Testbericht: Family Trainer
Mit „Wii Fit“ hat Nintendo einen Verkaufserfolg gelandet. Millionenfach ging das Fitnessgame mit dem dazugehörigen Balance Board nun schon über die Ladentheken und immer wenn ein Produkt einen solch immensen Erfolg hat, sind die Nachahmer nicht weit. Bereits wenige Monate nach der Ankündigung von „Wii Fit“ zur letztjährigen E3 präsentierte Namco Bandai auf der Tokyo Game Show ihren „Family Trainer“, das damals noch den Namen „Active Life: Athletic Word“ trug. Mittlerweile ist der Titel in unseren Breitengraden gelandet, wobei Atari hierzulande die Funktion des Publishers übernommen hat. Was es mit dem „Family Trainer“ genau auf sich hat und ob es an den Erfolg von „Wii Fit“ wird anknüpfen können? Wir haben für euch geschwitzt, trainiert und es herausgefunden.
Retro-Flair
Namco Bandais Family Trainer ist eine zwiespältige Angelegenheit. Auf der einen Seite erweckt der Titel den Eindruck, als habe man es hier mit einem Konkurrenzprodukt von Nintendos Wii Fit zu tun. Auf der anderen Seite muss man sich nur einmal das beiliegende Peripheriegerät betrachten und schon werden ganz andere Assoziationen wach. Der Family Trainer kommt nämlich in einem großen Karton daher, in welchem sich neben dem Game selbst noch eine Matte befindet, auf der gespielt wird und die man an den ersten Gamecube-Port der Wii anstöpselt. Dance Dance Revolution von Konami lässt grüßen – doch hatten wir so etwas nicht schon früher einmal? Richtig, die älteren Semester unter den Lesern werden sich erinnern. Im Zuge des Aerobic-Wahns Mitte der Achtziger war es Nintendo, die uns bereits damals in Bewegung versetzen wollten und für das NES eine solche Fitnessmatte auf den Markt brachten. Legendär ist dabei sicherlich das Hürdenlaufen mit dem pixeligen Männchen gewesen, welches es sogar bis in eine Kindersendung am Sonntagmorgen auf RTL geschafft hat. Na, dämmert es?
Allen jüngeren Lesern sei so eine Matte noch einmal genauer vorgestellt: Man legt sie auf den Boden, betritt sie gemäß der Anleitung und den Sicherheitshinweisen nicht mit Socken (Pffft), hat um sie herum Kissen gelegt, um einen eventuellen Sturz zu lindern (gleich dreimal Pffft) und bedient das raschelnde und knisternde Etwas, indem man mit den Füßen auf die geforderten Kontaktpunkte auf der Matte tritt. Im Vergleich zur Dance Dance Revolution-Matte ist die Beigabe zu Family Trainer übrigens etwas breiter, was darin begründet liegt, dass hierauf auch zu zweit gleichzeitig gespielt werden soll – aber dazu später mehr. Grundlegen ist die Matte so aufgebaut, dass es zwei Pfeile nach vorne, zwei nach hinten sowie je einen links und rechts gibt. Mittig symbolisieren zwei Kreise die Ausgangsposition, auf die eure Füße zu Beginn der meisten Disziplinen gestellt werden müssen. In den Ecken sind neben riesengroßen Warnhinweisen noch die Tasten Plus sowie Minus angebracht, damit sich das Game auch mit den Füßen pausieren lässt – wie praktisch!
Aber worum geht es in Family Trainer denn nun genau? Namco Bandai will den Spieler laut Aufdruck auf der Packung damit vom Sofa holen und der ganzen Familie Spaß und Fitness bringen. Dies soll durch insgesamt 16 Minispiele erreicht werden, die in verschiedenen Spielmodi absolviert werden können. Im Hauptmenü sollte man sich zuerst einmal entscheiden, ob man alleine an den Start gehen oder mit ein paar Kumpels auf die Matte springen will. Zu Beginn wird jeweils ein Profil pro Spieler erstellt, wobei man entweder eine der vier vorgefertigten Figuren oder aber auch den eigenen Mii wählen darf. Die Integration der Miis ist dabei vorbildlich und wie es sich für ein Familienspiel gehört, darf sogar in der Körpergröße zwischen „Erwachsener“ und „Kind“ gewählt werden. Möchte man sich zuerst einmal ohne Publikum auf der Matte lächerlich machen, wählt man den Einzelspieler-Modus. Hier dürfen im freien Spiel alle Minispiele nach Lust und Laune angewählt werden. Die „Trainingsübungen“ sind in verschiedene Trainingseinheiten unterteilt, die entweder den gesamten Körper, nur den Oberkörper, eure Ausdauer, etc. trainieren sollen. Je nachdem welcher Punkt gewählt wird, werdet ihr mit den dafür am besten geeigneten Spielen konfrontiert. Je nach gewählten Game könnt ihr dabei durchaus ins Schwitzen kommen, selbst wenn die Spiele oder nicht länger als eine Minute dauern.
