Testbericht: Carnival – Die Jahrmarkt-Party
Für viele Wii-Besitzer ist das Wort „Minispiel-Sammlung“ momentan wohl ein rotes Tuch. Auf der einen Seite mag dies verständlich sein, da vor allem in den ersten Monaten nach dem Launch das Line Up der Konsole arg zu Wünschen übrig ließ. Auf der anderen Seite sind die Minispiel-Sammlung bei weitem nicht so stark auf der Konsole vertreten, wie manch einer annehmen mag. Mittlerweile sind jedoch auch in diesem Sektor einige Titel vorhanden und so haben es neue Produkte schwer, da sie sich gegen etablierte Namen wie „Rayman Raving Rabbids“, „Wario Ware“ oder gar „Mario Party“ behaupten müssen. Aus dem Hause „2k“ kommt dennoch ein Titel, mit welchem man Party-Stimmung in die Wohnzimmer der Wii-Besitzer bringen will. Wir haben mit „Carnival – Die Jahrmarkt-Party“ selbst einen Ausflug auf den Rummelplatz gemacht und für euch herausgefunden, inwieweit das Vorhaben gelungen ist.
Auf dem Rummel!
Die weltweit sensationellen Verkaufszahlen seitens Nintendos neuer Konsole Wii hatten für den Spieler bislang leider nicht nur gute Seiten. Viele Publisher versuchten mit lieblosen Portierung schnell etwas vom großen Kuchen abzubekommen und brachten dabei spielerisch oftmals recht zweifelhafte Titel auf den Markt, die auch die technischen Fähigkeiten der Konsole kaum nutzten. Ins Kreuzfeuer der Kritik vieler Zocker sind aus diesem Grund vor allem die so genannten Minispiel-Sammlungen geraten, da diese meist mit offenbar wenig Entwickleraufwand relativ gute Verkaufszahlen versprachen. Dass auf der anderen Seite gerade die Erweiterung des Videospielmarktes im Gange war und ein „Casual Gamer“ eben lieber zu einem einfach zugänglichen Titel wie „Wii Sports“ oder „Wii Play“ greift, mag dabei für Zocker der ersten Stunde unverständlich sein, dennoch gehört es ebenso zum Wii-Konzept wie Nintendos nächster Mario-Titel. Spiele einzig aufgrund eines bestimmten Genres von vornherein zu verurteilen ist ohnehin falsch, denn oftmals verbergen sich hinter unscheinbaren Titeln kleine Perlen.
Auf den ersten Blick scheint dies auch im Falle von Carnival – Die Jahrmarkt-Party durchaus zutreffen zu können. Immerhin wurde seitens „2k“ eigens dafür das Sublabel „2k play“ gegründet und man beauftragte die Entwickler „Cat Daddy Games“ mit dem Titel. Das Setting auf einem Jahrmarkt ist dabei zwar nicht unbedingt originell, bisher aber noch unverbraucht in diesem Segment und sicher für einige potenzielle Käufer durchaus ansprechend. Großmundig werden auf dem Cover auch bereits die „Mehr als 25 Spiele“ angepriesen, wenngleich diese Anzahl verglichen mit dem Klassenprimus Mario Party 8 nicht wirklich herausragend ist. Wesentlich überzeugender wirkt dagegen schon den Preis des Games, da Carnival – Die Jahrmarkt-Party als Budget-Titel veröffentlicht wurde. Der geneigte Käufer könnte nun glauben, dass man gerade deswegen nicht viel falsch machen könnte. Das ist allerdings nur bedingt richtig. Doch immer der Reihe nach…
Vom Prinzip her bietet Carnival eigentlich in erster Linie genau das, was man von dem Titel auch erwarten würde: Minispiele in vielen Variationen, die thematisch allesamt so oder ähnlich auch auf einem Jahrmarkt zu finden wären. Dem Spieler wird die Wahl zwischen dem Einzel- und dem Mehrspieler-Modus gelassen, wobei Letzterer wahlweise mit einer oder bis zu vier Wii-Motes gespielt werden kann. Eine Story zu dem Game gibt es nicht, die gewünschten Spiele werden schlicht und ergreifend ausgewählt und dann gespielt. Dazu muss aber gesagt werden, dass sich die Entwickler ausschließlich an den Jahrmärkten in den USA und den dort verbreiteten Spiele orientiert haben. Das hat zur Folge, dass man in unseren Breitengraden nicht unbedingt alle Arten dieser Games kennen mag, aber spätestens jetzt kennenlernt. Gängige Jahrmarktspielchen wie „Hau den Lukas“, „Pferderennen“ oder eine „Schießbude“ sind dabei ebenso enthalten wie typische US-Spiele wie beispielsweise der „Badetag“, wo ein armer Tropf auf einer Planke mit einem gezielten Wurf auf eine Zielscheibe ins Wasser getaucht werden kann oder ein Football-Werfen durch Autoreifen.
