Testbericht: Crash: Herrscher der Mutanten

Knappe zwölf Monate ist es her, dass die Beutelratte Crash von Sierra Entertainment in ihr erstes Abenteuer auf Nintendos Wii geschickt wurde. Damals macht das einstige Sony-Maskottchen in „Crash of the Titans“ weniger durch seine Hüpfeinlagen von sich reden, sondern eher durch die Fähigkeit die Kontrolle über Mutanten erlangen zu können. Inwieweit sich nun also der aktuelle Titel „Crash: Herrscher der Mutanten“ von seinem Vorgänger unterscheidet? Wir haben ein paar Mutanten gepatscht und es selbst für euch herausgefunden…

Brate den Mutanten eins über!

Vor über einer Dekade konnte „Radical Entertainment“ mit dem ersten Teil der Crash Bandicoot-Serie auf der ersten Playstation für Aufsehen sorgen. Beeindruckende Grafiken und eine dreidimensionale, wenn auch auf festen Wegen vorgegebene, Spielwelt zogen Millionen Gamer weltweit in ihren Bann. Gekoppelt mit einem enormen Spielwitz war man im Begriff den beiden Vorzeigehüpfern Mario und Sonic den Rang abzulaufen. Doch im Laufe der Serie gingen den Neuauflagen der Reihe immer mehr die Ideen aus. Während in erster Linie Nintendos Klempner sich immer weiter entwickelte und zuletzt in Super Mario Galaxy die Herzen von Kritikern und Fans gleichermaßen verzückte, versank das Franchise „Crash Bandicoot“ immer mehr in der Bedeutungslosigkeit, was in nicht gerade zufrieden stellenden Verkaufszahlen der letzten Werke gipfelte. Konnten sich die ersten drei Teile auf der PSX noch jeweils knapp sieben Millionen Mal weltweit absetzen, erreichte Crash of the Titans auf allen Plattformen zusammen gerade mal die Grenze von 1,5 Millionen Exemplaren. Ob dies mit Crash: Herrscher der Mutanten übertroffen werden kann?

Ich wage es ernsthaft zu bezweifeln, denn bereits nach dem Einlegen der Disc fällt auf, dass sich im neuesten Werk aus dem Hause „Radical Entertainment“ nur wenig getan hat im Vergleich zum Vorgänger. Das Grundprinzip besteht noch immer darin, durch die Levels zu sprinten und dort nicht nur normale Gegner zu besiegen, sondern immer wieder auf größere Brocken zu treffen, die man nach dem technischen K.O. „patschen“ und damit wie auf einem Reittier aufsitzen und sie unter seiner Kontrolle halten kann. Was vor einem Jahr also Innovation für die Serie versprach, wurde in diesem Jahr einfach erneut übernommen. Gleich geblieben ist auch die Tatsache, dass natürlich wieder einmal der fiese Dr. Neo Cortex die Welt beherrschen will und somit den Auslöser für Crash neuestes Abenteuer darstellt. Diesmal hat er sich eine ganz neue Gemeinheit ausgedacht. In einem zusammen mit dem nicht minder bösen N. Brio ersann er eine Art Virtual Reality-Brille, die er kostenlos an alle Einwohner der Wumpa-Insel in einer Art TV Shopping-Sendung verteilt. Natürlich hegt er damit schlimme Gedanken, denn diese kurz „NV“ genannte Maschine lässt ihre Träger auf Befehl zu garstigen, wilden Mutanten verkommen. Die Weltherrschaft wäre Dr. Neo Cortex damit auch sicher gewesen, denn Crashs Schwester Coco und sein Kumpel Crunch sind bereits den Kräften von „NV“ verfallen und nur Crash und die fliegende Maske Aku Aku können sich den Plänen von Dr. Cortex noch in den Weg stellen.