Herzstück des Games ist allerdings das Outdoor-Abenteuer, wo ihr in verschiedenen Leichtathletik-Kursen nacheinander diverse Spiele zu bestreiten habt, die allesamt thematisch dem Flecken auf der virtuellen Fitness-Insel zugeordnet sind, auf dem ihr euch gerade befindet. Verschiedene Schwierigkeitsgrade sprechen dabei neben dem Anfänger auch den bereits erfahrenen Mattensportler an, wobei in den späteren Kursen die Spieler auch immer anspruchsvoller werden. Je erfolgreicher ein Spiel übrigens absolviert wird, desto mehr APs (Aktivitäts-Punkte) werden eurem Konto gutgeschrieben. Diese dienen nicht nur der Befriedigung eures persönlichen Egos, sondern schalten auch nach und nach neue Schwierigkeitsgrade, etc. frei, wie man es aus Wii Fit in ähnlicher Form kennt. Nur neue Spiele gibt es nicht zu verdienen, da bereits alle Games von Beginn an freigeschaltet sind. Mit mehreren Spielern vor der Konsole lassen sich neben dem „Outdoor-Abenteuer“ noch ein „Freundeskampf“ (das Pendant zum „freien Spiel“ für Einzelkämpfer) sowie der Spielmodus „Teamwork“ anwählen, wobei der Name bei Letzterem Programm ist.
Doch welche Spiele erwarten uns eigentlich in Family Trainer? Anders als bei vielen anderen Minispielsammlungen, wo es oftmals ähnliche Aufgaben nur in anderer Verpackung gibt, unterscheiden sich die Games in Family Trainer wirklich teils eklatant voneinander. Neben der Fitnessmatte wird übrigens bei einem gewissen Teil der Minispiele auch die Wii-Remote verwendet. Das ist beispielsweise bei der „Kajaktour“ der Fall, womit wir mal gleich mit dem schlechtesten aller Spiele anfangen: Mit der Wii-Remote rudert ihr links und rechts von eurem Körper und versucht auf dem Fluss vorwärts zu kommen, Strudeln auszuweichen und das Ziel binnen des vorgegebenen Zeitlimits zu erreichen. Man hat zwar den Dreh nach kurzer Zeit raus, doch so wirklich Spaß macht das Fuchteln hier nicht. Wer zu ausladende Bewegungen mit der Wiimote macht, wird übrigens vom Game gleich ermahnt. Böse Sache das. Die anderen Minispiele sind da schon wesentlich gelungener. „Brennholz“ lässt euch einen vorgegebenen Pfad laufen, wobei ihr jetzt wirklich auf den beiden kreisförmigen Pads in der Mitte der Matte schnell laufen müsst, um an Tempo zu gewinnen. Holzstämme liegen euch immer wieder im Weg, so dass euch im wahrsten Sinne des Wortes nur ein Sprung weiterbringt und eure Spielfigur auf dem Screen das Hindernis überspringen lässt. Die Disziplinen „Sprintwettkampf“ sowie „Hürdenlauf“ sind dabei übrigens ähnlich gestrickt, die anderen Games folgen einem etwas anderen Muster.
