Testbericht: James Cameron’s Avatar: Das Spiel
Dass es zu einem großen Blockbuster aus dem Kino mittlerweile standardmäßig die dazugehörige Videospielumsetzung gibt, ist nicht mehr neu. Von daher wird sich auch niemand darüber wundern, dass „James Cameron’s Avatar“ ebenfalls das Vergnügen zuteilwird in spielerischer Form auf die aktuellen Konsolen zu wandern. Wir haben für euch den Planeten Pandora erforscht und verraten euch, was das Game taugt.
Alte, neue Geschichte…
Mit James Cameron’s Avatar: Das Spiel möchte der Software-Riese Ubisoft beweisen, dass Filmumsetzung nicht per se immer grottenschlecht sein müssen. Dummerweise macht aber Avatar genau dieselben Fehler, wie schon hunderte andere Filmumsetzungen davor. Aber am besten immer der Reihe nach. An sich bietet der Actionstreifen des Titanic-Regisseurs ja eine tolle Vorlage. Die Menschen invasieren den fremden Planeten Pandora und plündern dort den seltenen Rohstoff Unobtanium, der mit einem Wert von mehreren Millionen Dollar pro Kilo natürlich für die raffgierigen Erdenbewohner besonders interessant ist. Doch die Menschen haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Pandora wird nämlich von knapp drei Meter großen, humanoiden Kreaturen bewohnt, den so genannten Na’vi. Diese blauhäutigen Ureinwohner leben im Einklang mit der Natur und sind natürlich nicht begeistert von dem, was die Menschen mit ihrem Planeten vorhaben. Die Geschichte ist somit vom Grundprinzip her nicht wirklich neu, wurde für die Kinoleinwand aber spannend und vor Effekten nur so strotzend umgesetzt. Leider erfährt man diese Hintergrundgeschichte jedoch nicht wie man es vermuten sollte am Anfang des Spiels. Nach dem Laden der Disc findet ihr euch im Hauptmenü wieder, wo ihr euch direkt in die Kampagne stürzen dürft. Dort führt euch eine kurze Textbox in die Geschichte ein und erklärt euch, dass ihr den Na’vi-Krieger Rai’uk steuert, der die von ihrem Volk gestohlenen Artefakte wieder beschaffen möchte und gegen die Menschen in den Krieg zieht.
Im Gegensatz zur Version auf den HD-Konsolen, wo ihr euch zwischen den Fronten der Na’vi sowie den Menschen entscheiden dürft und somit die Wahl aus verschiedenen Missionen habt, bekommt ihr auf der Wii automatisch die Rolle des blauen Na’vi-Kriegers Rai’uk zugeteilt. Entgegen dem sehr kampflastigen Action-Gameplay der HD-Varianten setzt man in der komplett eigenständig entwickelten Wii-Version dagegen auf eine Mischung aus Action- und Stealth-Elementen. Ihr schleicht euch somit durch das hohe Gras des dichten Dschungels und versucht die feindlichen RDA-Soldaten möglichst aus dem Hinterhalt zu erledigen. In einer Art Metal Gear Solid-Light stehen euch dabei allerdings nur begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung. Ihr werdet mit einem Ausruf von Rai’uk vorgewarnt, sobald sich Soldaten in der Nähe befinden und euer Protagonist duckt sich und schleicht automatisch, damit er nicht gesehen wird. Im hohen Gras, hinter Kisten und auf höheren Plattformen könnt ihr euch verstecken. Habt ihr euch nahe genug an eure Kontrahenten heran geschlichen, dürft ihr sie aus dem Hinterhalt mit einem Quick Time Event samt kurzem Wiimote-Einsatz bezwingen. Im Nahkampf kommt dabei euer Kampfstab zum Einsatz, während ihr ab dem zweiten von insgesamt 13 Levels auch auf Pfeil und Bogen zurückgreifen dürft, um Feinde aus der Distanz zu erledigen. Erlittenen Schaden heilt ihr dank der heimischen Vegetation auf Pandora, da euch bestimmte Pflanzen etwas Energie spenden. Segnet ihr dennoch das Zeitliche, dürft ihr an einem der zahlreich gesetzten Checkpoints das Spiel wieder aufnehmen.
