Testbericht: Final Fantasy Crystal Chronicles: My Life as a King
Die Esper sind eure Nachbarn, Sin euer Haustier? Ihr wollt Pilot werden, tragt den Künstlernamen Cid und schmiert euch jeden Morgen mit Sephiroth‘ Brotmesser die Pausenstulle? Dann scheint genau ein WiiWare-Titel gerad zu prädestiniert für euch zu sein. Denn pünktlich zum Start des neuen Downloadservices schicken Square Enix einen Titel ihrer Übermarke „Final Fantasy“ auf die Jagd nach euren Wii Points. Was sich letztlich hinter dem verheißungsvollen Namen verbirgt, haben wir für euch genauer unter die Lupe genommen.
Der Schuss in den Ofen
Nintendo und die Final Fantasy-Reihe verbindet eine lange Geschichte, die einst in ungetrübtem Glanz erstrahlte. Nachdem der japanische Kultentwickler (Square, nicht Nintendo) sechs erfolgreiche Spiele auf den Heimkonsolen des japanischen Traditionsentwicklers (jetzt ist Nintendo gemeint) veröffentlicht hatte, schrieen die Fans auf, als mit der Entwicklung des siebten Teils diese Zusammenarbeit jäh endete. Nach einem Geschäftsstreit Mitte der Neunziger gingen beide Firmen getrennte Wege, kurz nachdem Nintendo seinen damals ärgsten Feind – die Playstation – selbst erschaffen hatte. Es war eine dunkle Stunde für die Mario-Väter – und die Geburtsstunde des Final Fantasy-Mythos in unseren Breitengraden. Seit die 3D-Abenteuer auch in Europa erschienen, mauserte sich die Marke zum Inbegriff für die Symbiose aus Grafik, Musik, Story und Atmosphäre. Und während Sony-Jünger Midgard oder Spira retteten, schauten Nintendo-Fans in die Röhre … bis, ja, bis unter dem neuen Firmenchef Satoru Iwata Anfang des 21. Jahrhunderts die Gespräche mit Square Enix wieder aufgenommen wurden. Die erste Frucht dieser neuen Freundschaft hieß Final Fantasy: Crystal Chronicles, erschien auf dem Gamecube und war kein offizieller Teil der Reihe, sondern mehr ein auf Multiplayerpartien ausgelegtes Spin-off.
Obwohl das jetzt für WiiWare erschienene Final Fantasy Crystal Chronicles: My Life as a King einen sehr ähnlichen (und noch dazu verdammt langen) Namen trägt, hat es mit dem GC-Abenteuer nicht viel gemeinsam. Ebenso wenig wie mit jedem anderen Final Fantasy zuvor. Denn hier handelt es sich tatsächlich um waschechte Aufbaustrategie!
Hör auf den Kristall
Für satte 15 Euro taucht ihr mit eurem selbstbenannten König ein in eine Welt nach dem Zerfall. Was genau passiert ist, weiß niemand so richtig. Fest steht nur, euer altehrwürdiger Vater ist nicht mehr – und mit ihm sein Königreich. Mit euren treuen Begleitern Chime und Hugh Yurg seid ihr eine gefühlte Ewigkeit umher gestreift, auf der Suche nach dem gelobten Land und der Möglichkeit für einen Neuanfang. Und weil das Spiel sonst sehr langweilig wäre, werdet ihr pünktlich zum Intro auch fündig! Eine ausgestorben wirkende Stadt, von der nur noch die Grundmauern existieren, erscheint am Horizont. Schnell ist klar: Das wird das neue Königreich. Praktischerweise befindet sich dort sogar ein riesiger, sprechender Kristall, der euch erklärt, dass ihr mittels der magischen Fähigkeit „Architek“ euer Reich wiedererschaffen könnt. Na dann – auf geht’s!
