Testbericht: Big Brain Academy für Wii

Gerade in Zeiten, in denen immer wieder darüber nachgedacht wird, die sogenannten „Killerspiele“ verbieten zu lassen, freut man sich über positive Meldungen aus dem Bereich der Videospiele. Nintendos weltweite Erfolge mit den beiden „Dr. Kawashima“-Teilen für den DS sind da ein gutes Beispiel, zeigen sie doch, dass Videospiele nicht immer blutrünstig und gewalttätig sein müssen. Nein, man kann damit sogar sein Gehirn joggen schicken! „Na, das bekommt der Nachwuchs zum Geburtstag!“ denken sich die Eltern und spielen es nach einer Testrunde dann im Endeffekt selbst. So muss es vielerorts offenbar aussehen, gemessen am Erfolg der Titel. Auch das vor gut einem Jahr auf dem DS erschienene „Big Brain Academy“ geht in diese Richtung und findet nun mit „Big Brain Academy für Wii“ die erste Umsetzung für Nintendos Heimkonsole. Ob sich das Spielprinzip vom Handheld auf die Konsole verlustfrei übertragen ließ?

Heiteres Kopfzerbrechen…

…mit Freunden und der ganzen Familie! Das verspricht Nintendo mit der Umsetzung des Big Brain Academy-Konzepts für die Wii. Ziel des Spiels ist es, die Masse des eigenen Gehirns zu erhöhen. Dabei sollen diverse Übungen helfen, die der Spieler möglichst täglich absoliert. Paralellen zu Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging sind unverkennbar, nur wird diesmal nicht das Alter des Gehirns verjüngt, sondern dessen Masse vergrößert. Wie man sich das in der Praxis vorzustellen hat und ob wir hier in der Redaktion ab nächster Woche alle mit riesigen Wasserköpfen umherlaufen, wird sich zeigen. Die Hirnverjüngung des Dr. Kawashima spricht meiner Meinung jedoch eine breitere Zielgruppe an und klingt auch verlockender als sein Hirn von 1kg Hirnmasse auf über 3kg aufzupusten.

Sieht man von dieser etwas eigenartigen Motivation, sich das Game überhaupt zuzulegen aber einmal ab, präsentieren sich dem Spieler in Big Brain Academy für Wii – so der offizielle deutsche Titel, der mir weit weniger gefällt als das englische Pendant Big Brain Academy – Wii Degree – etliche amüsante und kurzweilige Aufgaben. Ein ulkig aussehender Professor begrüßt den Spieler mit einer kurzen Einleitung und stellt auch seine – man hat die Zeichen der Zeit erkannt – Assistentin vor. Wer nun eine gut gebaute Blondine auf dem Screen erwartet hat, wird allerdings enttäuscht sein. Stattdessen begrüßt euch eine nette Frauenstimme aus dem Lautsprecher der Wiimote, die man während des Spiels noch öfter hören wird. Doch zuerst einmal muss man sich als Neuankömmling in der Akademie anmelden. Man füllt dafür ein Formular mit seinem Namen aus und wählt einen Mii als Passfoto, denn ja, die Miis werden in das Spiel eingebunden. Der Mii-Kopf wird künftig auch auf dem persönlichen Studienbuch zu sehen sein, in welchem alle Rekorde und Spielergebnisse eines Spielers gespeichert werden. In den Hallen der Akademie angekommen, darf man dann erst einmal kurz darüber staunen, dass einem die anderen Mitspieler alle so bekannt vorkommen. Huch, sind das etwa…? Nicht möglich, oder? Doch, es laufen tatsächlich die Miis aus dem eigenen Mii-Kanal als Schüler im schicken Cel-Shading Look über den Gang. Ein kleiner Gag, der aber einen guten Eindruck hinterlässt und das Spiel gleich etwas persönlicher und vertrauter wirken lässt.