Vor dem ersten Durchgang wird der Spieler übrigens kurzzeitig stutzen, denn Carnival verlangt die Erstellung eines eigens für das Game verwendeten Charakter. Warum hier nicht auf Nintendos Miis zurückgegriffen wurde, ist ein mir unerklärliches Rätsel, zumal die erstellbaren Charaktere hier nur wesentlich gröber definiert werden können. Neben einem Namen lassen sich auch diverse Kostüme, Verkleidungen und Accessoires einsetzen, die es zum größten Teil aber erst im Verlaufe der Minispiele freizuschalten gilt. Dies geschieht im Einzelspieler-Modus, wo man auf einem Wegweise aus fünf verschiedenen, mit jeweils unterschiedlichen Minispielen bestückten, Straßen wählen darf. Thematisch haben die Minispiele dabei nur bedingt etwas gemeinsam, die Anordnung sowie die Zuteilung der Namen wurde somit offenbar recht willkürlich gewählt. Die Minigames sind dabei allesamt einzeln anwählbar, wobei manche Spiele anfangs noch gesperrt sind. Um diese freizuschalten, müssen gute Ergebnisse in bestimmten Spielen erzielt werden. Je nach Abschneiden wird der Spieler dabei entweder mit kleinen, mittleren oder großen Preisen belohnt, die in virtueller Form präsentiert werden. Die Preise reichen hierbei von einfachen Stofftieren über Autos, Flugzeuge und andere Spielsachen bis hin zum Aquariumglas samt Goldfisch. Eine Statistik zeigt dabei die bereits erspielten Preise in einem Minispiel an. Schafft man eine bestimmte Vorgabe nicht, ist dies jedoch kein Beinbruch. Vier kleine Preise lassen sich beispielsweise in einen mittleren Preis eintauschen, drei mittlere Preise können euch einen großen Preis bescheren und wer zwei große Preise eintauscht, bekommt dafür den anderweitig nicht erhältlichen riesigen Preis, was oftmals mit dem Freischalten eines neuen Accessoires oder Minispiels einher geht.
