Testbericht: LEGO Harry Potter: Die Jahre 1 – 4
Wenn herauskommt, dass mal wieder ein neues Legospiel auf den Markt geworfen wird, dann sind die Reaktionen darauf sehr gemischt. Sie schwanken zwischen Hoffen („Oh bitte wie Indiana Jones“) bis hin zur Genervtheit („Oh nein, nicht wieder so ein Legomist …“). Ob Lego Harry Potter den Wunsch erweckt, die Entwickler mit Avada Kedavra in die Videospielehölle zu befördern, oder ob es sich um Klötzchenspaß vom Feinsten handelt, erfahrt ihr jetzt.
Zwischen Zaubertränken und Klötzchen
Okay, ich gebe es zu: Ich bin ein Harry-Potter-Fan. Keiner von denen, die verkleidet vor Buchläden auf das Erscheinen des neusten Bandes gewartet haben, aber doch genug um zumindest genervt die Augen zu verdrehen, wenn irgendein Muggel mir erzählt, er hätte nur die Filme gesehen, anstatt die Bücher zu lesen. Daher kommt mir die Gelegenheit mit Harry, Hermine, Ron und Co durch Hogwarts zu streifen doch sehr recht, auch wenn es nur in virtueller Legoform ist.
Viel zum Spielprinzip muss man kaum sagen, denn Klötzchenabenteuer gibt es seit Jahren. Egal ob Jedis, dunkle Ritter oder peitschenschwingende Archäologen, viele Helden wurden bereits ins Legokostüm gepackt und haben uns auf die Jump’n‘Run Steinchenjagd mitgenommen. Nur kurz für alle, die den Klötzchentrend verschlafen haben: Man nehme die fiktive Welt eines beliebten Franchise, baue sie mit Legosteinen nach und lasse die entsprechenden Helden dort ihre Abenteuer erneut mit einer Portion Witz und jeder Menge Steinchen neu erleben.
Auf nach Hogwarts
Gleich zu Anfang darf man nicht nur mit der titelgebenden Hauptfigur spielen, sondern auch mit dem Halbriesen Hagrid. Das Figurenwechselsystem zieht sich durch das gesamte Spiel und bietet eine große Bandbreite an Charakteren, mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Zaubergraden. Diese erstrecken sich von Schwebe-Zaubern, Beschwörungen gegen fiese Dementoren, Verwandlungen in Tiere, Zeitreisen oder Unsichtbarkeit bis hin zu kleineren Flüchen gegen unbeliebte Mitschüler.
In jedem Schuljahr lernt man neue Sprüche und die Zubereitung neuer Tränke. Die Figuren entwickeln sich so konstant weiter, was das Spiel spannend hält und immer wieder motiviert, da man konstant über Gegenstände stolpert, die zwar magisch sind, die man jedoch oft noch nicht erkunden kann.
Es gibt jede Menge Quests, die es ermöglichen weitere Figuren freizuschalten, Bonusmaterial zu bekommen und natürlich Studs zu sammeln. Wie in den anderen Legospielen gibt es hiervon nicht gerade wenige. Fast alles lässt sich zerlegen, in die Luft sprengen, drehen, usw. um an die kleinen Goldsteine zu kommen.
Harrys Welt bietet eine Menge Überraschungen, und ebenso viel zu entdecken.
Nimmt man sich tatsächlich vor, jedes einzelne Steinchen zu finden und jede mögliche Figur (inklusive wechselnder Outfits) freizuschalten, ist man erst mal eine ganze Weile beschäftigt. Über Kürze kann man sich bei diesem Titel nicht beschweren. Ob man natürlich Figuren wie „Junge aus Ravenclaw“ wirklich spielen will und Pseudo-Charaktere wie „Ginnys Stickjacke“ wirklich benötigt, das sei jedem selbst überlassen.
Wer einen übertriebenen Sammeltrieb hat, kommt hier jedenfalls voll auf seine Kosten.