Während ein Großteil des Gameplays also Besitzern des Vorgängers bereits bekannt vorkommen dürfte, verstecken sich die Verbesserungen eher im Detail. Mittlerweile muss man nämlich einen Mutanten nicht mehr nach einem epischen Monsterkampf gegen ein anderes riesiges Untier zurücklassen, sondern kann diesen praktischerweise einfach in die Tasche packen. So sammelt Crash nach und nach verschiedene Arten von Mutanten, aus denen er jederzeit seinen Favoriten wählen und je nach Bedarf einsetzen kann. Durch diese Option kommt es zwar zwangsläufig vor, dass man in späteren Abschnitten kaum noch mit Crash im Alleingang unterwegs ist, die Idee der austauschbaren Mutanten ist allerdings sinnvoll und wäre auch schon im Vorgänger wünschenswert gewesen. Nach wie vor darf man in den Levels verstreutes Mojo sammeln, um damit die eigenen Fähigkeiten aufzubessern. Neu ist jedoch, dass das gesammelte Mojo nicht automatisch einzig und alleine Crash selbst angerechnet wird. Sitzt man nämlich gerade auf einem Mutanten, wird alles gesammelte Mojo dem Mutanten gut geschrieben. Somit lässt sich also nicht nur eure Beutelratte, sondern auch jedes der steuerbaren Ungetüme aufstocken. Die Verbesserungen bei Crash selbst beschränken sich dabei auf Standards wie längere Wirbelattacken und mehr Energie, bei euren monströsen Gefährten jedoch kann ein Upgrade auch stärkere Attacken mit sich bringen. Im Prinzip erhöht man durch diesen Aspekt die Spieltiefe, da man die favorisierten Mutanten so Stück für Stück aufleveln kann. Schade ist dabei nur, dass die Upgrades ab einer bestimmten gesammelten Summe an Mojo automatisch von statten gehen und man nicht wählen kann, welche Eigenschaften verbessert werden sollen. Multiplikatoren für Angriffe ohne eingesteckte Treffer auf eurer Seite lassen übrigens das Sammeln von Mojo deutlich leichter werden.

Neu ist auch, dass Crash: Herrscher der Mutanten über eine zumindest dem ersten Anschein nach offene Welt verfügt. Man startet in Crashs Hütte, die auch im weiteren Spielverlauf noch besucht werden kann und die genutzt werden darf, um Crashs Kostüme zu wechseln, die getroffenen Mutanten verwaltet oder auch euren bisherigen Spielfortschritt anzeigt. Von dort aus geht es in gescripteten Events los in die einzelnen Stages um dort die dem Storyverlauf entsprechenden Aufgaben zu erledigen. Wirklich offen ist die Welt in Herrscher der Mutanten allerdings nicht, da die Aufgaben immer der Reihe nach abgearbeitet werden müssen. Dennoch kommt einem die Welt ein Stück weit größer vor als es im Vorgänger der Fall war. In Kombination mit den drei wählbaren Schwierigkeitsgraden und einigen freischaltbaren Extras sowie einem mehr oder weniger gelungenen Coop-Modus ergibt sich so ein recht ordentlicher Umfang für den Titel. Sonderlich anspruchsvoll oder schwierig ist das Game nicht und da liegt auch der Hund, respektive die Beutelratte begraben. Wer den Vorgänger bereits kennt, findet in Crash: Herrscher der Mutanten eigentlich zu wenig Neues, um den Kauf rechtfertigen zu können. Das an sich gelungene Gameplay kommt niemals über den Status eines „nur guten“ Plattformers hinaus, Sphären wie sie Super Mario Galaxy mit all seinem Ideenreichtum bietet bleiben für den Hüpfer von „Radical Entertainment“ absolut unerreicht. Kleine Designpatzer trüben darüber hinaus den Spielspaß: Dass den Mutanten teils Sonderfähigkeiten spendiert wurden ist eine tolle Sache. Dass man durch deren eisigen Atem Wasserfontänen einfrieren und sie als Plattformen nutzen kann zeugt von guten Ideen. Wenn man aber zwischen den Fontänen steht, diese einfriert und als Folge dessen so fest sitzt, dass nur noch ein Neustart des Spiels hilft, sorgt das für Frust. Abgesehen davon bekommen wir ein eher lineares Game mit kleinen Verbesserungen im Detail geboten.

