Testbericht: Marbles! Balance Challenge
Als kurz nach dem Release von Nintendos Wii der Geschicklichkeitstitel „Kororinpa“ auf den Markt kam, zeigt man damit eindrucksvoll, wie präzise man Murmeln dank der Wiimote durch ein Labyrinth bugsieren konnte. Der geringe Umfang und der gemessen daran etwas hohe Preis verhinderten aber wohl in Kombination mit dem nicht gerade viel aussagenden Namen einen großen Erfolg des Games. Dennoch müssen die Verkaufszahlen immerhin zufrieden stellend gewesen sein, kündigte Hudson Soft doch einen Nachfolger an. Dieser steht nun in den Regalen und hat mit „Marbles! Balance Challenge“ einen komplett anderen Namen erhalten als der einstige Vorgänger. Wir sind für euch durch die Labyrinthe gerollt und haben herausgefunden, wie viel das Game mit dem Original noch gemeinsam hat.
Kororinpa 2?
Ja, man hätte das Game prinzipiell auch Kororinpa 2 taufen können. Man war ursprünglich auch schon so gut wie fertig damit und wollte es veröffentlichen, als man den Erfolg des im letzten Jahr neu auf den Markt gebrachten Balance Boards erkannte und eine Unterstützung dieser Peripherie unbedingt noch mit einbauen wollte. So wurde der Release von Kororinpa 2 kurzerhand verschoben und der Titel in Marbles! Balance Challenge geändert. Doch worum geht es in dem von Konami in unseren Breitengraden vertriebenen Game nun genau? Man steuert simpel gesagt wie schon bei ersten Ausflug auf Nintendos Wii eine Murmel durch ein Labyrinth, indem man das gesamte Level dreht, kippt und neigt und muss vom vorgegebenen Startpunkt aus das Ziel finden. Damit es nicht so einfach wird, gilt es auf dem Weg dorthin sämtliche goldenen Kristalle einzusammeln. Das hat auch durchaus einen Bezug zur Story, denn in Marbles! Balance Challenge sollt ihr der kleinen Ameise Anthony helfen die legendäre goldene Sonnenblume zu finden, deren Samen im vor über 1.000 Jahren erbauten Stumpftempel versteckt liegt, wobei der Weg dorthin längst vergessen wurde und erst wieder entdeckt werden will. Klingt klischeehaft, absolut belanglos und für ein Spiel dieser Art zu 100% überflüssig? Ist es auch, aber daran wollen wir uns jetzt mal lieber nicht aufhängen.
Stattdessen stürzen wir uns nach der Auswahl der Schwierigkeitsgrades (leicht oder normal) lieber direkt ins Geschehen und rollen unsere Murmel. Die ersten Labyrinthe sind dabei noch wirklich einfach gehalten. Schnell findet man das gewünschte Ziel, die notwendigen Kristalle sammelt man quasi im Vorbeirollen und seitliche Begrenzungen schützen einen vor dem baldigen Abflug ins Nirwana. Doch schon bald sieht die Sache anders aus und die Stages werden zunehmend anspruchsvoller. Komplexere Aufbauten erfordern viel Geschick beim Rollen, bewegliche Elemente im Boden, aufklappende Fallen, Bumper, Sprungfedern und dergleichen mehr verlangen ein vorausschauendes Vorgehen, möchte man nicht immer wieder von vorne beginnen müssen. Zum Glück wurden in viele der Stages Checkpoints eingebaut, so dass man nicht jeden Level vom Anfang an beginnen muss. Die Checkpoints sind dabei sinnvoll gesetzt, werden allerdings erst aktiv, sobald man alle bis dahin erforderlichen Kristalle auch eingesammelt hat. Weitere Hindernisse wie klebrige, bzw. rutschige Böden, Lavaplatten, die eure Kugel verbrennen lassen oder überdimensionale Scheren und Stampfer, die ebenfalls einen Neustart auslösen, lockern die Stages auf. Neu sind diese Elemente zwar nicht, aber sie erfüllen ihren Zweck. Etwas einfallen lassen hat man sich dagegen mit den Kanonen, denn diese bot der Vorgänger noch nicht. Binnen zwei Sekunden wird man aus den Kanonen wieder katapultiert und muss schnell ein Zielkreuz manövrieren, damit man an die gewünschte Position geschossen wird. Dies kommt anfangs meist überraschend, ist mit etwas Übung aber gut zu lösen.
Neben den zehn regulären Levels in jeder Welt gibt es noch eine elfte Wettkampfstufe, die bewältigt werden will. Nach und nach werden weitere Welten und Bonusstages freigeschaltet, so dass man im Endeffekt in über 100 Levels sein Können unter Beweis stellen muss. Hat man den normalen Modus hinter sich gebracht, gibt es noch den Schwierigkeitsgrad „Experte“. In jedem der drei Schwierigkeitsgrade sind die Stages übrigens in Details abweichend und werden immer anspruchsvoller, so dass sich ein mehrfaches Durchspielen für erfahrene Zocker lohnt. Dies ist auch sinnvoll, denn erst ab dem normalen Schwierigkeitsgrad verstecken sich zusätzliche grüne Kristalle in den Stages. Diese schalten neue Kugeln frei, die mit den unterschiedlichsten Eigenschaften aufwarten können. Hat man anfangs lediglich die Wahl aus drei herkömmlichen Murmeln, werden im Laufe des Spiels noch weitere Kugeln wie ein Panda- oder Schweinekopf, eine Bombe oder sogar ein Goldfischglas freigeschaltet. Selbst der eigene Mii darf in eine Kugel verfrachtet und deren Eigenschaften den persönlichen Vorlieben angepasst werden.