So hätten wir da beispielsweise noch „Hau-den-Nager“. Aus sechs verschiedenen Röhren, die den sechs Pfeilpads auf der Matte entsprechen, schauen immer wieder Maulwürfe hervor, die mit einem gezielten Tritt auf das entsprechende Pad wieder in die Tiefen der Kanalisation gekickt werden wollen. Kommt der große Nager in der Mitte? Dann bitte mit beiden Füßen schnell in die Mitte trampeln. Worum es beim „Seilspringen“ geht, kann man sich sicherlich denken, so das darauf nicht weiter eingegangen werden muss. Anders beim „Wassertrampolin“, denn dieses Minispiel lässt euch auf den Kreispads hüpfen und während eure Trampolinsprünge immer höher werden, dürft ihr auf den Pfeilpads vorgegebene Tricks nachahmen. Um Tricks und Stunts geht es auch beim „Extrem-Boarder“, wo ihr eine Graswiese hinab rauscht (sick!) und auf Sprungschanzen abhebt, um im Sprung Stunts zu performen. Dabei kommt Abwechslung in die Steuerung, denn ihr steht hierbei nur mit einem Fuß in der Mitte der Matte, der andere Fuß wird auf einer der Pfeiltasten nach hinten positioniert, wie beim echten Boarden eben auch. In einer höheren Schwierigkeitsstufe lassen sich zusätzlich die Hände auf die rechte oder linke Pfeiltaste legen, um sich zu ducken oder im Sprung das Board zu greifen. Flott wird es auch beim „Superskater“. Durch trappeln auf der Matte wird beschleunigt, die quer gehaltene Wii-Remote darf zum Steuern verwendet werden. Beschleunigungspfeile und Hindernisse, die übersprungen werden wollen, sorgen hierbei für die passende Herausforderung auf der Strecke.
Wild wird es beim „Karren-Chaos“, einer abgedrehten Lorenfahrt, bei der auch die Wiimote mal wieder zum Einsatz kommt. Die Fernbedienung muss dabei quer gehalten „gepumpt“ werden, um an Geschwindigkeit zu gewinnen. Eine Anzeige verrät euch dabei, wie schnell ihr gerade unterwegs seid. Steht eine Kurve an, müsst ihr den Fuß vom Pad der Gegenrichtung heben, damit ihr nicht aus der Trasse fliegt. Lücken in den Schienen werden durch einen gezielten Sprung überwunden und wenn ihr das Game mit einem zweiten Spieler in der Lore zockt, darf dieser mit der Pointerfunktion der Wiimote zusätzlich noch Hindernisse auf der Strecke aus dem Weg ballern. Hier ist also in der Tat Action angesagt. Zwei ganz andere Steuerungsvarianten sind ebenfalls noch vorhanden. Beim „Röhrenrutscher“ setzt ihr euch mittig auf den Matte mit den Händen auf den seitlichen Pfeiltasten. Gleichzeitiges Drücken auf die Tasten lässt eure Spielfigur beschleunigen, während ihr durch eine riesige Röhre rutscht, einseitiges Drücken lässt euch navigieren, um die Beschleunigungspfeile zu erwischen. Zu guter letzt hätten wir dann noch den „Wippwettkampf“, der euch im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie zwingt. Ihr müsst euch hinter die Matte knien und die Hände auf dem linken Pfeil und dem linken Kreispad positionieren. Auf dem Screen seht ihr nun eine Holzwippe mit eurem Charakter auf der linken und dem Gegenspieler auf der rechten Seite. Hinter den beiden Protagonisten werden nun zufällig ausgewählt die beiden Tasten der Matte eingeblendet, auf der ihr eure Hände gerade habt. Je nachdem welche Taste gezeigt wird, müsst ihr diese schnell antippen – also rechts, links oder beide gleichzeitig. Wer schneller ist, befördert seinen Gegner von der Wippe direkt ins unten liegende Wasser.
Es gibt noch einige weitere Spiele, aber ich denke anhand der Beschreibung habt ihr schon feststellen können, wie das Prinzip von Family Trainer in etwa aussieht. Als Einzelspieler ist man dabei nur gering motiviert, sich längerfristig mit dem Titel zu befassen. Zwar werden brav eure Aktivitätspunkte gesammelt, egal welchen Modus ihr spielt, man speichert alle erlangten Rekorde und euch werden sogar Kronen im „Outdoor-Abenteuer“ verliehen, sofern eure Punktzahl einen gewissen Wert überschritten hat. Doch ohne Online-Ranglisten oder dergleichen mehr bleibt ein etwas schaler Nachgeschmack, den auch die Möglichkeit der „Ghost Daten“ bei Rekordern nicht wettmachen kann. Mehr freischaltbare Extras wären hier vonnöten gewesen, um das Game auch für den Einzelspieler auf Dauer interessant werden zu lassen. Hinzu kommt nämlich noch, dass die enthaltenen „Trainingsübungen“ keine Übungen an sich sind, sondern man lediglich die Minispiele in anderer Reihenfolge absolviert, um es mal simpel auszudrücken. Wirkliche Muskel- oder gar Yoga-Übungen, wie man sie aus Wii Fit kennt, gibt es hier nicht. Ebenso flach fällt die Anleitung durch einen virtuellen Trainer und da man sich logischerweise auch das Wiegen und das Messen des BMI spart, hat Family Trainer als Trainingsprogramm eigentlich auf ganzer Linie versagt.