Kontrolliere die Mutanten!

Im Detail liegen ebenfalls die Änderungen in der Steuerung der irrwitzigen Beutelratte. Der Analogstick des Nunchuk bewegt Crash respektive die Mutanten durch die Landschaften, während der A-Button für das Springen zuständig ist. Mit dem B-Button werden eifrig Haue ausgeteilt, während ihr euch mit C decken könnt. Ausweichmanöver im Kampf werden über den Z-Knopf ausgeführt. Nachdem Crash sich in seiner neuesten Videospielumsetzung auch an Wänden entlang hangeln kann, wird zum hier ebenfalls der Z-Button benötigt, um sich von einem Vorsprung aus fallen zu lassen. Wird die Wii-Remote geschüttelt, dreht sich Crash zur Wirbelattacke und kann mit einem Druck auf den A-Knopf besonders hoch springen. Erstmalig darf Crash sich an bestimmten Stellen in den Boden einbuddeln, dort unterirdisch nach Mojo suchen und die Hindernisse umgehen. Was ebenfalls neu ist: Die Pointerfunktion der Wiimote beschert dem Spieler einen Cursor, mit dem man wie im Klassenprimus von Nintendo das umher liegende Mojo per Pointer einsammeln darf. Würde das nun noch einwandfrei funktionieren und nicht ab und an mal Mojo vorhanden sein, welches sich einfach nicht mit dem Pointer sammeln lässt, wäre dieses Feature zumindest gut geklaut worden. Abgesehen davon lässt sich eure Pixelbeutelratte allerdings ordentlich durch die Stages manövrieren. Mit Ausnahme von einigen wenigen Sprungpassagen an Abgründen, an denen die Kollisionsabfrage suboptimal gelöst wurde sowie einigem Backtracking in den Levels, gibt es in Sachen Gameplay kaum Beanstandungen.

Werde zum Mutant!

Bei vielen Multiplattformentwicklungen ist es ja mittlerweile so, dass eine der beiden HD-Konsole die Leadplattform stellt und die Wii-Version dann herunter gerechnet wird. Im Falle von Crash: Herrscher der Mutanten sieht die Sache allerdings ein wenig anders aus. Hier stellt Nintendos weiße Kiste die Leadplattform, während man das Game für die Playstation 2 herunter gerechnet (!), für die Xbox360 hoch gerechnet und auf die Version für die Playstation 3 gleich komplett verzichtet hat. Trotz dieser Tatsache bedeutet dies nicht, dass man die grafische Klasse eines – und erneut muss der Vergleich dazu her halten – Super Mario Galaxy erreicht. Trotz einiger netter Effekte wie ordentlicher staubender Löwenzahnblüten bleibt Crash: Herrscher der Mutanten ein zwar durchaus bunter, technisch aber eher mittelprächtiger Plattformer, der in Sachen Optik etwas hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Dies hängt jedoch zum Teil auch mit der Ideenlosigkeit der Entwickler zusammen, denn Levels wie den grünen Wald, die weiße Schneelandschaft und so weiter und so fort kennen wir eigentlich bereits zur Genüge. Die Animationen der Protagonisten sind ordentlich gemacht, wobei man den Charaktermodellen ruhig noch etwas mehr Polygone und der Umwelt abwechslungsreichere Texturen hätte spendieren dürfen. Der größte Fauxpas ist allerdings die Kamera, die im aktuellen Teil nicht selbst kontrolliert werden kann. Ist dies im normalen Spielverlauf noch einigermaßen zu verkraften, selbst wenn das Erkunden der Umgebung und das Suchen nach den versteckten Voodoomasken so etwas erschwert wird, entpuppt sich das Backtracking zur mittelschweren Katastrophe. Muss man zu einem früheren Ort zurück, läuft man quasi ständig auf die Kamera zu, was zu einem sehr unangenehmen Spielgefühl fühlt und was sich locker hätte vermeiden lassen.