Im Besitz befindliche Preise können unter der „Allee der Preise“ begutachtet werden. Doch damit nicht genug, denn gemessen an den absolvierten Leistungen gibt es zusätzlich noch Tickets zu erwerben. Je nach Ergebnis gibt es entweder ein, drei, sechs oder gar zehn Tickets pro Spiel zu gewinnen. Die Tickets können beispielsweise in den insgesamt fünf „Fun-Games“ eingesetzt werden, zu denen unter anderem ein recht sinnloser „Liebes-Tester“ sowie ein ebenso sinnfreier Wahrsager, aber auch das längerfristig motivierende „Preisdrücker“ gehört, bei dem für 25 Tickets 25 Münzen in einen Automaten mit beweglichen Plattformen geworfen werden. Sofern farbige Münzen vorne in den Abgrund geschoben werden, erhält man im Gegenzug dafür neue Tickets, so dass man hier mit Geduld und etwas Geschick sein Ticketkonto ebenfalls wieder aufbessern kann. Ausgeben lassen sich die Tickets übrigens auch für neue Gegenstände und Accessoires für eure Charaktere, die immer abgedrehter werden. Ihr wollt einen Wikingerhelm und Drachenflügel haben? Kein Problem! Durch dieses Konzept ist nicht nur für eine gewisse Motivation gesorgt, auch kommt hier bei einigen Spielern sicherlich der Sammeleffekt zum Vorschein, da man jeden erdenklichen Preis besitzen und alle Gegenstände freigeschalten haben möchte. Es dauert somit immerhin eine kleine Weile, bis man alle Preise gesehen, alle Accessoires freigeschaltet und alle Boni entdeckt hat.
Was im Einzelspieler-Modus recht gut funktioniert, wäre allerdings im eigentlichen Herzstück des Titels, dem Mehrspieler-Modus, beinahe in die Hosen gegangen. Dies ist in erster Linie der Präsentation sowie dem relativ lahmen Spielablauf zu verdanken. Die Erklärungen der Minispiele sind nicht generell abschaltbar, sondern müssen jedes Mal erneut weggedrückt werden. Zudem finden sich zwischen den einzelnen Versuchen der Spieler längere Animationen und Ruhepausen, die ebenfalls an der Spaßkurve kratzen. Dies macht sich vor allem mit vier Spielern negativ bemerkbar, wenn man ein Spiel ausgewählt hat, welches nicht zeitgleich, sondern reihum absolviert werden muss. Ein kompletter Absturz des Spiels während der ersten Testphase mit vier Spielern nach ca. 20 Spielminuten sorgte ebenfalls eher für Frust als für weitere Lust auf diesen Titel. Auch Schreibfehler in der deutschen Übersetzung wie ein „Totakl daneben!“ wirken nicht gerade als hätte man sich viel Mühe mit dem Game gegeben.
Hau den Lukas!
Ebenfalls gemischte Gefühle hinterlässt die Steuerung. Dabei ist es doch gerade bei Minispielen der Fall, dass deren Unterhaltungswert mit einer gut eingesetzten Steuerung steht und fällt. Man war auch sichtlich bemüht, die Funktionen der Wii-Mote in den meisten Spielen entsprechend zu integrieren. Die Vorstellung eines „Ringe werfen“ oder „Büchsen werfen“ mittels Wurfbewegungen mag dabei verlockend sein, leider wurde die Steuerung in einigen Spielen aber mehr als schlampig umgesetzt. Teils wird vom Spieler gefordert mit der Pointerfunktion der Wii-Mote zu zielen und anschließend zum Wurf die Wii-Mote gerade nach vorne zu stoßen. Hierbei hätte man schon in eigenen Tests merken müssen, dass dies meistens nach hinten losgeht und ein präzises Zielen recht schwer fällt. Während man hier mit etwas Übung dennoch passable Ergebnisse erzielen kann, sind andere Minispiele nahezu unspielbar. Beim „Froschkatapult“ reagiert die Wii-Mote entweder viel zu sanft und lässt den Plastikfrosch gerade einmal wenige Zentimeter nach vorne hüpfen oder aber viel zu stark und katapultiert den grünen Kerl weit über das Ziel hinaus. Hier die geforderte Seerose zu treffen avanciert zum reinen Glücksspiel und sorgt für regelmäßigen Frust beim Zocken. Auch in anderen Minispielen hat man oft das Gefühl, dass die Steuerung verschieden anspricht, auch wenn man die Bewegungen mit derselben Geschwindigkeit wie zuvor ausführt.