Als richtiger Kracher entpuppt es sich dann allerdings, sobald man mehrere Spieler vor der Konsole versammelt und man einen Punkt erreicht hat, an dem einen nichts mehr peinlich ist. Dies ist vorrangig zu später Stunde auf Partys der Fall, sobald der Promillespiegel der anwesenden Gäste bereits etwas angestiegen ist. Zwar widerspricht es den allgemeinen Sicherheitshinweisen, die Aktionsmatte unter dem Einfluss von Alkohol zu verwenden, doch ist gerade dann ein Partyspiel immer ganz besonders lustig. Oder hat etwa noch niemand in solch einem Zustand Singstar und Konsorten gespielt? Na also. Zwar ist die Matte eigentlich trotz ihrer Größe noch ein wenig zu schmal für zwei Personen nebeneinander und man wird zwangsläufig aneinander rempeln, vor allem wenn man zeitgleich zu springen hat, doch gerade darin liegt der Spaß. Dass einige der Games mit mehreren Spielern nacheinander absolviert werden ist übrigens nicht weiter schlimm. In der Regel ist es nämlich genauso amüsant seinen Kollegen auf der Matte beim Hampeln zuzusehen wie sich selbst dieser Peinlichkeit hinzugeben.
Retro rules?
Während im Bezug auf die Steuerung die Erinnerung an die NES-Fitnessmatte aus den 80ern für Unterhaltung sorgt, hätte man sich technisch bei Family Trainer ruhig etwas mehr ins Zeug legen können. Das Game ist bunt gehalten, die Grafiken sind in sich stimmig, wenn auch nicht sonderlich hübsch, aber ich habe das Gefühl, als hätte man dies selbst auf dem N64 in ähnlicher Form realisieren können. Effekte fehlen völlig, der Polygoncount ist extrem niedrig gehalten und die Texturen – sofern sie überhaupt Verwendung finden – sind simpel gehalten und teils etwas verwaschen. Punkten kann das Game dennoch mit seiner klaren Strukturierung, der einfachen Menüführung und der Mii-Integration. Auch die Pointerfunktion in den Menüs funktioniert hervorragend, wenngleich die recht bunte Farbwahl der Menüs meiner Meinung nach ab und an etwas in die Hose gegangen ist.
Der Sound spielt in Family Trainer eigentlich eine untergeordnete Rolle. Die Hintergrundmusiken dudeln eher unspektakulär vor sich hin, selbst wenn sie zum Teil orchestral arrangiert wurden und können keine Akzente setzen. Immerhin fallen sie dafür auch nicht sonderlich negativ auf oder gehen dem Spieler gar bereits nach kurzer Zeit auf die Nerven, sondern halten sich angenehm im Hintergrund. Die Soundeffekte sind eher spartanisch ausgefallen und eine Sprachausgabe gibt es ebenfalls nicht, so dass wir es hier mit eher durchschnittlicher Kost zu tun haben. Immerhin findet der Lautsprecher der Wiimote ab und an noch Verwendung.
Fazit
Ernsthaftes Trainingsprogramm und damit Wii Fit-Konkurrenz oder alberner Partykracher mit Zappeleinlagen auf der Fitnessmatte? Family Trainer möchte beides sein, schafft es jedoch in keinem der Punkte so richtig zu überzeugen. Für ein Trainingsprogramm ist es zu verspielt, bietet keine richtigen Trainingsmethoden an und kommt ohne Trainer und Kontrollmechanismen aus. Für ein Partyspiel hätten es gerne noch ein paar mehr Minispiele sein dürfen, außerdem ist der Preis für einen kurzen Partygag etwas hoch angesiedelt. Wer jedoch genug Geld übrig hat und sich im Kreise seiner Freunde einmal so richtig zum Affen machen will, sollte bei Family Trainer zugreifen. Man wird den Titel zwar nur wenige Male im Jahr in die Konsole legen, dann werden allerdings alle Beteiligten ihre helle Freude daran haben.
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