Richtig punkten kann das Game dagegen wieder einmal mit seinem ausgefallenen Humor. Schon der Vorgänger glänzte mit allerlei witzigen Einlagen, Herrscher der Mutanten setzt dem Ganzen aber noch die Krone auf. Nicht nur die Cutscenes in Spielgrafik sprühen nur so vor Witz und Charme, sondern vor allem die weiteren Zwischensequenzen sind die absoluten Highlights. Die Story des Titels wird dabei in verschiedenen Zeichenstilen weitergesponnen, die eigentlich gar nicht zusammen passen, aber gerade deswegen so genial geworden sind und dem Spieler teils sehr bekannt vorkommen dürften. Die Inspiration dazu hat sich „Radical Entertainment“ nämlich nicht nur aus dem klassischen Puppentheater, sondern auch von bekannten Serien wie „South Park“ oder „Dragonball Z“ geholt – absolut sehenswert. Die technische Seite wird durch nahezu konstante 30 Frames sowie einen 480p-Modus abgerundet.

In Sachen Sound braucht sich das neue Abenteuer der Beutelratte ebenfalls keine Vorwürfe machen lassen. Die Hintergrundmelodien sind flott und beschwingt und passen zur jeweiligen Spielsituation. Ohrwürmer der Marke Nintendo (nein, Super Mario Galaxy wird jetzt nicht noch einmal erwähnt – Hoppla) sucht man zwar vergebens, doch das fällt nicht weiter negativ auf. Bonuspunkte sammelt der Titel derweil durch seine exzellente Sprachausgabe. Diese konnte bereits im Vorgänger überzeugen und auch 2009 laufen die Synchronsprecher wieder einmal zu Höchstformen auf. Erneut sind es vor allem die witzigen Einlagen eurer Kontrahenten, die euch immer wieder zum Schmunzeln bringen. „Sei doch mal still, ich wollte mich jetzt gerade anschleichen!“ tönt es da aus der Ferne, während später ein „Mir geht es sowieso schon schlecht. Komm und schlag mich!“ zu hören ist. Auch Crash und seine Kollegen, bzw. Dr. Cortex sind für den ein oder anderen Lacher gut, als beispielsweise Coco gleich nach Spielstart an einer tollen Erfindung bastelt: „Das Dominator-System. Es spielt Spiele ab, Filme und gibt Butter.“ Komplettiert wird der gute Eindruck durch die stimmungsvollen Soundeffekte des Games

Fazit

Die finale Bewertung von Crash: Herrscher der Mutanten ist kein leichtes Unterfangen. Die ordentliche Optik, die an sich gut funktionierende Steuerung und die erweiterten Upgrademöglichkeiten sorgen zusammen mit dem Sammelfunktion der Mutanten dafür, dass man dem Vorgänger überlegen ist. Auch der irrwitzige Humor in den sensationell gemachten Zwischensequenzen ist ein absolutes Highlight des Titels. Leider trüben die nicht frei bewegliche Kameraperspektive sowie kleine Patzer im Detail den guten Eindruck und wurden im Vorgänger besser gemacht. Insgesamt halten sich die Neuerungen ohnehin stark im Rahmen, so dass ein Titel wie Crash of the Titans 1.5 vielleicht angebrachter gewesen wäre. Jump’n’Run-Fans mit einem Faible für die Beutelratte können dennoch bedenkenlos zugreifen. Alle anderen, insbesondere Besitzer des Vorgängers, sollten den Titel dagegen vor dem Kauf unbedingt anspielen.

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Packshot Crash: Herrscher der Mutanten

Crash: Herrscher der Mutanten

Release: 31.10.2008
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Entwickler:
Anzahl Spieler: 2
USK: 6