Testbericht: NBA Live 09 All-Play
Der Herbst ist für die weltweite Wirtschaft der wichtigste Zeitraum. Kurz vor dem Weihnachtsgeschäft werden Produkte veröffentlich, die Arbeitsagentur freut sich über sinkende Arbeitslosenzahlen aufgrund des neuen Ausbildungsjahrs und in vielen Sportarten beginnen die neuen Ligen. Moment – was hat das Letzte mit Wirtschaft zu tun? Ganz einfach: EA kann passend dazu seine neuen Sportspiele auf den Markt werfen. Ob sich das im Falle von „NBA Live 09 All-Play“ gelohnt hat, oder sie es lieber selbst behalten hätten, klären wir jetzt.
Alles neu macht der … ja, wer eigentlich?
Sparen wir uns zum Einstieg die immer gleichen Sprüche über EAs Sportspielreihen. Ja, NBA Live 09 ist gefühlt die 763. Auflage der Basketballsimulation und wie ihre Serienkollegen glänzte in der Vergangenheit nicht jedes Update mit frischen Ideen. Oft wurde nur minimal an der Grafik oder Ballphysik poliert und die gewohnt guten Elemente – Sound, Atmosphäre – 1:1 übernommen. Was Spieler dagegen definitiv stets bekommen ist ein Satz frischer Lizenzen und… ja, das war’s eigentlich auch schon. Alles Weitere liegt in der Gnade der Entwickler. Und die waren heuer verdammt knausrig. Hat EA im Fußballbereich mit FIFA 09 zumindest auf den Konkurrenzplattformen erstmals die hervorragende Pro Evolution Soccer Serie überholen können, sieht NBA Live 09 gegen den direkten Gegenkandidaten NBA 2k9 äußerst alt aus. Und das in vielerlei Hinsicht.
Verstaubter Court
Oh oh, soviel Kritik schon im ersten Absatz…? Keine Panik, NBA Live 09 ist keine völlige Katastrophe geworden, das Spiel bedient sich vieler bewährter Tugenden und baut auf EAs langjähriger Erfahrung im Sportspielbereich auf. Doch muss man in der aktuellsten Version die Neuerungen schon mit der Lupe suchen. Und das hinterlässt einen äußerst faden Beigeschmack, war doch schon NBA Live 08 in einigen Punkten offensichtlich alles andere als perfekt.
Inhaltlich handelt es sich zunächst um ein waschechtes NBA Live. Nach dem Spielstart erwartet euch das Hauptmenü mit vielen bekannten Optionen. Vom simplen Sofortspiel bis hin zur legendären Karriere in der Superstar-Challange ist vieles bekannt. Auch der Online-Modus war bereits in der letzten Version integriert, auf den aber später eingegangen wird. Wer die 08er Auflage kennt, findet sich sofort zurecht – im Gegenzug allerdings auch nichts Neues. Denn bis auf ein paar Änderungen in der Riege der Multiplayer-Partygames existierten alle Modi in dieser Form bereits vor einem Jahr. Ihr könnt zwischen dem schnellen Spiel, diversen Ligen, einer Saison-Simulation, der erwähnten Superstar-Challange und einer Reihe von Mehrspieleroptionen wählen. Darüber hinaus hat EA auch wieder seine All-Play-Anpassungen vorgenommen, wer will kann also in stark vereinfachten Matches seine Nerven schonen. Hierbei reduziert sich die Steuerung auf Werfen und Passen, die KI arbeitet selbstständiger und das Punktesystem wird vereinfacht. Ein naher Wurf bringt einen Punkt, aus der Ferne gibt’s 2 Punkte. Allein oder mit Freunden können so also auch Einsteiger schnell die Grundzüge des Konsolenbasketballs erlernen und wie auch schon bei EAs übriger Sportspielriege, sind die All-Play Matchs durchaus nett gemacht. Dank funktionierender Automatismen entsteht statt Frust schnell Spielspaß, wer sich jedoch nach einer richtigen Herausforderung sehnt, bzw. sich am eingeschränkten Steuerungskorsett stört, wird im All-Play-Modus erwartungsgemäß nicht fündig. Die Option ist eine reine Zugabe für Neulinge und den berüchtigten Casualgamer.