Die Hintergrundstory von MyLlife as a King verdient sicherlich keinen Innovations- oder Logikpreis, sondern ist viel mehr Mittel zum Zweck um euch in Aufbaulaune zu versetzen. Ziel des Spiels ist die Erschaffung und Verwaltung einer Stadt, auch wenn es sich hierbei um eine Art Endlosspiel handelt, es also kein wirkliches Ende gibt. Die Möglichkeiten dazu sind zunächst noch arg beschränkt, mit Hilfe eurer Beraterin Chime könnt ihr lediglich normale Wohnhäuser auf vorgegebene Flächen stellen, aus denen dann erstaunlicherweise sogar die ehemaligen Bewohner der Königreichs wieder herauskommen. Auf diese Weise erschafft ihr mit wenigen Klicks die ersten Strukturen eurer Stadt. Doch schon bald wird klar, dass es doch nicht ganz so einfach wird und auch ein großer, magischer, sprechender Kristall entsprechend gefüttert werden will. Um den zügigen Wiederaufbau auch finanzieren zu können seid ihr nämlich primär von zwei Faktoren abhängig: Elementite und Geld. Während Letzteres nach und nach per brave Steuerzahlung in eure Kasse kommt, müssen die Elementite hart erarbeitet werden. Dabei handelt es sich um eine Art Kristallfragmente, die eure Architek-Magie nähren. Der Ausdruck „hart erarbeitet“ stimmt allerdings nur zur Hälfte … sicher, man bekommt den Rohstoff nur, wenn man Quests erfüllt, Monster verkloppt oder ähnliches. Nur macht das nicht ihr, sondern eure Untertanen. Als kindlicher Stadtverwalter bekommt ihr schon bald Zugriff zu verschiedenen Aufträge, die ihr in eurer Stadt inserieren könnt und auf die sich hoffentlich fähige Abenteurer melden. Habt ihr euch für einen eurer Bürger entschieden, begibt dieser sich auf seine Mission und kehrt hoffentlich wohlbehalten mit dem begehrten Elementite wieder zurück. Ihr selbst habt darauf keinen Einfluss, denn obwohl die Stadttore sperrangelweit offen stehen, bewegt sich eurer König niemals außerhalb seiner Mauern. Kämpfe, erkunden, die ganze Abenteuerschiene gibt es also nicht, erfüllte Missionen eurer Bürger werden euch lediglich in Form von Text und Statistiken angezeigt.
Habt ihr sodann aber letztlich die nötigen Ressourcen gesammelt, zaubert ihr Häuser, Parks, Gaststätten oder Märkte wie aus dem Nichts herbei. Hierzu lauft ihr selbst von Baustelle zu Baustelle und wählt in simplen Kontextmenüs die entsprechenden Gebäude aus. Dann noch flugs den Bauplatz bestimmt und wenige Augenblicke später steht das Prachtstück. Wenn der Aufbau erstmal so richtig in Fahrt kommt, versprüht das WiiWare-Final Fantasy einen enormen Reiz. Aus allerlei Gebäudeklassen kann gewählt werden, Forschung wird betrieben, durch Gespräche mit den Bürgern und den geschickten Einsatz eurer Abenteurer steigert ihr deren Laune und ein Gefühl von kleinstädtischer Wuselei macht sich breit. Am Ende eines jeden Tags informiert euch eure Beraterin Chime über die aktuellen Werte, Finanzen und Technologien eurer Stadt, so dass ihr regelmäßig erfahrt, wo Handlungsbedarf herrscht. Ja … und das war’s dann eigentlich auch. Ihr baut, forscht, verteilt Missionen, später beispielsweise auch Jobs, doch je besser eure Stadt ausgebaut ist, desto weniger gibt es irgendwann zu tun. Zwar macht es immer wieder Spaß, hier und da die Stadtplanung zu verbessern, doch schon nach wenigen Stunden habt ihr eigentlich alles gesehen. Durch den Verzicht auf eine echte Infrastruktur oder Waren- und Handelswege fehlt dem Titel der Tiefgang einer „echten“ Aufbausimulation wie etwa den Siedlern. Zwar gibt es regelmäßige Aufgaben, wie etwa den Plausch mit den Bürgern, doch artet das schon bald eher in Pflicht als in Vergnügen aus. Zudem sind die Dialoge meist wenig inspiriert und obendrein komplett in Englisch. Schade, denn dem anfänglichen Baurausch fehlt es somit am Ende an Langzeitmotivation aufgrund zu weniger Aktionsmöglichkeiten. Hätte man den Stadtverwaltungspart noch ein wenig ausgebaut, hätte sich auch die Spielzeit leicht vervielfachen können.