In der Regel wird man das Game zuerst einmal alleine erkunden und sich somit der Sektion für 1 Spieler auf der linken Seite des Büros widmen. Hier findet man die „Übungen“ sowie den „Test“ wieder, mit dessen Hilfe das aktuelle Gewicht des Gehirns ausfindig gemacht werden soll. An Übungen stehen insgesamt 15 verschiedene, im Vergleich zur DS-Version komplett neu gestaltete, zur Auswahl, die allesamt in fünf unterschiedliche Kategorien unterteilt sind: Vision, Memoria, Analyse, Algebra und Piktura. Die je drei Übungen einer Kategorie widmen sich dann auch alle dem Hauptthema, wie sollte es anders sein. Bei „Vision“ beispielsweise drehen sich die drei Aufgaben alle um eine genaue Beobachtungsgabe des Spielers. In der ersten Übung „Pikto-Jagd“ müssen die angezeigten Symbole in einer Art „Hau den Maulwurf“-Spiel getroffen werden. Der „Bildfokus“ präsentiert erst unscharfe, pixelige oder fast verdeckte Bilder, die mit der Zeit immer deutlicher werden und wo es natürlich schnellstmöglich herauszufinden gilt, was sich auf dem Bild befindet. Die letzte Übung „Nacht-Safari“ lässt den Spieler mit einer Taschenlampe das Dunkel erleuchten und man muss erkennen, von welcher Tiergattung sich die meisten Exemplare hier aufhalten.

Die vier anderen Kategorien bieten ähnlich geartete Übungen, die jeweils auf deren Thematik abgestimmt sind. Vor dem Spielen lassen sich die Regeln lesen, die sehr übersichtlich und gleich für alle drei Übungen angezeigt werden. Zudem lässt sich der Schwierigkeitsgrad zwischen „Leicht“, „Mittel“ und „Schwer“ bestimmen. Nach einer absolvierten Übung kommt man zur Auswertung und der Professor vergibt Medaillen. Dieser Punkt erinnert an Wii Sports, lassen sich hier doch auch bronzene, silberne und goldene Ränge erzielen. Besonders herausragende Leistungen werden zudem mit einer Platin-Medaille belohnt. Und wer sich auf der schweren Stufe beweist, dem wird der vierte Schwierigkeitsgrad „Experte“ für diese Übung freigeschaltet. Der Einzelspieler hat also jede Menge zu erkunden. Auf den ersten Blick erscheinen die insgesamt 15 Übungen nicht besonders umfangreich. Nach wenigen Stunden hat man sie alle durchgespielt und als einigermaßen geübter Zocker auf dem leichten und mittlerem Schwierigkeitsgrad die Gold-Medaille geholt. Die schweren Übungen erfordern allerdings etwas mehr Geschick und verlangen zudem neben einem fehlerfreien Bestehen auch eine gewisse Schnelligkeit, denn auch auf diese kommt es bei Big Brain Academy an.

Möchte man nun endlich wissen, wie schwer das eigene Gehirn ist und hat gerade keine passende Waage zur Hand, sollte man sich dem „Test“ widmen. Für den Test werden die Übungsaufgaben in zufälliger Reihenfolge gewählt und sind in mehreren Schwierigkeitsstufen zu bewältigen. Man sollte also erst mit den Übungen einigermaßen vertraut sein, bevor man sich in den ersten Test stürzt. An dieser Stelle erinnert das Game ein klein wenig an Wario Ware: Smooth Moves, da teils sehr schnell zwischen den Übungen gewechselt wird und der Spieler auch etwas unter Druck steht, alles schnell und richtig zu lösen. Anschließend erfolgt die Bewertung durch den Professor, der einem genau mitteilt, in welchem der Bereiche man gut war und wo noch weiterer Übungsbedarf besteht. Dies wird zudem in einem Fünfeck anschaulich dargestellt. Das errechnete Gewicht des Gehirns wird angezeigt und man erhält eine Einstufung in einen Level, was man natürlich beides verbessern kann. Schade ist, dass hier nicht wie bei Dr. Kawashima nur ein Ergebnis pro Tag gespeichert wird und man so dazu angehalten wird täglich zu spielen und sich zu verbessern. Aus diesem Grund gibt es auch keine Kalenderfunktion, in der eine Grafik die eigene Entwicklung anzeigt. Eine entsprechende Funktion hätte sicherlich die Langzeitmotivation des Titels erhöht, so muss man sich selbst dazu anspornen die erzielten Ergebnisse noch zu verbessern.