Hier hätte man bedeutend mehr Feintuning in die Steuerung fließen lassen müssen, um Carnival – Die Jahrmarkt-Party zum uneingeschränkten Partyspaß werden zu lassen. Dass es vom Prinzip her funktionieren kann, beweisen Minispiele wie die „Schießbude“, das mit einem netten Rückstoß-Effekt versehene „Sterneschießen“ oder im Ansatz auch der „Heiße Draht“-Verschnitt „Nerven aus Stahl“. Auf der anderen Seite sind aber viele andere Minigames vor allem aufgrund der ungenauen Steuerung nahezu unspielbar und machen alles, aber sicherlich keinen Spaß. Insgesamt bleibt damit gerade einmal eine Hand voll Minispiele übrig, die man auch gerne öfter spielt und nicht spätestens nach dem Freischalten der Preise niemals wieder anwählt. Dass die Ungenauigkeiten in der Steuerung nicht an der Wii-Mote selbst liegen, haben andere Genre-Vertreter mittlerweile ja zur Genüge unter Beweis gestellt.
Kunterbunte Atmosphäre
Selbst wenn man in Sachen Technik sicher keine Meisterleistung von einem Titel dieser Art erwartet, so hätte man sich seitens „Cat Daddy Games“ doch auch hier etwas mehr Mühe geben können. Grafisch wirkt Carnival eher wie ein Gamecube-Titel der frühen Phase. Die erstellbaren Charaktere sind nicht besonders detailreich gestaltet, mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass ihnen die Arme fehlen. Die Texturen im Spiel sind zwar bunt, aber sehr grobkörnig und vermitteln nur bedingt die gewünschte Jahrmarkt-Stimmung. Hinzu kommt, dass der Gastgeber „Barker“ eine recht unansehnliche Gestalt ist, dessen Animationen wohl an einer Hand abgezählt werden können. Gepaart mit gelegentlichen Clippingfehlern, leichten Rucklern und der insgesamt eher schwachen Präsentation wurde hier verdammt viel Potenzial verschenkt. Mit etwas Aufwand hätte man sicherlich zufrieden stellende Ergebnisse erzielen können, zumal das Setting hier einiges hergegeben hätte.
Wenigstens konnte man zumindest beim Sound teilweise punkten. Die Pluspunkte gibt es dabei in erster Linie für die Hintergrundmusik. So unbedeutend diese anfangs auch sein mag, die verschiedenen Musikstücke entpuppen sich schon bald als kleine Ohrwürmer und bringen die Stimmung auf einem Jahrmarkt gut ins eigene Wohnzimmer. Die Flöten, Orgeln und das Glockenspiel-Geklimper ist zwar keine kompositorische Meisterleistung, unterstreicht aber das Flair des Games. Die deutsche Sprachausgabe dagegen ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sind manche Kommentare wirklich gelungen und passen gut zum Geschehen. Oft aber überlagern sich die Sprachsamples oder kommen einfach in unpassenden Situationen. Die Soundeffekte selbst zählen eher zum Standardprogramm, passen aber gut zur Atmosphäre auf einem Jahrmarkt.
Fazit
Wer bisher noch keine Minispielsammlung für seine Wii hat und dies endlich ändern möchte, findet sicher bessere Alternativen als Carnival – Die Jahrmarkt-Party. Denn obwohl das Game zum Budget-Preis in den Läden steht, ist es dennoch nicht uneingeschränkt sein Geld wert. Nur hartgesottene Jahrmarkt-Fanatiker mit einem Faible für typisch amerikanische Spiele werden hier auf ihre Kosten kommen. Alle anderen sollten sich darauf gefasst machen, dass Carnival ihre Konsole technisch unterfordert und dem Spieler dank der oftmals ungenauen Steuerung die letzten Nerven kosten kann. Einige der Minigames sind dennoch gelungen und machen sogar langfristig Spaß. Auch die sammelbaren Preise und freischaltbaren Extras können motivieren. Dennoch wurde leider viel Potenzial verschenkt und nur wer krampfhaft nach einer weiteren Minispielsammlung sucht, sollte hier zugreifen.
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