Habt ihr euch für einen der übrigen Modi entschieden, geht es nach der Wahl der Teams, der Arena und der Spielregeln mit voller spielerischer Bandbreite zur Sache. Ihr dribbelt und passt euch am Gegner vorbei, werft via Remote-Schwung Körbe oder versucht in der Defense dem Gegner den Ball abzuluchsen. Vom Slamdunk bis zum Rebound, lassen sich viele wesentliche Spielzüge ausführen, der Profi vermisst jedoch Feinheiten wie Wurf antäuschen, etc. Das Spieltempo ist realistisch – also recht hoch, was jedoch schnell in Fleisch und Blut übergeht. Dennoch weht über dem gesamten Court ein muffiger, nostalgischer Geruch. Die Steuerung enthält alle Stärken und Schwächen der Vorjahresversion, die Spielzüge entsprechen denen der Vorjahresversion, die Grafik sieht sogar noch einen Tick schlechter aus, als in der damals schon veralteten Vorjahresversion. Und selbst die englischen Kommentatoren scheinen subjektiv aus einem eingeschränkteren Repertoire an Sprüchen zu wählen, als dies noch in der Vorjahresversion der Fall war. Also eher ein Rückschritt? Auf der Habenseite verzeichnet der Titel 24 Originalmannschaften der National Basketball Association und erstmals auch 22 weibliche Spielerinnen aus der WNBA, die sich spielerisch allerdings nicht von ihren männlichen Kollegen unterscheiden. Der Saisonmodus ist wieder üppig ausgefallen, ihr stellt euren Kader zusammen, verwaltet Spielstatistiken, behaltet im Kalender den Überblick über die nächsten Spiele und versucht am Ende der Champion zu sein. Wer hierbei ausschließlich taktieren will, kann die Matches auch vom Computer simulieren lassen und sich nur auf die Aufgabe des Managers konzentrieren. Das macht für bestimmte Spielertypen sogar mehr Sinn, denn der eigentliche Spielablauf leidet erneut an den – im Vergleich zu NBA Live 08 unveränderten – Problemen bei Steuerung und Kollisionsabfrage. EA gab sich zwar alle Mühe, die Wii-Remote sinnvoll zu nutzen, doch die sensorische Abfrage der Bewegungen funktioniert nicht immer fehlerfrei. Sehr frustrierend, wenn dadurch mal wieder eine günstige Chance verschenkt wird. Alternativ kann zwar auch der Classic-Controller genutzt werden, allerdings verliert das Spiel dadurch sein Hauptindividualitätsmerkmal. Weiteres Exklusivmaterial, etwa der Partymodus mit Minigames, ist zwar nicht schlecht, ragt aus der Masse übriger Partysoftware auf Wii aber auch nicht heraus.
Insgesamt bietet NBA Live 09 also das gewohnte Gameplay der Vorgänger, zusammen mit einer zwar sinnvollen, aber nicht fehlerfreien Steuerung. Die Modi und Ligen machen nach wie vor Spaß, spielen sich allerdings nicht so frisch wie bei 2kSports NBA 2k9. Man merkt dem Titel einfach an, dass eine Generalüberholung fällig ist. Was EA mit FIFA und im Ansatz auch mit Madden NFL gelungen ist – nämlich durch die Wii-spezifische Steuerung auch das Spieldesign aufzuwerten – wäre bei NBA ebenfalls nötig.
Ein alter Bekannter
Für das Wii-Debut NBA Live 08 hat EA eine logische Herangehensweise gewählt, in dem man die Würfe über Remote-Schwingen simulieren ließen. Sprich, Controller hoch = zum Wurf ansetzen, Controller runter = Werfen. In der Praxis hat das jedoch schon im letzten Jahr nicht immer funktioniert und tut es leider auch heute noch nicht. Immer mal wieder fliegt der Ball nicht im gewünschten Moment zum Korb. Der Rest der Steuerung ist klassisch gehalten, die Spieler werden per Analogstick gelenkt und per Tastendruck gewechselt. Ärgerlicherweise gibt es keine Sprintfunktion, so dass flottes Durchpreschen oder die schnelle Flucht nach einer Ballabnahme nicht möglich sind – Spielzüge, die im echten Basketball zur Tagesordnung gehören.
