Testbericht: FIFA 10
Das Jahr neigt sich langsam aber sicher dem Ende, da ist es traditionsgemäß wieder Zeit für einen neuen Teil der Fußballreihe „FIFA“ aus dem Hause Electronic Arts. Mit „FIFA 10“ räumt der Hersteller bereits auf den anderen Systemen mächtig ab, aber welche Schusskraft besitzt der Wii-Ableger? Wir haben die Stutzen angelegt und sind für euch mit dem runden Leder aufs Spielfeld gelaufen!
Zeit, dass sich was dreht!
Aufmerksame Leser und Freunde der FIFA-Reihe auf Wii werden wissen, dass der Qualitätsunterschied zwischen FIFA 08 und FIFA 09 All-Play enorm groß war, was sich bei uns in der Wertung mit einer Steigerung von 6.5 auf 8.5 bemerkbar gemacht hat. Konsequenterweise sollte man daher meinen, dass der neuste Teil nochmals eine Schippe drauflegt. Weit gefehlt, zumindest vom Standpunkt der Fußballsimulationsfreunde aus betrachtet. Aber fangen wir am besten vorne an …
Bereits im vergangenen Jahr implementierten die Jungs von EA die sogenannte „All-Play“-Option in all ihren Wii-Sportspielen. Hierdurch sollen durch simpelste Steuerung und teils automatischer Abläufe auch unerfahrene Spieler einen Zugang zu den Spielen erhalten. Glücklicherweise handelte es sich hier jedoch lediglich um eine Option. Wer simulationslastig auf klassische Art und Weise spielen wollte, der konnte dies tun – auch mit Classic- oder Gamecube-Controller. Im aktuellen Teil hingegen wurde einiges umgeschmissen. Die „All-Play“-Steuerung ist zwar nach wie vor optional, jedoch verlieh man dem gelungenen Vorjahres-Gesamtkonzept nicht etwa den erhofften Feinschliff, sondern strickte das komplette Spiel um. Anstatt einer möglichst realitätsnaher Präsentation der Rasenkickerei, verpasste man stattdessen dem Ganzen einen Comic-Look und konzentrierte das Spielgeschehen auf Arcade-lastige Elemente – unnatürliche Schüsse und Pässe, welche teils in extremer Slowmotion in Szene gesetzt werden.
Werfen wir nun einen Blick auf die Spielmodi. Hier gibt es zunächst die Möglichkeit ein schnelles Spiel zu spielen – zwei Teams aussuchen, Spielanzahl und Trikotfarben, eventuell noch die Aufstellung anpassen und ab geht es aufs Spielfeld. Wer bereit für höhere Aufgaben ist, der wird im Karriere- sowie Saison-Modus fündig. Das Herzstück dabei zweifelsohne die Karriere als Trainer, dem sogenannten „Weg zum Ruhm“. Hier lässt sich zunächst eine beliebige Mannschaft aus den unzähligen Lizenzen auswählen. Der Kader darf dann mittels Transfers optimiert werden, eine Aufstellung muss gefunden werden und dann kann die erste Saison als neuer Trainer beginnen. Wer mag, der kann jedes einzelne Spiel selbst spielen, auch möglich ist dabei jedoch die Simulation, was dann tatsächlich eher einem klassischen Manager-Spiel entspricht. Vor jedem Spiel muss jedoch ein Ziel gesteckt werden, etwa „Diesmal kassieren wir nicht mehr als zwei Gegentore“ oder „Der Gegner ist zwar stark, wir gewinnen dennoch mit vier Toren Vorsprung“. Dabei sind jedes mal drei Auswahlmöglichkeiten, die je nach Schwierigkeit unterschiedliche Punkte einbringen. Wird das auserkorene Ziel gemeistert, so erhält der gesamte Kader die entsprechende Punktzahl auf die Gesamtstärke obenauf – sollte das Ziel jedoch verfehlt werden, so werden die Punkte abgezogen. Weiterhin besteht die Möglichkeit nach den Spielen die sogenannten Boosts zu erhalten. Diese fallen unterschiedlich aus, beispielsweise ein Pass-Boost oder ein Schuss-Boost, aber auch die Spielzeit der Halbzeiten kann durch einen Boost verlängert werden. Diese Boosts können dann jeweils beim nächsten Spiel eingesetzt werden um gewisse Mannschaftsteile zu stärken – allerdings dürfen maximal zwei Boosts zum Einsatz kommen und für jedes Spiel neu gewählt werden.
Nicht ganz so umfangreich ist der Saisonmodus, hier fallen Transfers und Boosts etc. komplett weg. Hier wird lediglich ein Team ausgewählt, mit dem dann eine komplette Saison lang gespielt werden darf. Wer übrigens der Meinung ist, dass etwas Training gut für die virtuelle Ballbehandlung sei, der darf im Trainingsmodus entweder ein Spiel auf ein Tor simulieren oder auch einzelne Standardsituationen intensivieren – Freistöße, Ecken und Elfmeter stehen dabei zur Auswahl. Ist man der Meinung, reif für Spiele gegen andere Spieler auf der Welt zu sein, so frohlockt der Onlinemodus.
