Testbericht: Der Goldene Kompass
Den älteren Zockern, die mit einem Super NES oder einem Mega Drive aufgewachsen sind, wird sicherlich noch das Entwicklerstudio „Shiny Entertainment“ ein Begriff sein. Unter der kreativen Leitung von David Perry entwickelte man damals mit „Earthworm Jim“ eines der durchgeknalltesten Jump’n’Runs aller Zeiten. Nach einem ebenfalls recht gelungenen Sequel sowie einem nur noch bedingt zu empfehlenden Teil in 3D wurde es ruhig um das Studio. „Shiny Entertainment“ wurde von Infogrames (heute: Atari) aufgekauft und verschwand trotz spielerisch guter Titel wie „MDK“ oder „Messiah“ in der Versenkung. Nach einigen kleineren Projekten wie z.B. „Enter the Matrix“ wurden sie nun von Sega mit der Filmumsetzung zum Fantasy-Streifen „Der Goldene Kompass“ beauftragt. Inwieweit sie damit an alte Erfolge anknüpfen konnten oder ob es sich nur um eine weitere mittelmäßige Filmversoftung handelt, haben wir für euch herausgefunden.
In nordischen Gefilden
Bereits im Kino konnte Der Goldene Kompass Fantasy-Fans nicht nur durch seine teils opulente Optik, sondern auch durch das Mitwirken von Nicole Kidman sowie Daniel Craig begeistern. Gerade weil sich aber der Stoff recht gut für ein Videospiel eignet, muss man sich natürlich die Frage stellen, wie gelungen die Umsetzung geworden ist. Der Goldene Kompass behandelt dabei die Geschichte der kleinen Lyra Belaqua, die in einer fiktiven Welt lebt, in der Magie eine weitaus größere Rolle spielt als in der unseren. Dort ist es auch üblich, dass die Seele eines jeden Menschen in Gestalt eines Tieres, Panoptikum genannt, mit ihm zieht. Lyras Pan hätte sich dabei eigentlich schon lange auf eine Tiergestalt festlegen müssen, hat dies aber noch nicht getan und erscheint so in der Gestalt verschiedener animalischer Lebewesen. Als Waisenkind lebt Lyra zusammen mit ihrem Freund Roger in einem College in Oxford. Ihre Freude ist groß als sie erfährt, dass ihr Onkel Lord Asriel bald von einer seiner Expeditionen in den hohen Norden zurückkommen wird. Doch bereits vor seiner Ankunft bemerkt Lyra, dass eine Intrige gegen ihren Onkel im Gange ist. Hängt es damit zusammen, dass er bei seiner Expedition auf „Staub“, eine magische Essenz aus dem Weltall, gestoßen ist? Oder gibt es andere finstere Pläne, die gegen ihn geschmiedet wurden? Und was ist an den Gerüchten dran, dass Kinder von den geheimnisvollen Gobblern entführt werden?
Wo es in der Filmvorlage ab diesem Moment beginnt spannend zu werden, ist beim Videospiel die Verwirrung von Beginn an groß. Man startet nämlich nicht wie man es erwarten könnte in der Rolle von Lyra in ihrer Schule, sondern findet sich auf dem Rücken des Eisbären Iorek mitten im ewigen Eis wieder. Da man als Spieler direkt in das Geschehen geworfen wird, fühlt man sich ohne Kenntnis der Romanvorlage, bzw. des Kinofilms etwas überrumpelt. Insgesamt fällt auf, dass das Spiel prinzipiell aus vier verschiedenen Elementen besteht. Zum einen hätten wir die Abschnitte auf dem Rücken des Eisbären, wo es vor allem auf Kämpfe gegen Wölfe und andere Gegner hinausläuft. Dann wären da noch Passagen, in denen Lyra gesteuert wird. In Gesprächen mit anderen Personen werden kleine Minispiele absolviert und letztlich gibt es noch einen Modus, in welchem das so genannte Alethiometer, der goldene Kompass, gelesen wird, um Fragen zu beantworten und im Spiel voranzukommen. Was auf dem Papier nach viel Abwechslung klingt, entpuppt sich in der Praxis allerdings als eine recht krude Mischung, die den nötigen Kick irgendwie vermissen lässt. Der Goldene Kompass krankt dabei vor allem an der insgesamt sehr simpel gehaltenen Steuerung, die jeglichen Anspruch vermissen lässt. In der Haut von Knuts großem Bruder bewegt man sich auf vorgegebenen Pfaden durch die verschneite Pampa, vermöbelt durch Drücken des A-Buttons oder Schwingen der Wiimote seine Feinde, blockt mit dem B-Knopf und betätigt an bestimmten Stellen den Z-Button, um vorgegebene Aktionen wie einen Sprung über einen Abgrund auszuführen. Ein kaum vorhandenes Combo-System sowie die Möglichkeit seine Opponenten zu greifen und zu schleudern, gaukeln spielerische Abwechslung vor, die im Prinzip kaum existiert. Rüstungssymbole verstärken eure Verteidigung, sammelbares Blutmoos stellt eure Körperkraft wieder her.
