Testbericht: Need for Speed: Hot Pursuit
Viele Serien aus dem Bereich der Videospiele erleben mittlerweile ein jährliches Update. Wo bei Sportspielen neben meist Änderungen kosmetischer Natur eher die Daten der aktuellen Saison auf den neuesten Stand gebracht werden, ist bei anderen Spielen mehr im Busch. Die traditionelle „Need for Speed“-Serie beispielsweise wird fast jedes Jahr komplett überarbeitet. Wo uns auf den HD-Konsolen im letzten Jahr das von Kritikern gelobte „Need for Speed: Shift“ mit seinem Realismus überzeugte, durfte man im speziell für Wii entwickelten Arcade-Racer „Need for Speed: Nitro“ seine Runden drehen. Dieses Jahr tragen alle Spiele denselben Namen – „Need for Speed: Hot Pursuit“. Wir haben uns für euch hinters Lenkrad geklemmt und aufs Gaspedal gedrückt.
Ich geb’ Gas, ich will Spaß!
Need for Speed stand ursprünglich mal für einen Spielspaß-Garant, der im Genre Maßstäbe setzte. Leider sind diese Tage aber schon lange vorbei. Gerade in den letzten Jahren gerieten die Titel aus den unterschiedlichen Spieleschmieden von Electronic Arts immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. In den meisten Fällen war diese Kritik auch berechtigt, denn den Entwicklern schienen die Ideen auszugehen. Wiederholungen im Gameplay wurden teils mit technischen Unzulänglichkeiten kombiniert, was unter dem Strich nicht einmal für beinharte Fans der Serie ein befriedigendes Gesamtergebnis lieferte. So geisterte nach dem Release von Need for Speed: Undercover unter anderem die Aussage durch die Presse, dass man der Marke eine Pause und eine komplette Überarbeitung gönnen würde. Lustigerweise war es damals die Wii-Version, die optische zwar nicht mit den HD-Brüdern mithalten konnte, spielerisch aber die wenigsten Macken hatte und ohne Slowdowns sogar ordentlich Spaß machte. Nur ein Jahr später war jedoch Need for Speed dann wieder am Start. Shift hieß die Version für PC und die HD-Zwillinge, Nitro wurde dagegen exklusiv für die Wii und den DS entwickelt. Das Arcade-lastige Gameplay und die comicartige Grafik war zwar nicht jedermanns Sache, war aber ebenfalls gut spielbar. Soviel zur Vergangenheit des Titels. Doch was verspricht uns die Gegenwart?
Need for Speed: Hot Pursuit trägt auf allen Konsolen denselben Namen und dasselbe Cover. Dummerweise verstecken sich dahinter aber zwei vollkommen verschiedene Spiele. Während nämlich die Burnout-Macher Criterion Games die HD-Version entwickelten und mit ihr neben einer tollen Optik eine frei befahrbare Welt und actionreiche Schlachten zwischen Gangstern und Cops auf die Konsolen brachten, sieht es auf der Wii anders aus. Auf den ersten Blick versprechen die Spielmodi mit der Karriere sowie der Abteilung Arcade noch die gewohnte Kost. Bei der Karriere startet ihr mit einem von drei frei wählbaren Fahrzeugen und müsst durch das möglichst erfolgreiche Absolvieren der Rennen neue Strecken und Fahrzeuge freischalten. Die Spielvarianten Hot Pursuit, Eliminator, Time Attack sowie Rush Hour versprechen dabei anfangs reichlich Abwechslung. Rennen auf Zeit sind dabei natürlich ein alter Hut. Beim Eliminator scheidet alle 30 Sekunden der langsamste Fahrer aus, bis nur noch ein Sieger übrig bleibt. Hot Pursuit ist dieselbe Variante nur mit zusätzlichem Einsatz der Polizei nach zu derben Crashs und bei der Rush Hour müssen 100 andere Fahrzeuge überholt werden, damit man sich nach Ablauf der Zeit am besten an die Spitze des Feldes gesetzt hat. Sind die Herausforderungen gemeistert, darf ein Boss zum Battle gefordert und die nächste von insgesamt vier Städten, bzw. danach noch ein finaler Grand Prix frei geschaltet werden. Im Arcade Modus sind alle Strecken und Fahrzeuge dagegen von Anfang an verfügbar. Zudem dürft ihr hier noch mittels Splitscreen mit bis zu drei weiteren Kumpels vor der Konsole sitzen. Die Hinzunahme von Extras in Need for Speed: Hot Pursuit erinnert dabei an die Genrekollegen von Mario Kart und Blur. Dabei hat man sich eher an Letzterem orientiert, denn Reparatur-Kits, Boosts, Schockwellen, etc. gab es dort auch schon. Wem die lizenzierten Karren zu öde sind, darf sich übrigens noch neue Lackierungen ausdenken und seine Boliden ein wenig tunen.