Wer etwas Abwechslung vom täglichen Training sucht, der sollte sich den drei enthaltenen Multiplayer-Games widmen. Zum einen hätten wir hier das „Gehirn-Quiz“, welches alleine oder mit bis zu sieben weiteren Mitstreitern spielbar ist. Als maximal Viererteam tritt man hier gegeneinander in einer Art „Quiz“ an, wobei auf einer Quizwand die Symbole der zu erledigenden Spiele angezeigt werden. Binnen eines Zeitlimits muss derjenige Spieler, der an der Reihe ist, die gestellten Aufgaben möglichst oft erledigen und sammelt so Punkte. Verschiedene Schwierigkeitsgrade, Bonusfelder mit doppelten Punkten und überraschend auftauchende „Experten“-Schwierigkeitsgrade machen das Game kurzweilig. Zudem tauchen hier fünf weitere Übungen auf, die man anderweitig nicht anspielen kann. Besonders beim ersten Mal lustig, später etwas langweilig ist die „Bestellung“: Hier klingelt es in der Wiimote, man nimmt mit „A“ ab und lauscht nun einer aufgegebenen Essensbestellung direkt aus der Wiimote, die man sich merken und auf dem Screen anklicken muss. Macht man in den Übungen einen Fehler, ist das Punktesammeln zu Ende und sind alle Felder umgedreht, werden die erzielten Punkte addiert und das Siegerteam gekürt. Der „Gehirn-Marathon“ lässt sich ebenfalls alleine oder mit sieben weiteren Spielern bestreiten. Hier darf der Schwierigkeitsgrad und das Aufgabenfeld gewählt werden, bevor man gegen die Uhr Übungen korrekt erledigen muss. Absolvierte Aufgaben geben dem Spieler einen Zeitbonus. Läuft dieser ab oder macht man einen einzigen Fehler, ist der Marathon zu Ende. Im Mehrspielermodus wird hier eine Wiimote benutzt und jeweils weitergereicht.

Das absolute Highlight des Titel ist zweifelsohne der „Gehirn-Sprint“. Hier haben wir es zudem mit der einzigen Aufgabe zu tun, in welcher zwei Spieler gleichzeitig gegeneinander antreten können. Man wählt auch hier das gewünschte Aufgabenfeld sowie die Länge des Sprints (also wieviele Übungen zu absolvieren sind) und schon geht es los! Jede erfolgreich absolvierte Aufgabe lässt den Spieler dabei einen Punkt nach vorne rücken, macht man einen Fehler kassiert man Strafsekunden und muss die Übung von vorne beginnen. Wer zuerst im Ziel ist hat natürlich gewonnen. So simpel dieser Sprint klingen mag, so spaßig ist er doch mit mehreren Spielern an der Konsole. Da beide Spieler unterschiedliche Aufgaben erledigen müssen, kann man dabei ebenso leicht abgelenkt werden wie von weiteren Mitspielern, die um einen herumstehen und die vermeintlich richtige Antwort rufen. Partyspaß ist hier also vorprogrammiert! Doch auch als Einzelspieler lässt sich dieser Modus hervorragend nutzen. Entweder tritt man gegen einen CPU-Gegner mit vorher bestimmter Schwierigkeitsstufe an oder, und jetzt wird es interessant, man nutzt eines der Studienbücher als Gegner. Man kann sich hierbei also mit seinen eigenen erzielten Rekorden messen oder auch die Studienbücher von Freunden nutzen. Diese werden über das „Büro“ dank WiiConnect24-Unterstützung einfach ausgetauscht und lassen sich an alle User aus seiner Wii-Liste schicken, ohne dass eine zusätzliche Eingabe eines Codes notwendig ist. Dieses direkte Importieren des Freundesliste in das Game lässt darauf hoffen, dass auch andere Spiele künftig dieses Feature nutzen. Dadurch ist es auch durchaus sinnvoll in den Übungen im Einzelspielermodus möglichst gut abzuschneiden, da dann der Freund, dem man sein Studienbuch geschickt hat, einen entsprechend starken Gegner im Sprint vorgesetzt bekommt. Noch besser wäre es zwar gewesen, wenn Nintendo Big Brain Academy hier einen richtigen Onlinemodus mit direkten Duellen spendiert hätte, ein erster Schritt in die richtige Richtung ist es aber allemal.

