacht werden, denn ein halbwegs erfahrener Tastenakrobat hat das Game einfach viel zu schnell durch gespielt. Ob man sich selbst zum Sammeln aller Boni motivieren kann, muss jeder selbst wissen. Fest steht allerdings, dass Oben trotz des tollen Sounds erneut eine eher mittelprächtige Filmumsetzung ist, die niemand unbedingt braucht, die Liebhaber des Films aber zufrieden stellen sollte.
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