Freunde und Feinde
Wie immer gibt es natürlich auch hier einen Koop-Modus inklusive Split-Screen, falls es die Figuren in verschiedene Richtungen zieht. Spielen können zwei Personen, auch wenn es sich fast angeboten hätte, noch einen weiteren Spieler zu ermöglichen, da man meistens mit dem goldenen Trio (Harry, Hermine und Ron) unterwegs ist. Das System funktioniert, mit echtem Partner etwas besser, als der computergesteuerten Figur, die manchmal nicht so ganz versteht, was man eigentlich von ihr will.
Bugs dieser Art gibt es ein paar. Die Kameraführung ist zeitweise eher schwerfällig. So ist es ab und an Zufall, wenn man plötzlich Studs einsammelt, die man in den versteckten Winkeln der Zauberschule gar nicht erst erkennen konnte. Auch bleiben die Figuren ab und an hinter Gegenständen stecken, bis man sie mühsam wieder befreit. Von der Friemelei beim Steinezusammenbauen, sich fortbeamenden Gegenständen oder den teils undankbar zu lenkenden Fahrzeugen (falls man Besen und Kürbisse als solche bezeichnen kann) will ich gar nicht erst anfangen …
Die Rätsel sind sehr einfach gehalten, machen jedoch Spaß und sind ziemlich abwechslungsreich. Dasselbe gilt für die diversen Kämpfe. Hat man erst mal raus, wie man einen Gegner besiegen kann, geht es ziemlich schnell.
Auf Erkundungstour in magischen Welten
Die Kulissen wurden sehr liebevoll nachgebaut. Wer die Bücher gelesen oder die Filme gesehen hat, wird einiges sofort wieder erkennen und sich an zahlreichen Details erfreuen. Legooptik trifft Comicstil, so lässt sich dieses neuste Machwerk von Traveller Tales am besten beschreiben.
Es macht Spaß durch die Gänge von Hogwarts, durch den verbotenen Wald oder die Winkelgasse zu streunen. Die Welt ist relativ frei. Während man auf einige Gebiete nur in bestimmten Levels zugreifen kann, besteht jedoch die Möglichkeit wieder andere, wie das Zauberschloss, komplett und ausführlich zu erkunden. Orte, die im ersten Jahr noch verschlossen waren, lassen sich im vierten Jahr mühelos erkunden. Die Streifgänge durch Hogwarts werden nicht langweilig.
Auch über die Musik kann ich nicht meckern. Sie erinnert an die Filmklänge, ist angenehm und nicht aufdringlich. Sie untermalt das Spiel passend, ohne jemals zu nerven.
Die Figuren „sprechen“ das gewohnte Lego-Kauderwelsch. Da aber wohl niemand, der die Geschichte nicht kennt, dieses Spiel anfassen wird, geht nichts von der Story verloren. Einige Teile wurden abgeändert, um das Spiel auf USK 6 und lustig zu trimmen. Außer in der Lego-Version gibt es wohl nichts zu lachen an der Szene, in der der kleine Zauberer als Waise auf einer Türschwelle ausgesetzt wird.
Der Slapstick-Humor funktioniert jedoch und trägt durchaus zum Spielspaß bei. Die hinzugefügten Szenen lassen sich gut spielen und vertiefen überraschenderweise sogar noch die Harry-Potter-Erfahrung.
Ein gutes Spiel muss keine Zauberei sein
Lego Harry Potter funktioniert. Viel mehr noch, es fesselt und macht richtig Spaß. Klar, es hat ein paar Kinderkrankheiten, aber jedoch genug Charme um diese gekonnt in Vergessenheit geraten zu lassen.
Von den bisherigen Legospielen gehört dieser Titel mit Sicherheit zu den Besten, läuft vielleicht sogar Gefahr Indy sein Lego-Krönchen abzunehmen. Wie bei allen vorherigen Reviews der Reihe muss ich sagen, dass das Rad hier natürlich nicht neu erfunden wurde, aber ich bezweifle, dass man das in diesem Genre überhaupt noch kann.
Fest steht, dass auch wenn sich der Titel eigentlich an jüngere Spieler richtet, so wird er Fans doch ans Herz wachsen. Wenn es schon keine Bücher mehr gibt, tröstet euch wenigstens damit Harrys Abenteuer mit ihm noch einmal zu durchleben. Es lohnt sich.
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