Die größte Abwechslung wird geboten, sobald man in der Haut von Lyra unterwegs ist. Sie selbst kann zwar nur Springen und Sonderaktionen per Z-Button ausführen, doch sie hat ja auch ihren Pan bei sich. Dieser kann sich in vier verschiedene Tiergestalten verwandeln und ermöglicht Lyra so neue Fähigkeiten. Als Hermelin dürft ihr in die Ego-Perspektive wechseln und eure Umgebung nach versteckten Gegenständen und Hinweisen absuchen. Die Gestalt des Faultiers verleiht euch lange Arme, so dass ihr euch mit Lyra im Schlepptau an Vorsprüngen und Stangen umher schwingen könnt. Ähnlich sieht es aus wenn Pan zum Falken mutiert, nur dürfen hier kleinere Abgründe mit Schweben überbrückt werden. Die vierte Gestalt ist die der Katze, in der kleine Geschwindigkeitsboosts möglich sind, die euch schneller vorwärts kommen lassen. Um die jeweilige Tiergestalt zu erlangen, muss zwar erst einmal die dazugehörige Münze gefunden werden – und das in jedem Level aufs Neue – allerdings liegt diese vor jeder kniffligen Stelle deutlich sichtbar bereit. Da Lyra selbst nicht kämpft, muss sie Täuschungsmanöver anwenden, um ihre Kontrahenten zu überlisten. Beim Aufeinandertreffen mit Gegnern muss dabei in Quick Time Events die geforderte Wiimote-Bewegung durchgeführt werden, um den Opponenten so die Courage zu rauben und als Sieger aus dem Duell hervorzugehen. Reagiert man falsch, zu langsam oder spricht wie es in einigen Fällen geschieht die Steuerung falsch an, verliert man dagegen selbst Courage.
Mit neutralen NPCs duelliert man sich dagegen nicht, sondern führt Gespräche. Hierbei wird es oft erforderlich clever zu antworten, um so an die gewünschten Informationen zu kommen oder die Personen dazu zu bewegen, etwas bestimmtes zu tun. Zu diesem Zweck werden während der Unterredungen kleine Minispiele eingeblendet, in denen binnen eines Zeitlimits minimalistische Aufgaben erledigt werden müssen. Weicht roten Kugeln, bzw. deren Schüssen aus, sammelt grüne Kugeln ein – Anspruch wird dabei kaum geboten. Je nach Abschneiden in diesen Minispielen verläuft die Konversation entweder nach euren Wünschen oder eben auch nicht. Sammelgegenstände wie Spielkarten, Kürbissaft und mehr bringen euch Vorteile wie ein längeres Zeitlimit oder mehr Courage, sprich mehr Kraft. Diese Einwürfe erscheinen im besten Falle innovativ, im schlimmsten Falle ist man nach spätestens drei solcher Konversationen einfach nur noch genervt. Die Dialoge mit den NPCs werden so unendlich in die Länge gezogen und verkommen zum großen Frustfaktor in dem Game. Eingestreute Geschicklichkeitsaufgaben wie das Balancieren auf schmalen Pfaden glänzen mit ungenauer Wiimote-Kontrolle, das Bespucken von Lehrern mit Pflaumenkernen oder ein Katz-und-Maus-Spiel mit Klassenkameraden wirken eher aufgesetzt, als dass sie um Spielspaß beitragen würden. Ebenso gezwungen wirkt die Spielerei mit dem Alethiometer. An bestimmten Stellen muss es befragt werden, um im Spiel voranzukommen. Es zeigt dabei 36 verschiedene Symbole, denen je drei Bedeutungen zugewiesen wurden. Wer auf den größtenteils linearen Wegen im Spiel die Augen offen gehalten und Bonusgegenstände gesammelt hat, dem wurden dadurch schon teils die Bedeutungen der Symbole verraten. Indem man die Zeiger nun auf bestimmte Symbole stellt kann man so die Antwort herausfinden, wobei diese meist ohnehin recht offensichtlich ist.