Zusätzlich zum regulären Spielmodus gibt es noch die „Zeitchallenge“ sowie das „Überleben“. In beiden Varianten können die bereits im Storymodus gespielten Stages absolviert werden, die nun entweder auf Zeit (ohne das Sammeln der Kristalle) oder mit nur einem einzigen Leben (beim Absturz eurer Kugel ist es also vorbei) gespielt werden. Einen weiteren Anreiz sollen die Ranglisten geben, die eure erreichten Bestzeiten mit anderen Spielern vergleichen. Neben den eigenen Bestzeiten sind noch die vergleichbaren Zeiten für Spieler aus Europa und auch der ganzen Welt abzurufen. Hinzu kommt, dass euch je nach erreichter Zeit pro Level ein bronzener, silberner oder sogar goldener Pokal verliehen werden kann. Als wäre das noch nicht genug, hat man eigens mit dem Wii Balance Board spielbare Levels integriert. Ganze 100 Stück sind es an der Zahl, die von ihrer Komplexität her vereinfacht wurden und somit eher als nette Dreingabe zu sehen sind. Eine nette Dreingabe ist auch der Level Editor, dessen Bauteile man sich im Storymodus ebenfalls nach und nach erspielt. Nach kurzer Eingewöhnungszeit lassen sich dort nette Stages selbst basteln und mit den Freunden aus seiner Liste via Wii Connect24 teilen. Abgerundet wird das Game vom Mehrspielermodus, da man mit bis zu drei weiteren Mitspielern zur Wii Remote greifen und durch die Labyrinthe rollen darf. Wer sich dabei für Matches mit aktivierten Kollisionen zwischen den Kugeln der Spieler entscheidet, darf seine Konkurrenten sogar versuchen von den Plattformen zu schubsen, was für jede Menge Spaß gerade mit mehreren Mitspielern sorgt.
Alles unter Kontrolle?
Man sollte meinen, dass sich die Bewegungssteuerung der Wii nahezu perfekt für einen Titel wie Marbles! Balance Challenge eignet. In der Tat ist dem so, allerdings mit einigen kleinen Einschränkungen. An sich lässt sich eure Kugel nämlich wirklich exakt steuern, indem ihr einfach die Wiimote neigt. Diesmal wurde auch daran gedacht, dass man in den Optionen eine klassisch quer gehaltene Wiimote im NES-Style auswählen kann. Zudem reagieren die Murmeln ein klein wenig träger als beim Vorgänger, was vor allem in den später komplexer werdenden Stages hilfreich ist. Dennoch wird es ab und an erforderlich, dass man die Remote an heiklen Passagen um mehr als 90° dreht und ab diesem Moment ist eine gezielte Kontrolle kaum mehr möglich. Man hätte entweder auf derartige Spielereien verzichten oder noch bis zum Release von Wii Motion+ warten sollen, anstatt hier für Frust beim Spieler zu sorgen. Zum Glück geschieht dies jedoch nur sehr selten. Die Steuerung mit dem Balance Board dagegen ist richtig gelungen, aber die entsprechenden Stages wurden ja auch bewusst simpler gehalten und für diese Peripherie optimiert. Als nette Dreingabe kommt die Steuerung mit dem weißen Bewegungsbrett jedenfalls wirklich gelegen und es ist schade, dass man diese nicht mit mehreren Spielern gleichzeitig nutzen kann.
Alles schon gesehen?
Grafisch reißt Marbles! Balance Challenge keine Bäume aus. Die einzelnen Stages präsentieren sich meist schön bunt und warten mit vielen Details auf. Allerdings hat man die Levels etwas einfallslos vor platte Bitmap-Hintergründe geklatscht, bei denen im besten Fall mal das ein oder andere 3D-Objekt vorbei schwebt. Das hätte man besser machen können. Dies gilt vor allem auch für die Kamera, die man selbst im zweiten Anlauf von Hudsons Murmelkullerei immer noch nicht bewegen darf. Zwar werden Objekte im Vordergrund schnell transparent, dennoch wäre eine optional manövrierbare Kamera wünschenswert gewesen. Da mag stilistisch gesehen in sich alles passen, die Mii-Integration vorhanden sein und man selbst den 480p-Modus unterstützen, man hat trotzdem das Gefühl, als hätte man technisch noch mehr aus der Konsole holen können.
Dies wird ebenfalls beim Sound deutlich, der mehr als unspektakulär aus den Boxen plätschert. Die Hintergrundmelodien sind zuckersüß und werden in der Regel schnell langweilig und kitschig. Besonders schlimm sind jedoch die Soundeffekte mancher Kugeln. In den ersten Sekunden ist es noch witzig, wenn der Katzenkopf maunzt, sobald er seine rollende Reise beginnt. Nach spätestens einer Minute wünscht man dem kullernden Tierchen aber den schnellen Bildschirmtod aufgrund des ständigen Miauens und wechselt lieber zu einer Kugel, die keine Soundeffekte von sich gibt. Die verschiedenen Klänge der Kugeln sind somit eine nette Idee, die aber in den Sand gesetzt wurde.
Fazit
Was Hudson Soft mit Kororinpa begann, wurde mit Marbles! Balance Challenge erfolgreich weiter geführt. Man hat den Umfang deutlich erhöht, neue Modi eingebaut, eine Steuerung mit dem Balance Board samt darauf ausgerichteter Levels integriert und sorgt mit Online-Ranglisten sowie freischaltbaren Extras und einem Level Editor für Langzeitmotivation. „Value for Money“ ist also angesagt. Über die kleineren technischen Unzulänglichkeiten kann man hinwegsehen, zum Punktabzug führen diese aber trotzdem. Liebhaber des Originals dürfen trotzdem zugreifen und da gemessen am Preis der Umfang ausreichend ist, sollten auch Neueinsteiger durchaus einen Blick riskieren.
Schreibe einen Kommentar