Hübsche Mütze auf hässlichem Boden
Technisch machte Final Fantasy Crystal Chronicles: My Life as a King schon im Vorfeld immer wieder von sich reden. Zwar steckt der Titel die Messlatte auf Nintendos weißem Toaster keineswegs höher, für ein WiiWare-Spiel wurde hier aber ordentliches geleistet. Die Charaktere sind allesamt ansehnlich gestaltet und texturiert, die Effekte nett gestaltet und der Stil in sich stimmig, wenn auch über alle Maßen knuddelig. Dagegen präsentiert sich die eigentliche Stadt allerdings gerade anfangs als trister, grauer Haufen ohne wirkliche Details und mit niedrig aufgelösten Texturen. Unterm Strich lässt sich daher sagen, je weiter der Ausbau voran getrieben ist, umso hübscher wird auch das Spiel. Zwar ist hier weder von hohen Polygonzahlen oder Shaderspielereien die Rede, doch das Gesamtbild durchaus erträglich und stiehlt so manchem Vollpreistitel die Schau. Schade ist jedoch, dass die Bewohner keinen wirklichen Tagesabläufen nachgehen, sondern meist einfach nur unmotiviert durch die Gegend laufen.
Akustisch geht es eher dezent zu. Die seichten Melodien plätschern meist unbemerkt im Hintergrund, in den wenigen Storysequenzen gibt es aber durchaus auch Stücke mit Wiedererkennungswert. Sprachausgabe fehlt bis auf ein paar simple Laute dafür vollständig.
Trotz alledem lässt sich der Titel zu jeder Zeit einwandfrei spielen – wahlweise nur mit Remote, mit Nunchuk-Kombi oder mit dem Classic-Controller. Zu empfehlen sind allerdings insbesondere die beiden letzten Varianten, da die Steuerung eures Königs per Digitalkreuz in der 3D-Welt an die Zeiten des allerersten Playstation-Pads erinnert. Die eigentlichen Funktionen sind simpel und wenig zahlreich. Der A-Knopf dient zum Bestätigen, B zum Abbrechen oder auch Justieren der Kamera. Per leichtem Schütteln oder Minusknopf ruft ihre eure Helferin Chime herbei, über deren Menü ihr Zugriff auf alle wichtigen Aktionen in der Stadt habt. Auf die Pointerfunktion wird allerdings – auch in den Menüs – vollständig verzichtet.
Fazit
Final Fantasy Crystal Chronicles: My Life as a King einzuordnen, fällt letztlich gar nicht so leicht. Der Titel gehört definitiv zu den Guten im WiiWare-Startkatalog und versprüht über eine gewisse Zeit einen enormen Reiz. Allerdings mangelt es der Aufbausimulation an Tiefgang und Langzeitspaß, irgendwann hat man einfach alles gesehen und die wenigen, wiederkehrenden Aufgaben sind meist keine große Herausforderung. Zwar können bereits vom Start weg zusätzliche Spielinhalte herunter geladen werden, allerdings nur gegen extra Bezahlung – wer sich das ausgedacht hat, gehört Ultima Weapon zum Fraße vorgeworfen, denn mit allen Zusatzinhalten zahlt man locker nochmal den Kaufpreis des Spiels. Und da es sich dabei auch in erster Linie nur um neue Gebäude oder Missionstypen handelt, ist die Dringlichkeit einer solchen Anschaffung mehr als fragwürdig.
Unterm Strich bleibt also ein solider Starttitel, der definitiv zu unterhalten weiß, jedoch auf Dauer zu wenig bietet und dessen fragwürdige Preispolitik jeder für sich selbst abschätzen muss.
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