In Lyras Tagebuch werden die aktuell gestellten Aufgaben festgehalten und man kann dort auch einen Teil der Story nachlesen. Wurde ein Level erfolgreich absolviert, wird die Story teils in Cut-Scenes, teils in Filmsequenzen weitererzählt, allerdings dermaßen gekappt und konfus, dass man ohne Hintergrundkenntnisse kaum durchblickt. Charaktere und Personengruppen wie die Gobbler und Gyper werden ohne Erklärung erwähnt und man lässt den Spieler über deren Hintergründe im Unklaren. Wer sich dennoch durch das Game schlägt, wird ohne großen Aufwand binnen wenigen Stunden den Abspann zu Gesicht bekommen. Danach bleibt einem nur noch übrig die einzeln anwählbaren Levels erneut zu Durchstreifen, um bisher nicht entdeckte Bonusgegenstände freizuschalten. Das bringt euch ein paar Extras und auch die bereits angesehenen Filmsequenzen dürfen erneut betrachtet werden, insgesamt hält sich jedoch die Motivation zum erneuten Spielen stark in Grenzen.
Viel Schatten & etwas Licht
Daran ist auch die technische Präsentation des Games nicht ganz unschuldig. Wo man aufgrund der Vorlage wirklich ein opulentes Fantasy-Game hätte auf die Wii zaubern können, begnügte man sich offenbar mit einer Umsetzung der Playstation 2-Fassung. Die schwachen Texturen, die kargen Hintergründe und das ständig auftretende Kantenflimmern machen zumindest allesamt keinen sonderlich schönen Eindruck. In den Cut-Scenes wirken die Animationen teils recht hölzern. Das haben wir bereits in anderen Spielen aus der letzten Konsolengeneration schöner gesehen und dass man sich als Wii-Besitzer damit quälen muss ist eigentlich eine Frechheit. Optisch gelungen ist dagegen die Einbettung der Filmsequenzen, wenngleich diese viel zu verwirrend gekürzt und geschnitten wurden. Die Unterstützung des 60 Hz- sowie 480p-Modus sind ebenfalls ein Pluspunkt, was anhand der ansonsten recht drögen Optik aber kaum viel reißen kann.
Ganz anders sieht es dagegen in Sachen Sound aus. Der eigens für das Videospiel komponierte Soundtrack ist ein wahrer Ohrenschmaus und überzeugt von der ersten Sekunde an mit seinen pompösen Orchesterarrangements. Dabei ist es egal ob man gerade als Bär durch das Eis stolziert und dort seine Feinde vermöbelt oder in der Gestalt von Lyra das College, ein Schiff und weitere Locations erkundet, die Musik ist stets auf das Spielgeschehen abgestimmt und weiß zu gefallen. Gut gelungen sind ebenfalls die Soundeffekte, wenngleich es nichts gibt, was man nicht schon vorher gehört hätte. Eine zweischneidige Angelegenheit ist die Sprachausgabe. Während es auf der einen Seite begrüßenswert ist, dass man sich für deutsche Stimmen entschieden hat, muss man sich dennoch die Frage stellen, warum es nicht die Originalsprecher aus dem Kinofilm sind. Somit wurden nämlich auch die eingespielten Filmsequenzen mit den neuen und teils alles andere als synchronen Stimmen versehen, was an der ansonsten ziemlich überzeugenden Präsentation kratzt.
Fazit
Man hätte es aufgrund des Genres „Filmumsetzung“ schon erwarten können: Der Goldene Kompass ist leider keine dem durchaus gelungenen Kinofilm entsprechende Umsetzung geworden. Stattdessen präsentiert sich dem Spieler ein gezwungen innovativ wirkendes Adventure, welches aufgrund der geringen Komplexität eher für eine jüngere Zielgruppe geeignet ist. Technische Mängel vor allem im Bereich der Grafik und eine teils aufgesetzt wirkende Steuerung unterstreichen, dass man sich mit der Wii-Version keine große Mühe gegeben hat. Einzig der in der Tat fantastische, orchestrale Soundtrack stellt einen Pluspunkt dar, wegen diesem alleine muss man sich das mittlerweile zum Budgetpreis erhältliche Game aber nicht zulegen. Einzig verhungerte Adventure-Freunde und fanatische Anhänger des Films dürfen einen vorsichtigen Blick riskieren, alle Anderen lassen besser die Finger von diesem Game.
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