Auf dem Papier klingt das alles gar nicht mal so übel und nach den Zutaten für einen ordentlichen Raser, mit dem man jede Menge Spaß haben kann. Theoretisch. Praktisch ist es aber so, dass zu all dem eine funktionierende Steuerung sowie eine überzeugende Fahrphysik gehört. Beides hat Need for Speed: Hot Pursuit nicht einmal ansatzweise zu bieten. Dabei hat man auch hier wieder auf dem Papier an alles gedacht: Neben der Steuerung mit einer quer gehaltenen Wiimote dürfen wahlweise auch ein Nunchuk, ein Classic oder sogar ein Gamecube Controller angestöpselt werden. All das bringt uns als Spieler aber nichts, wenn man mit keiner der Methoden die Boliden wie gewünscht über den Asphalt brettern lassen kann. Die Fahrzeuge wirken, als würden sie einfach nur geradeaus fahren wollen. Die Bremse kann man in den Kurven dabei vollkommen vergessen. Einzig mit der Handbremse kann man die Karren dazu bewegen sich in die Kurve zu neigen, wobei sie anfangen zu driften. Mal funktioniert der Drift dabei und man bekommt die Kurve gebacken, mal rast man nahezu ungebremst in die Absperrung, mal nimmt man die Innenseite der Kurve mit und bleibt so hängen. Diese Ungewissheit, wie die Steuerung genau reagieren wird, macht Need for Speed: Hot Pursuit schnell zum Glücksspiel. Man versucht sich mittels Einsatz der Handbremse durch die Kurven zu manövrieren und hofft, dass man nicht in die Bande knallt. Hinzu kommt, dass es so etwas wie eine realistische Fahrphysik in dem Titel nicht gibt. Selbst kleine Bodenwellen reichen aus um euer Fahrzeug in die Luft gehen zu lassen. Große Unebenheiten haben dagegen zur Folge, dass ihr etliche Meter durch die Luft schwebt, von den unsichtbaren Wänden an den Seiten der Strecke aufgehalten werdet und ungewöhnlich langsam wieder auf den Boden der Tatsachen schwebt. Je „besser“ eure Fahrzeuge im Laufe des Spiels werden, desto unglaublicher fällt offenbar auch deren Sprungverhalten aus. Kracht ihr in die Bande, merkt ihr zumindest äußerlich eurem Wagen keine Beschädigung an. Lediglich eine entsprechende Leiste gibt euch Auskunft über den Beschädigungsgrad eures zukünftigen Schrotthaufens.
Als ob das noch nicht genug wäre, haben die Entwickler von Exient dem Spiel eine KI spendiert, die anderen Programmierern das Fürchten lehren sollte. Ein Gummiband ist in der Tat ein Dreck dagegen. Das fällt vor allem beim langwierigen „Rush Hour“ auf. Ihr habt euch schon an die Spitze gekämpft und fahrt etliche Zeit vorne ungefährdet als Erster vor dem Feld davon. Wenige Sekunden vor Ablauf der Zeit holt mit einem Mal euer Verfolger auf, zieht an euch vorbei und ist nicht mehr einzuholen. Gerade in diesem Spielmodus fällt dies extrem auf. Teils überholt ihr einen ganzen Pulk bestehend aus fünf bis zehn Fahrzeugen, dann wieder hängt ihr einem Konkurrenten im Nacken, den ihr offenbar kaum einholen könnt. Ab und an soll euch ja euch die Polizei aufhalten und euch das Leben schwer machen – soweit die Theorie. In der Praxis könnt ihr mit den Polizeiautos fröhliches Autoschieben auf der Fahrbahn spielen, da sie quasi keine Gegenwehr bieten. Straßensperren werden ohne Mühe und vollkommen ohne weitere Konsequenzen durchbrochen. Spielspaß kommt dabei nicht wirklich auf. Stattdessen ärgert ihr euch neben der misslungenen Fahrphysik und der KI auch über die öde Streckenführung. Die Änderungen am Fahrzeug, die ihr in der Werkstatt durchführen könnt, haben zudem keinen merklichen Einfluss auf dessen Fahrverhalten, so dass sie zur nutzlosen Farce verkommt.