Neben dem Besiegen der gegnerischen Soldaten stehen auch die Eroberung der menschlichen Basislager, das Befreien von einheimischen Kreaturen sowie das Ausschalten von Bewegungsmeldern auf dem Programm. Die anfangs vermittelte Abwechslung geht jedoch schnell flöten und man merkt, dass sich die an den Spieler gestellten Aufgaben schnell wiederholen. Da sich im Laufe des Spiels Erfahrungspunkte sammeln lassen, erhält Avatar einen minimalen RPG-Touch. Ihr könnt so nämlich in einem kleinen Fertigkeitsbaum nicht nur eure Waffen, sondern auch euren Charakter selbst aufleveln. Die spielerischen Unterschiede sind allerdings derart marginal, dass es sich kaum lohnt, die Verbesserungen freizuschalten. Zudem rüstet euch das Game automatisch mit der jeweils besten Waffe aus. Mehr Abwechslung ins Spiel bringen da schon die Missionen, in denen ihr auf den Rücken eines Banshee steigt. Bei einem Banshee handelt es sich um einen Riesenvogel aus Pandora, der sich mit seinen mächtigen Schwingen in die Lüfte erhebt und somit ein wenig an Segas Klassiker Panzer Dragoon erinnert. Trotz dieser seltenen Flugeinlagen wirkt das Gameplay in Avatar bereits nach kurzer Zeit ziemlich repetitiv und ermüdend. Dass nach knappen sechs Stunden alles vorbei ist und der Abspann über den Screen flackert, ist ebenfalls etwas schade und zeigt, dass die Videospielumsetzung wohl mit heißer Nadel gestrickt wurde, um rechtzeitig vor dem Kinostart fertig im Laden zu stehen.
Außer Kontrolle?
Dies merkt man in erster Linie auch an der Steuerung selbst, die in einigen Punkten nicht wirklich durchdacht wirkt. Rai’uk wird mit dem Analogstick des Nunchuk gesteuert, was soweit noch normal ist. Allerdings darf euer blauer Naturmensch nicht immer springen, wenn ihm danach ist. Das funktioniert unter Einsatz des A-Buttons nur an bestimmten Stellen. Woanders hechtet ihr in einer Rolle nach vorne oder erklimmt Wände. Dies hat zur Folge, dass sich euer Protagonist extrem steif steuern lässt und ihr euch aufgrund dieser starren Steuerungsvariante innerhalb der eigenen Welt gefangen fühlt. Der Kampfstab selbst wird durch ein Schwingen der Wiimote zum Einsatz gebracht, wobei zwischen horizontalen, breit gefächerten Schlägen und vertikalen, schweren Einzelhieben unterschieden wird. In der Praxis fuchtelt euer Na’vi-Krieger jedoch meist ohne Kontrolle mit seinem Stab um sich. Da sich eure Kontrahenten meist schnell erledigen lassen ergibt sich dadurch zwar nicht unbedingt ein spielerischer Nachteil, ärgerlich ist es aber trotzdem, wenn die Gestiken nicht korrekt erkannt wird. Der B-Button dagegen lässt euch Pfeil und Bogen zücken, um mittels Pointer euren Gegner aus der Distanz anvisieren zu können.
Erwähnt werden muss auch die Steuerung auf dem Rücken des Banshee. Dort kommen nämlich die Bewegungssensoren des Nunchuks zum Einsatz und lenken euren großen Vogel zwar ein wenig schwammig, aber dennoch zufrieden stellend durch die Abschnitte. Mit einem Balance Board unter den Füßen lässt sich der gefiederte Geselle ebenfalls steuern, was allerdings ein wenig träger vonstattengeht. Auch an die Besitzer von Wii MotionPlus wurde gedacht. Mit diesem Aufsatz darf man an bestimmten Stellen eine Wespe zu Hilfe rufen und mit ihr die Gegend erkunden. Einen spielerischen Mehrwert hat man davon nicht, die Steuerung an sich funktioniert allerdings recht passabel. Ein „Jump in“-Koop Modus soll den Spielspaß auch für einen zweiten Spieler sichern, was allerdings nicht wirklich gelingt, da hierbei schnell die Übersicht flöten geht. Größere Zwischengegner werden übrigens mittels Quick Time Events aus dem Weg geräumt, was ebenfalls schon lange nichts Neues mehr ist.