Steuerung

Zur Steuerung selbst müssen nicht viele Worte verwendet werden. In erster Linie wird die Pointerfunktion der Wiimote genutzt, um sich durch die Menüs zu navigieren oder in den Übungen jeweils die richtigen Lösungen anzuklicken oder die geforderten Aktionen auszuführen. Was auf den ersten Blick etwas ernüchternd scheinen mag, immerhin bietet die Wiimote doch weitaus mehr Möglichkeiten, entpuppt sich letztlich aber als cleverer Schachzug seitens Nintendo. Die Pointerfunktion in Big Brain Academy ist unglaublich genau und reagiert überaus zuverlässig. Und da man nicht in anderen Minispielsammlungen den Controller ständig drehen, rütteln, schütteln und schwingen muss, ist hier ein durchaus entspanntes Spielen möglich. Die Action soll ja auch in erster Linie im eigenen Hirn stattfinden, nicht im Handgelenk. Zwar hätte die ein oder andere Abwechslung vielleicht auch nicht schaden können, aber gerade durch diese Reduktion auf das Wesentlich hebt sich Big Brain Academy von der Konkurrenz ab.

Grafik

Dies muss auch gesagt werden, wenn es um die Grafik des Titels geht. Am besten lässt sich hier vielleicht wieder ein Vergleich mit Wii Sports ziehen. Auch in der Akademie wird in erster Linie Wert auf eine klare und einfach strukturierte Optik gelegt. Effekthaschereien sucht man vergeblich und wer grafische Spielereien erwartet, ist hier sicherlich falsch. Andererseits überzeugt aber gerade dieser einfache Stil in seiner schlichten Eleganz, wie es eben auch schon Wii Sports tat. Die Optik passt zum Titel und soll in erster Linie einen einfachen Einstieg durch ein klares, leicht zu verstehender Interface bieten. Die Unterstützung von 60Hz (480i)- sowie 480p-Modus bestäitgen diesen Eindruck. Schade ist nur, dass die Hallen der Akademie in 16:9 dargestellt werden, die Übungen selbst aber im 4:3-Modus erscheinen.

Sound und Musik

Soundtechnisch gesehen wird dem Spieler zugegebenermaßen mehr geboten als erwartet. Rechnete ich anfangs nicht mit herausragenden Effekten, hat mich die den Spieler konstant anfeuernde Dame aus der Wiimote doch positiv überrascht. Da der Soundchip der Wiimote qualitativ nicht sonderlich hochwertig ist, klingt ihre Stimme zwar manchmal etwas dumpf und kratzig, aber die Idee ist gut gelungen. Auch die anderen Effekte reihen sich gut in das Gesamtbild mit ein und sind sehr abwechslungsreich geworden, vor allem bei der Übung „Rücklauf“. An der Musikuntermalung werden sich dagegen die Geister sicherlich scheiden. Die fröhlichen und beschwingten Melodien mit ihrem leicht trashigen Blöckflöten-Charme haben es mir persönlich richtig angetan und gehen mir selbst beim Schreiben dieser Zeilen noch durch den Kopf. Anderen dagegen wird das Gedudel sicher schnell auf die Nerven gehen. Stilistisch gesehen wurde aber auch hier zu 100% ins Schwaze getroffen, der Sound passt einfach zu dem Game.

Fazit

Hat Nintendo es geschafft, das Konzept von Big Brain Academy vom DS auf die Wii zu übertragen? Zum größten Teil ja, muss ich zugeben. Die in sich stimmige Präsentation mag zwar technisch niemanden vom Hocker hauen, passt aber wie die Faust aufs Auge zum Gesamtkonzept des Titels: Leicht zugängig, einfach zu bedienen. Auch wenn 15 Übungsaufgaben nicht viel erscheinen, wird man sich auch als Profi an den härteren Schwierigkeitsgraden längere Zeit versuchen müssen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Das Erlangen von Medaillen ähnlich wie bei Wii Sports soll hier zusätzlichen Anreiz geben. Zwar kann der „Test“ zur Ermittlung der eigenen Hirnmasse mangels langfristiger Statistikfunktionen nur bedingt fesseln, dafür gleicht dieses Manko der Multiplayermodus wieder aus. Hier punktet man vor allem mit dem „Gehirn-Sprint“ für zwei Spieler. Zudem lassen sich die eigenen Rekorde im Studienbuch mit Online-Kollegen austauschen und vergleichen. Nintendos Reihe „Touch Generations“ feiert somit auch auf der Wii ihren recht gelungenen Einstieg – und das zum „Nice Price“. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es natürlich noch, Spaß macht Big Brain Academy für Wii aber trotz der erwähnten Mängel allemal.

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Packshot Big Brain Academy für Wii

Big Brain Academy für Wii

Release: 20.07.2007
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Entwickler:
Anzahl Spieler: 8
USK: