Testbericht: Der tierisch verrückte Bauernhof
Bereits im letzten Jahr sorgte der Animationsstreifen „Der tierisch verrückte Bauernhof“ an den Kinokassen für gute Umsätze und konnte vor allem beim jüngeren Publikum punkten. Kein Wunder, immerhin handelte es sich doch um eine Produktion aus dem Hause Nickelodeon. Wie bei derartigen Filmen üblich, ließ natürlich auch die entsprechende Videospielumsetzung nicht lange auf sich warten. Auch Nintendos Wii wurde mit einer Version des Spiels bedacht und deswegen werden wir den Titel mal etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Grand Theft Euter?
Mit dem Vorbild der Kinoleinwand hat die Versoftung Der tierisch verrückte Bauernhof eigentlich nur die Charaktere gemein, auf die man während seines Abenteuers trifft. Die Story dagegen wurde komplett außer Acht gelassen. Stattdessen schlüpft der Spieler in die Rolle einer neu auf dem Bauernhof eingetroffenen Kuh und muss sich im neuen Zuhause erst einmal beweisen. Etwas widersprüchlich erscheint dabei, dass man zu Beginn das Geschlecht und die Optik des Wiederkäuers wählen darf, denn auch wenn man einen männlichen Vertreter der Gattung wählt, bleibt man weiterhin eine Kuh und wird nicht automatisch zum Bullen. Aller Logik trotzend wandelt man also nach der freien Namensvergabe mit einem dicken Euter zwischen den Beinen baumelnd über den Bauernhof und erkundet die nähere Umgebung.
Im Schuppen darf man speichern und sich ausruhen, zudem können der Stall oder die Schweine in der Schlammgrube besucht werden. Allerlei Gegenstände wie Fässer, Kisten, Heubündel und dergleichen mehr lassen sich zertreten und geben meist die sogenannten Bauernhof-Taler, ab und an aber auch andere sammelbare Items frei. Das Spielprinzip von Der tierisch verrückte Bauernhof ist dabei leicht an den Actiontitel Grand Theft Auto angelehnt. Natürlich geht es auf unserem Bauernhof weitaus friedlicher als beispielsweise im verbrecherischen San Andreas zu, das Konzept der zu erfüllenden Missionen hat man allerdings vom großen Vorbild übernommen. Auf dem Hof verteilt schwebt den aus dem Film bekannten Charakteren wie Otis, Schwein oder Peck immer dann ein gelbes Ausrufezeichen über dem Kopf, wenn sie einen Auftrag an euch zu vergeben haben. Sobald ihr sie ansprecht, nehmt ihr den Auftrag automatisch an und müsst nun die euch aufgetragene Mission erfüllen.
Meist entpuppt sich diese als recht witziges Minispiel, für dessen erfolgreiche Absolvierung man Bauernhof-Taler erhält. Mal muss man die Küken aus dem Hühnerstall rechtzeitig zu Bett bringen, mal tritt man im „Matschspringen“ gegen die Schweine an und muss diese vor einem selbst im Schlamm landen lassen. Ein Highlight sind dabei in jedem Fall die „Scharfspritzer“-Spiele, denn wenn eure Kuh schon ein Euter hat, gilt es dieses auch einzusetzen. Sobald man von Otis eine Sonnenbrille erhalten hat kann es losgehen, denn nur mit der Sonnenbrille ausgerüstet ist man cool genug im Milch verspritzen zu können. Fünf Ladungen fasst das Euter, danach muss neu aufgetankt werden. In den „Scharfspritzer“-Spielen gilt es innerhalb eines Zeitlimits Dosen zu treffen. Je genauer und schneller diese getroffen werden, desto mehr Punkte gibt es. Für jedes Minispiel existiert eine Rangliste und bei entsprechend guten Leistungen platziert man sich an deren Spitze und erhält einen Stern. Diese sind wichtig um sich Respekt auf dem Hof zu verschaffen und irgendwann den bisherigen Bauernhof-Champion Otis vom Thron zu stoßen. Weiterhin erwähnenswert ist auch das Minispiel „Ärgere den Briefträger“, wo es hinter dem Rücken des Postboten durch Drücken der eingeblendeten Tasten ulkige Moves auszuführen gilt. Schöpft der Briefträger Verdacht und dreht sich um, heißt es schnell zu reagieren und den Move abzubrechen, damit man wie eine normale Kuh wirkt. Schafft man dies nicht, ist das Minispiel verloren.