Fremde Welten…
Neu dagegen ist der Planet Pandora – zumindest rein theoretisch. In der Praxis haben wir es mit einer grünen Dschungellandschaft zu tun, die mit üppiger Vegetation zu überzeugen weiß. Matschigen Texturen finden sich nur selten, die Flora und Fauna erstrahlen in größtenteils kräftigen Farben. Auch euer blauer Na’vi-Krieger ist auf den ersten Blick ansprechend modelliert und weist einige ansehnliche Animationen auf. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die vielen Clippingfehler, die sich beim Klettern oder in der Nähe von Felsen und Wänden immer wieder einstellen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Levels selbst eher schlauchförmig gestaltet sind und somit die festen Wege quasi vorgegeben wurden. Dies schränkt nicht nur euren Erkundungsdrang ein, der in einer fremden Welt wie Pandora sonst hätte aufkommen können. Auch die Tatsache, dass ihr euch abgesehen von den Flugabschnitten und den Arealen mit menschlichen Lagern immer im grünen Dschungel befindet, trägt nicht gerade zur optischen Abwechslung bei. Zwischensequenzen aus dem Film sucht man komplett vergeblich. Von daher ist man auch ziemlich überrascht, dass statt der üblichen Bildtafeln nach über der Hälfte des Spiels unvermittelt eine Cutscene die Geschichte weiter erzählt.
Richtig schlimm und damit mit Abstand der größte Kritikpunkt in Sachen Technik ist die Kamera. Selten habe ich eine derart störrische Kamera in einem 3rd Person-Adventure erlebt. Immer wieder kommt es vor, dass euch die Kamera den Blick auf das Spielgeschehen total verweigert. Anstatt eure Gegner im Blickfeld zu haben, die euch gerade entdeckt haben und aus allen Rohren auf euch ballern, betrachtet ihr den Felsbrocken hinter euch. Tolle Wurst. Wenn in so einem Moment dann auch noch trotz Steuerungsmöglichkeit der Kamera über das Digikreuz diese ihren Dienst versagt und einfach nicht reagiert, ist der Ärger vorprogrammiert. Hier merkt man deutlich, dass der notwendige Feinschliff fehlt, was zu Lasten des Spielspaßes geht und dem Titel deutlich Punkte kostet. Dies macht sich auch in der KI bemerkbar. Wenn ihr mangels der funktionierenden Bewegungserkennung in einem Quick Time Event von einer Gruppen an Soldaten entdeckt werdet, braucht ihr euch nur für einige Sekunden wieder im hohen Gras zu verstecken. Schnell haben die RDA-Truppen vergessen, dass es euch überhaupt gibt und gehen weiter munter ihre Wege. Alzheimer lässt grüßen.
Der Sound dagegen bewegt sich auf einem vergleichsweise guten Niveau. Die Effekte aus dem Dschungel untermalen passend das Geschehen und erschaffen eine dichte Atmosphäre. Das komplette Game wurde deutsch synchronisiert, wobei die Sprecher einen recht guten Job machen. Störend ist nur die Tatsache, dass die Kommentare der feindlichen Soldaten teils etwas dumpf und genuschelt aus dem Lautsprecher tönen.
Fazit
Aufgrund der Vorlage hätte James Cameron’s Avatar: Das Spiel eigentlich ein tolles Spiel werden können. Leider beweisen aber die vielen Mängel im Detail, dass man unter Zeitdruck zusammen geschusterte Filmumsetzungen immer mit Vorsicht genießen sollte. Die anfangs tolle Optik offenbart bald genauso ihre Schwächen wie die mit einigen Macken besetzte Steuerung. Zusammen mit dem geringen Umfang, dem linearen Spielverlauf und der katastrophalen Kameraführung gibt es nicht viel, was für den Kauf des Titels spricht. Die Flugabschnitte auf dem Riesenvogel und der Sound wissen nämlich durchaus zu gefallen, eine gelungene Videospielumsetzung eines Blockbusters braucht aber definitiv mehr als nur das.
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