Testbericht: Line Rider Freestyle
Mit der nötigen Portion Fantasie ist ein Stift weit mehr als nur ein simples Zeichenwerkzeug. Er kann Welten und Figuren entstehen lassen. Oder auch verschneite Berghänge, auf denen rodelnde Rotzlöffel ruckzuck runterrutschen. Denn genau darum geht es im Knobelspiel „Line Rider Freestyle“ – nur macht das ganze auch Spaß?
Die Macht der Schwerkraft
Physik in Spielen ist eine tolle Sache. Schon vor vielen Jahren tüftelten Spieler in Bridge Builder an den verrücktesten Brückenkonstruktionen, um einen LKW sicher von einer auf die andere Seite einer Schlucht zu bringen. Die damaligen Mitspieler: Schwerkraft, Trägheit und Reibung. Mittlerweile kursieren im Internet Unmengen kleiner Flashspiele, in denen Männchen, Fahrradfahrer oder Autos mit rudimentärer Physik ausgestattet durch simple 2D-Levels düsen. Eins davon heißt Line Rider Freestyle und stellt den Spieler vor die Aufgabe, eine Skipiste zu bauen, mittels derer ein Schlittenfahrer von seinem Startpunkt bis zu einem vorgegeben Ziel kommt. Der Verlauf der Strecke ist an sich egal, doch jeder Stein, jede Steigung und Unebenheit wirkt sich auf das Fahrverhalten des Schlittens aus. Als Pausenspielchen im Büro ist Line Rider Freestyle bereits populär, warum also den Spaß nicht in aufpolierter Form auf die Minispielkonsole schlechthin bringen? Voila, fertig ist ein Vollpreistitel für die Wii.
Ab geht’s…
Wie eben schon erwähnt, lässt sich das Spielprinzip von Line Rider Freestyle in einem Satz zusammenfassen. Pisten bauen – und zwar so, dass der Schlittenfahrer auch lebendig unten ankommt. Egal ob im freien Spiel oder in der Kampagne mit vorgegebenen Herausforderungen, stets müsst ihr mit Linien, Rampen, Brems- oder Beschleunigungsstreifen eine Strecke irgendwie so fertig stellen, dass man sie befahren kann. Klingt simpel, ist es an sich auch, kann aber je nach Spielmodus durchaus knifflig werden. Mal steht nur wenig Bauplatz zur Verfügung, ein andermal sind nicht alle Teile nutzbar. Doch aufgrund einer unbegrenzten Anzahl an Versuchen besteht im Grunde keinerlei Druck, sodass mit genügend Tüftelei jede Strecke zu meistern ist. Die einzelnen Levels der Kampagne werden zudem mit gut gemachten Render-Videos verknüpft – sehr unüblich für ein Spiel dieser Art. Inhaltlich sind sie allerdings ziemlich belanglos. In altbekannter Tom & Jerry-Manier versucht der böse Konkurrent des heldenhaften Schlittenfahrers, ihm stets eine fiese Falle nach der anderen zu stellen. Und natürlich gehen diese Versuche immer nach hinten los. Nett anzusehen, aber nicht wirklich von Bedeutung, erwecken diese Videos eher den Eindruck eine Art Legitimation dafür zu sein, dass man ein eigentlich kostenloses Browsergame hier für 30€ verkauft.
Im freien Spiel können die Pisten nach Herzenslust gestaltet werden. Hoch oder weit, klassisch oder mit vielen Schikanen und Sprüngen. Hier stellt sich zeitweise sogar wieder das eingangs erwähnte Bridge Builder-Gefühl ein, wenn solange an einer Strecke getüftelt wird, bis der Schlittenfahrer heil hindurch kommt. Wer gar zu viel Zeit hat, kann auch aus diversen Zierobjekten wählen und den Hintergrund mit Bergen oder Bäumen tapezieren. Spielerische Auswirkungen hat das allerdings nicht und die Objektauswahl ist dabei auch nicht riesig, deckt aber das ab, was man von einer Berglandschaft erwarten kann. Und damit hat es sich eigentlich auch schon was den Inhalt von Line Rider Freestyle betrifft. Strecken bauen und fahren lassen. Wer die Kampagne durchspielt, wird je nach Spielweise rund fünf Stunden beschäftigt sein, ins freie Spiel wird man ebenfalls kaum mehr Zeit investieren, denn wirklich flüssig spielt sich das ganze leider nie. Und das hat einen simplen Grund: Die Steuerung! Man merkt Line Rider Freestyle einfach an, dass es ursprünglich ein PC-Spiel war, denn es ist von vorne bis hinten auf den Pointer als Mausersatz ausgelegt. Damit klickt ihr euch durch etwas fummelige und viel zu kleine Menüs, die mit einer Maus sicher leicht zu bedienen wären, am Fernseher aber nur Geduld und unnötiges Zielvermögen abverlangen. Zwar gibt es einige Shortcuts, die auf die Knöpfe der Wiimote gelegt wurden, wirklich intuitiv fühlt sich aber auch dieser Ansatz nicht an. Darüber hinaus gestaltet sich erwartungsgemäß auch das Malen per Pointer als schwierig, da die Hand mangels Unterlage keinerlei Feedback hat. Hier ist die zeitgleich erschienene DS-Version ihrem großen Bruder meilenweit voraus. Da jedoch eine simple Steuerung das A und O eines kleinen Pausenspielchens wie Line Rider Freestyle ist, geht dem Titel trotz des netten Spielkonzepts ein großes Stück Spielspaßpotenzial an genau dieser Stelle verloren.
Flash auf dem Fernseher
Grafisch sollte nicht viel erwartet werden, wenn es mit der Wii-Umsetzung eines Flashspiels zu tun hat. Und richtigerweise bekommt man auch nicht viel geboten. Abgesehen von den zuvor erwähnten, und wirklich schön gerenderten Zwischensequenzen, ist die eigentliche Spielgrafik arg bieder gehalten. Die Strecken bestehen in der Regel nur aus schwarzen Strichen, der Schlittenfahrer ist winzig und auch bei höherer Zoomstufe nicht sonderlich detailliert. Einzig die gezeichneten Hintergründe machen einen ganz hübschen, wenn auch nicht überragenden Eindruck. Hier sah schon Worms 2 seinerzeit deutlich besser aus. Musikalisch stellen die gebotenen Stücke ebenfalls kaum mehr als Hintergrundgeplätscher dar – immerhin nerven sie aber auch bei etwas längerem Spielen nicht.
Fazit
Line Rider Freestyle ist ein kleiner Titel und will eigentlich auch gar nicht mehr sein. Für 30€ wird leicht verdaulicher Knobelspaß ohne Riesenumfang oder tiefgehende Spielmechanik geboten. Doch bei einem solchen Spiel ist es dann umso wichtiger, dass die vorhandenen Elemente auch wirklich funktionieren und Spaß machen. Leider wird im Falle der Wii-Version der Spielspaß jedoch durch die träge und unnötig fummelige Steuerung in einer Art und Weise erschwert, die schon bald Sehnsucht nach der deutlich präziseren DS oder PC-Version erweckt. Als reines Pausenspielchen eignet sich Line Rider Freestyle somit bedingt, für längeres, entspanntes Spielen sollte aber doch lieber auf die kostenlose Flash-Version zurückgegriffen werden. Die kostet nix und geht dank Maus deutlich flotter von der Hand.
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