Im Onlinemodus wird nach EA-Tradition nicht auf Freundescodes gesetzt, sondern das eigene „EA Nation“-System kommt dabei zum Einsatz. Praktisch ist, wer bereits ein Konto auf seiner Wii im Vorgänger-Teil eingerichtet hatte, der kann diesen auswählen und direkt loslegen. Möglich ist dabei ein Spiel mit Ranglistenwertung oder auch ohne auszuführen. Entweder lässt man sich hierbei einen Spieler zulosen oder man wählt aus der Freundesliste seines „EA Nation“-Accounts einen Gegenspieler aus. Auch möglich ist der Einsatz eines zweiten Mitspielers an der eigenen Konsole, sodass also gemeinsam online gespielt werden kann. In unseren Testspielen funktionierte das Matchmaking rasant und auch das eigentliche Spiel war absolut flüssig spielbar. Dies sei an dieser Stelle lobenswert genannt!
Steuerung
Wie bereits erwähnt, wurde auch in FIFA 10 die „All-Play“-Option integriert, sodass der Spieler lediglich mit einer Wii Remote ausgestattet spielen kann. Dabei ist der Fokus auf Passen, Tackling und Schuss gelegt – alles Weitere erfolgt mehr oder minder automatisch. Der erfahrene Fußballfreund hingegen hat die Möglichkeit aus zwei weiteren Steuerungsvarianten zu wählen. Mit Remote und Nunchuk erfolgt die Steuerung der Spieler mittels Analogstick. Per Buttons kann dann gepasst, geflankt und getackelt werden. Mittels D-Pad führt der Spieler Tricks aus, beispielsweise einen Übersteiger. Der eigentliche Torschuss wird per Remote-Geste ausgeführt, ebenfalls eine Grätsche.
Wer es hingegen lieber absolut klassisch mag, der darf zum Classic Controller greifen. Hier wurden alle Aktionen auf die Tasten gelegt, wobei das Button-Mapping sogar den HD-Versionen entspricht, sodass man sich schnell zurecht findet. Leider nicht mehr unterstützt wird der Gamecube-Controller.
Insgesamt funktioniert die Steuerung wirklich gut. Die Bewegungen mittels Remote waren bereits schon aus den Vorgängern bekannt, jedoch wird diesmal auf Richtungserkennung verzichtet – wer schießen will, der schwingt die Remote einfach schnell in eine beliebige Richtung, der Ball geht automatisch gen Tor. Standardsituationen erfolgen allesamt einem gleichen Schema – der Spieler am Ball bewegt die Remote während des Anlaufs möglichst kurz vor dem Abschuss, damit der Schuss besonders stark ausgeführt wird. In der Luft verfärbt sich der Ball an einer Stelle kurzzeitig grün – jetzt heißt es in dieser „Grünphase“ eine Aktion auszuführen, damit der Ball, beispielsweise per Kopf im richtigen Timing getroffen wird.
Grafik und Sound
Wie anfangs bereits beschrieben, wurde der komplette Look von FIFA 10 nun comicartig umgesetzt. Die Spieler sind teilweise dennoch ihren Vorbildern gut nachempfunden, wenn auch dadurch in eher karikierter Form. Auffällig wird dieser Look natürlich meist dann, wenn die Kamera sehr nah an den Spielern ist, im eigentlichen Spielfluss hingegen fällt der Look nicht sonderlich auf. Jedoch scheint das Drumherum, sprich das Stadion, die Zuschauer und alle Details wie Banden, Mikrofone etc. deutlich detailarmer zu sein. Hierdurch entsteht eine gewisse sterile Spielatmosphäre. Die Menüführung wurde hingegen sehr ansehnlich gestaltet, auch wenn sich hier natürlich ebenfalls der Comic-Look widerspiegelt. Dennoch, die großzügigen Buttons in den Menüs des Spiels sind für die Pointerfunktion der Remote einfach optimal. Unter dem Strich muss man EA zugute halten, dass der Titel wie aus einem Guss in diesem neuen Stil daherkommt, jedoch auf der anderen Seite spricht man dadurch zweifelsohne eine komplett andere Zielgruppe an.
Der Sound des Spiels erlitt einen großen Einschnitt, denn die „EA Tracks“, sprich lizenzierte Songs mehr oder weniger bekannter Künstler wurden komplett entfernt. Zu hören bekommt man stattdessen belanglose Instrumentalstücke. Auf Kommentatoren wurde hingegen nicht verzichtet, weiterhin geben die beiden bekannten Sprecher zum Spielgeschehen ihren Senf ab. Etwas störend dabei, dass man den Spieler „Arango“ von Borussia Mönchengladbach mit seinem tatsächlichen Nachnamen „Sáenz“ anspricht – völlig untypisch und zu Beginn verwirrend. Die übrigen Soundeffekte, allen voran die Fans im Stadion, können sich durchaus hören lassen und tragen ihren Teil zur Atmosphäre bei.
Fazit
Mit FIFA 10 geht Electronic Arts völlig davon weg, die große HD-Version des Spiels mit den Möglichkeiten der Wii umzusetzen, wie es noch in den letzten Jahren der Fall war. Stattdessen geht man nun durch den Comic-Look und dem Arcade-lastige Gameplay an eine ganz andere Zielgruppe heran. Ein möglichst leichter Einstieg und eine unkomplizierte Art und Weise ein Fußballspiel an der Konsole spielen zu können. Was mit „All-Play“ begann, wurde hier konsequent weitergeführt und macht den Titel unter dem Strich für eingefleischte Freunde der FIFA-Reihe leider ziemlich uninteressant. Sehr schade, hatte der letztjährige Teil doch noch recht große Hoffnungen gemacht, so taugt die aktuelle Version lediglich zum kurzen (Online-)Kick für zwischendurch. Immerhin muss man EA zu Gute halten, dass ein in sich stimmiges und solides Gesamtpaket abgeliefert wurde, nur entspricht dies nicht unbedingt den Erwartungen, welche man an die Serie stellt.
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