Die verdienten und aufgesammelten Münzen können dazu verwendet werden, um im Shop auf dem Erdhörnchenhügel nachts einkaufen zu gehen. Nachts? Richtig gelesen, denn zu aller Überraschung spielt die Tageszeit in Der tierisch verrückte Bauernhof ebenfalls eine Rolle. So habt ihr für normale Missionen immer nur bis maximal Sonnenuntergang Zeit. Wer das Ziel nicht rechtzeitig erfüllt, kann die Mission aber am nächsten Tag wiederholen. Zudem warten manche Tiere nur am Abend oder in der Nacht auf euch. Praktischer Weise besitzt ihr ein Handy und werdet so immer darüber informiert, wer wann und wo auf euch wartet. Damit die Zeit bis zum nächsten Tag schneller vergeht, könnt ihr euch am Schuppen ausruhen, was zudem eure Ausdauer wieder auf den Maximalwert setzt. Da sich diese aber ohnehin selbst regeneriert und euch lediglich schnelleres Laufen ermöglicht, muss eigentlich kaum auf diese geachtet werden. Ein „Game Over“ im klassischen Sinne bleibt dem Spieler somit in jeder Situation erspart. Vielmehr wurde Wert auf einen großen Fundus an Sammelobjekten gelegt. 64 Hinweise auf gelben Tafeln wollen ebenso gefunden werden wie die unter markierten Steinen versteckten Rezepte für Gebäck sowie Cock… Verzeihung, „Mocktails“. Die Zutaten dazu finden sich auf dem Hof und in der Umgebung verteilt, wobei maximal 20 Items einer Sorte im Rucksack transportiert werden können.
Genial gelungen ist übrigens die Beschaffung von Milch, Sahne und Butter. Na, wer kann es sich denken? Richtig! Ihr nutzt leere Milchkannen und füllt diese einfach selbst, wobei die Kamera euch dabei diskreter Weise nur von hinten zeigt. Danach könnt ihr euch entscheiden ob ihr entweder die Milch mitnehmt, oder die Kanne schüttelt und daraus Sahne macht. Ihr braucht Butter? Kein Problem, einfach die Kanne ein weiteres Mal schütteln. Leider ist dies eine der wenigen Ideen, die man auch jenseits des Kindesalters witzig findet. Einzig die Disco im Stall, wo jede Nacht der Bär, respektive die Kuh, steppt, kann da noch mithalten. Im Erdhörnchen-Shop finden sich übrigens mannigfache Einrichtungs- sowie Dekorationsgegenstände für die Disco, so dass hier das ersparte Geld immer gut angelegt ist. Klare Sache, ein Menschen-Rodeo wollte ich schon immer einmal haben!