In der Defense kommt die Remote ebenfalls zum Einsatz, per Seitwärts-Schwung könnt ihr dem Gegner den Ball abluchsen. Das funktioniert eingängig und brauch nicht viel Übung. Insgesamt lässt die Steuerung aber aufgrund der genannten Schwächen etwas an Schnelligkeit und Präzision zur wünschen übrig.
Igitt, was ist das denn?
Huch, falsches Spiel eingelegt? Beim ersten Spielstart könnte man doch glatt annehmen, sich um 10 Jahre in der Version geirrt zu haben. Wer weiß, wann EA bei seiner NBA-Reihe das letzte Grafikupdate vorgenommen hat, möge es bitte ins Forum posten. Optisch hinkt der Titel seiner Zeit jedenfalls ein ganzes Stück hinterher. Die Arenen sind relativ detailarm, das 2D-Pixel-Publikum ein Witz. Die Spieler wirken in der sterilen Umgebung fast schon fehl am Platz und hinterlassen zudem fast schon einen leicht comichaften Eindruck. Die Animationen – für gewöhnlich EAs Stärke, sind ebenfalls nicht mehr Königsklasse, auf den HD-Konsolen bewegen sich die Spieler doch um Welten flüssiger über den Court. Und nicht zuletzt sind auch die seltenen Effekte nur Mittelmaß, wenn ihr einen Korb werft, sieht es aus, als regnet es Holzspäne. Kleine Details, wie etwa am Rand sitzende Fotografen, sind zwar ebenfalls nicht allzu polygonreich, frischen die Optik aber dennoch auf.
Beim Soundtrack gibt’s wie gewohnt nichts zu meckern. In den Menüs schallen launige RnB-Klänge aus den Boxen, die meisten Lieder sind aus dem Radio bekannt. Die Zuschauer peitschen euch mit Zurufen nach vorne, die Kommentatoren haben ihren Job in der echten NBA erlernt. Allerdings wiederholen sich früher oder später die Sprüche häufiger, was ein wenig die Illusion zerstört. Alles in allem aber eine stimmige Soundkulisse.
Multiplayer
EA spendierte auch dieses Jahr der NBA-Serie auf Wii wieder einen Online-Modus. Im Menü Spielmodi versteckt, könnt ihr via Internet mit bis zu 7 Spielern Körbe werfen. Dabei ist nur das schnelle Spiel verfügbar, also keine aufwändigen Ranglisten. Außerdem fällt hierbei die Unterstützung des Classic-Controllers weg, alle Spieler müssen also auf die Remote-Variante zurückgreifen. In der Folge kranken auch die Multiplayermatches immer mal wieder an der schwammigen Bewegungserkennung, machen aber dennoch mehr Spaß als gegen ein KI-Team.
Lokal könnt ihr ebenfalls gegen bis zu drei Freunde antreten, dann nicht nur im klassischen Basketball, sondern auch in verschiedenen Minispiel-Disziplinen, in denen ihr um die Wette dunkt oder besonders gut von der 3er Linie werfen müsst. Besonders zu viert ein Heidenspaß und mal wieder ein guter Beweis für die Partytauglichkeit der Konsole. Die Disziplinen sind leicht zu erlernen und machen auch unerfahrenen Spielern Spaß.
Fazit
EA scheinen langsam die Ideen auszugehen. NBA Live 09 All-Play ist ein nahezu inhaltsgleicher Aufguss der 08er Version. Der FIFA-Reihe hat es gut getan, dass PES08 steuerungstechnisch vorgemacht hat, wie es geht. NBA ist auf Wii dagegen konkurrenzlos, insofern muss Electronic Arts sich selbst an die Nase fassen und endlich alte Zöpfe abschneiden. Damit das nicht falsch verstanden wird, NBA Live 09 ist kein schlechtes Spiel, aber es lernt auch nicht aus vergangenen Fehlern, ist nicht zeitgemäß angepasst und könnte daher sehr viel besser sein. Dazu kommen gelegentliche Schwierigkeiten mit der Steuerung, auch wenn sie insgesamt realistisch gelöst ist.
Wer also keinen der vergangenen NBA-Teile gespielt hat und auch keine andere Konsole besitzt, aber unbedingt Basketball spielen will, kann sich den Titel getrost anschauen. Besitzer der Vorjahresversion bekommen aber kaum Neues geboten.
Spätestens für NBA Live 2010 wird es also Zeit, endlich mal ordentlich durchzulüften.
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