Zurück in die Zukunft?
Richtig ärgerlich wird es auch, wenn es um die gesamte Präsentation des Titels geht. Ich denke jeder Wii-Besitzer hat sich mittlerweile damit abgefunden, dass nur wenige Entwickler auch optisch das beste Ergebnis aus Nintendos kleiner weißer Kiste holen wollen und offenbar auch können. Was Exient aber mit Need for Speed: Hot Pursuit hier abliefert, grenzt an eine Frechheit. Die klobigen Fahrzeuge mit ihren kaum vorhandenen Texturen wirken, als hätte man die auf Pappschachteln zusammen gebastelt. Dermaßen hässliche Fahrzeugmodelle gab es wohl zuletzt in der vorletzten Generation zu bewundern, als die Polygone gerade erst Laufen lernten. Die Kurse selbst sind uninspiriert und wiederholen sich bald. In die Hintergründe hat man simple Sprites geklatscht, die jede Liebe zum Detail vermissen lassen und einfach nur billig wirken. Selbst der Wii-Erstling Carbon aus dem Jahr 2006 war deutlich hübscher und ich habe sogar schon etliche Minispielsammlungen gespielt, die grafisch aufwändiger und detailreicher wirkten. Die Zeitlupen bei einem Crash sollen dabei spektakulär wirken, sind optisch jedoch sehr fad inszeniert. Zudem weiß man nie, wann man mit einer Zeitlupe zu rechnen hat. Mal kracht man mit voller Wucht in die Seite und es tut sich nichts, mal berührt man nur leicht die Bande und darf sich die Szene noch einmal in Zeitlupe betrachten. Dass die Ladezeiten in Need for Speed: Hot Pursuit ziemlich kurz gehalten sind ist an und für sich gut, versteht sich bei dem Mangel an Details in der Grafik eigentlich von selbst.
Der Sound ist dagegen besser, doch schlechter geht es ja eigentlich auch kaum. Das heißt für uns, dass wir uns mit drögen Motorensounds zufrieden geben müssen, die einem schnell auf den Keks gehen. Die Musikuntermalung ist eine schrammelnde Mischung aus Pop und Rock, die belanglos nebenher läuft. Neben ein paar Soundeffekten gibt es sonst nichts, was von Bedeutung wäre.
Fazit
Ein großer Name und das mit den HD-Versionen identische Cover lassen Spieler darauf hoffen, dass man mit Need for Speed: Hot Pursuit für die Wii nur eine grafisch leicht abgespeckte Version bekommt. Stattdessen verbirgt sich auf der Disc ein komplett neu für die Wii entwickelter Titel, der so ziemlich alles falsch macht, was man bei einem Rennspiel nur falsch machen kann. Die Steuerung ist verkorkst und reagiert nicht exakt, die Fahrphysik lässt die Autos schlingern und selbst bei kleinen Bodenwellen mehrere Meter weit durch die Luft segeln, der Sound ist öde und die offenbar aus dem Jahr 2000 entliehene Grafikengine grenzt an eine Frechheit. Wer also ein motivierendes Rennspiel sucht und die Vorzeigetitel Mario Kart, Trackmania und mit einigen Abstrichen auch Excite Truck bereits besitzt, sollte lieber irgendeinen anderen Need for Speed-Titel für Nintendos Wii kaufen. Denn alle Vorgänger der Reihe sind definitiv besser als Hot Pursuit. Das ist schade, ist aber nun einmal so.
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