Anfangs scheint die Bewegungsfreiheit des Spielers auf dem Hof nicht sonderlich eingeschränkt, doch immer wieder stößt man auf unsichtbare Blockaden und abgesperrte Tore am Zaun. Für diese lassen sich allerdings nach und nach Schlüssel erwerben, so dass sich das begehbare Areal erweitern lässt. Mit der Zeit werden so weitere Areale wie der Walnusswald, Izzy Springs Golfplatz oder auch der Schrottplatz freigeschaltet. Zur schnelleren Fortbewegung zwischen den Locations erhaltet ihr übrigens ein Fahrrad, mit dem sogar Sprünge und Tony Hawk-mäßige Stunts just for fun möglich sind – aber das nur am Rande. Noch einmal zurück zu den Locations. Der Schrottplatz ist nämlich der einzige Ort, wo wirklich Feinde in Form von Koyoten auftauchen. Abgesehen davon ist Der tierisch verrückte Bauernhof eher ein sehr friedliebendes und doch stark auf die junge Klientel zugeschnittenes Game. Einzig die Waschbären entpuppen sich noch als Ärgernis, als sie das Gemüsefeld plündern wollen und mit Milchspritzern vertrieben werden müssen. Aus diesem Grund ist natürlich auch der Schwierigkeitsgrad insgesamt entsprechend niedrig angesetzt. Geübte Spieler werden die aufgetragenen Missionen in der Regel auf Anhieb meistern, der Highscore der Minispiele ist auch spätestens im dritten Anlauf geknackt, erst ab dem dritten Kapitel wird es etwas schwieriger. Da es keine Endbosse zu besiegen gilt, lässt die Motivation mit der Zeit leider etwas nach. Die Rezeptbücher vervollständigen, alle Hinweistafeln finden, die Minispiel-Highscores knacken, den Erdhörnchen-Shop leer kaufen und damit die Disco komplett einrichten – wirklich fordernde Aufgaben werden dem Spieler nicht präsentiert.
Die Steuerung
Was die Steuerung betrifft, so wurde „Der tierisch verrückte Bauernhof“ zwar simpel, aber durchaus zweckmäßig gehalten. Eure Kuh wird mit dem Analogstick des Nunchuk gesteuert, der gedrückte Z-Button aktiviert kurzzeitig eine Art „Turbo“ für schnelleres Laufen oder Radfahren und mit dem C-Button wird gesprungen. Mit der Pointerfunktion der Wiimote wird ähnlich wie in vergleichbaren Games die Kamera bewegt. Dies erscheint durchaus sinnvoll, entpuppt sich allerdings im laufenden Spiel immer wieder als kleines Hindernis. Wer geradeaus läuft und dabei nur leicht die Kamera dreht, läuft auch automatisch eine Kurve, obwohl er auf dem Nunchuk konstant nach oben drückt. Zum Glück wird in Der tierisch verrückte Bauernhof nur selten genaues Balancieren über schmale Stege und Bretter gefordert, so dass man mit diesem kleinen Manko leben kann. Die meisten Aktionen wie das Ansprechen von anderen Tieren wird mit einem Druck auf den A-Button ausgeführt. Steht man vor einem Gegenstand, muss man A drücken und zudem die Wiimote nach oben schwingen, um beispielsweise einen Stein zu heben oder gegen eine Kiste zu treten. Mit aufgesetzter Sonnenbrille wird über den B-Button ganz Shooter-like Milch verspritzt. Der Minusknopf zeigt die Karte an, während „1“ für das Menü zuständig ist. Vor allem Letzteres ist meiner Meinung nach etwas unglücklich gewählt, da man doch sehr oft ins Menü muss um die Handynachrichten zu lesen und der 1-Button etwas umständlich bei normal gehaltener Wiimote erreichbar ist. Vor allem die jüngere Zielgruppe mit ihren ohnehin kleineren Händen dürfte da öfter mal Schwierigkeiten haben.
In den zahlreichen Minispielen wird oftmals eine etwas geänderte Steuerung verlangt. Zwar wird die grundlegende Controllerbelegung beibehalten, aber beim „Matschspringen“ kickt man beispielsweise durch ein Schwingen der Wiimote gegen den herannahenden Pfosten, während auf dem Fahrrad der B-Button zum scharfen Bremsen gedacht ist. Vollkommen anders werden Games wie „Poolbillard“ gesteuert, wenngleich die Steuerung dort nicht ganz so gelungen ist wie beim Pendant aus Wii Play. Besonders gefallen die Details am Rande: Beim Honigsammeln müsst ihr mit der Hand im Bienenstock den Analogstick des Nunchuk im Kreis drehen, um den kompletten Honig zu erwischen. Ist eine Milchkanne gefüllt und ihr wollt Sahne oder gar Butter? Gut, dann schüttelt einfach tüchtig die Wiimote. Positiv fällt jedenfalls auf, dass die Aktionen allesamt meist recht flüssig von der Hand gehen. Die Tastenbelegung ist schnell erlernt und bis auf die beiden erwähnten Mankos auch sehr zufriedenstellend. Die Wii-Funktionen wurden nicht auf Biegen und Brechen integriert, sondern nur dann verwendet, wenn sie auch im Spiel sinnvoll erscheinen.
Die Grafik
Grafisch erwarten uns in THQs Filmversoftung nicht wirklich Highlights. Ein wenig mag dies auch mit der Thematik des Games zusammenhängen, denn effektvolle Action gibt es auf einem Bauernhof nun einmal nicht. Dennoch hätte sicher mehr drin sein können. Die Texturen wirken etwas detailarm und Teils einfallslos. Man hat dies zwar versucht durch bunte, kräftige Farben und relativ ansprechende Animationen der einzelnen Charaktere wieder auszugleichen, aber auf einem Bauernhof und in dessen Umgebung sollte normalerweise mehr Leben herrschen, als wir es hier zu sehen bekommen. Schön dagegen ist der Wechsel der Tageszeiten geworden, sowie die Tatsache, dass sich Clippingfehler und sonstige optische Schwächen stark in Grenzen halten. Mehr als eine insgesamt solide Leistung, die in dieser Form mit Leichtigkeit auch auf dem GameCube hätte erreicht werden können, darf man dem Titel aber dennoch nicht attestieren.
Sound und Musik
Ebenfalls mit dem Prädikat „solide“ kann der Sound bezeichnet werden. Die musikalische Untermalung wurde passend gewählt, hört man doch in erster Linie leichte und beschwingte Countrythemen, während man auf dem Hof unterwegs ist. Nachts wummert in der Stalldisco dagegen ein treibender Technobeat. Auch wenn die Melodien nicht sonderlich abwechslungsreich gestaltet sind, sie bleiben schnell im Ohr und gehen auch nach stundenlangem Spielen nicht unbedingt auf die Nerven, sondern unterstreichen die Atmosphäre. Ein paar mehr Stücke hätte es allerdings gerne sein dürfen, einfach um mehr Abwechslung zu bieten. Positiv fällt die komplett deutsche Sprachausgabe auf. Jedes Tier hat seine passende Synchronstimme bekommen. In den Dialogen kommt die Sprachausgabe allerdings nur im ersten und letzten Satz vor, der restliche Text erscheint nur in einer Messagebox. Da man die Texte auch weiterdrücken kann eine akzeptable Entscheidung, da zu lange Sprachsamples auch stören können. Etwas konservativer ging man bei den Soundeffekten zu Werke, die allesamt eher Standardkost sind. Allerdings gilt hier wie auch bei der Grafik schon, dass es auf einem Bauernhof nun mal keine wuchtigen Explosionen und dergleichen gibt, die sensationelle Soundeffekte verlangen. „Zweckdienlich und passend“ ist demnach eine treffende Umschreibung.
Fazit
Insgesamt gesehen ist Der tierisch verrückte Bauernhof sicherlich kein spielerisches Highlight, vor allem aus technischer Sicht. Dennoch macht der Titel vor allem den jüngeren Konsoleros sicherlich viel Spaß. Dazu trägt neben der stimmigen Präsentation auch die simpel zu erlernende und größtenteils gut umgesetzte Steuerung bei, welche die Wii-Funktionen an passender Stelle nutzt. Dem Spieler werden viele unterschiedliche Aufgaben gestellt und Sidequests wie das Vervollständigen der Rezeptbücher oder das Finden alles Hinweisschilder sollen auch längere Zeit motivieren. Auch ältere Zocker können ihre Freude an einer Spritztour über den Bauernhof haben, in erster Linie richtet sich Der tierisch verrückte Bauernhof aber an den Nachwuchs – und für diese Zielgruppe ist das Game auch empfehlenswert.
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