Testbericht: Ben 10: Protector of Earth
Comics, Zeichentrickserien und Kinofilme liefern bereits seit Jahren immer wieder die Vorlage für die dazugehörigen Videospielumsetzungen. Meist erlebt der Spieler dann eine uninspirierte Umsetzung, in der neben dem Geld für die Lizenz wohl nicht mehr genug Kohle für ein anständiges Progammiererteam übrig war, welches zudem noch unter Zeitdruck den Titel möglichst schnell fertigstellen musste. Dass es auch anders ablaufen kann, möchte „High Voltage Software“ unter Beweis stellen, die mit „Ben 10: Protector of Earth“ die Umsetzung der gleichnamige Cartoon-Reihe auf Nintendos Wii bringen. Wir haben unsere Superkräfte spielen lassen, mit den Aliens gekämpft und können euch nun von unseren Erlebnissen berichten.
Wer hat an der Uhr gedreht?
Wer bislang noch nichts von der Serie Ben 10: Protector of Earth gehört hat, muss sich deswegen nicht schämen. Es handelt sich dabei um eine relativ neue Serie des amerikanischen „Cartoon Network“ aus dem Jahre 2005, die bei uns aktuell samstags auf Kabel 1 ausgestrahlt wird. Protagonist der Trickserie ist dabei ein kleiner Junge Namens Benjamin Tennyson, auch Ben genannt. Während eines Sommerurlaubs mit seinem Großvater Max, einen ehemaligen Wissenschaftler der Sicherheitsabteilung, und mit seiner Cousine Gwen, findet Ben nach einem Meteoriteneinschlag eine seltsame Uhr. Nachdem er sich diese ums Handgelenk geschnallt und ein wenig mit ihr herumgespielt hat, erfährt er deren unheimliche Kräfte am eigenen Leib. Ben verwandelt sich in die Form eines Aliens! Mit der Zeit lernt er seine Fähigkeiten zu kontrollieren und beherrscht das „Omnitrix“, so der Name seines kosmischen Zeitanzeigers. Auf diese Art und Weise ist es Ben möglich, sich in insgesamt zehn verschiedene Alienformen zu verwandeln, von denen jede ihre eigenen, ganz speziellen Fertigkeiten aufweist. Mit seinen Superkräften lernt Ben auch Verantwortung zu übernehmen. Dies ist auch dringend notwendig, denn eine geheime Macht scheint die Erde zu bedrohen.
Doch auch ohne diese Vorkenntnisse lässt sich Ben 10: Protector of Earth problemlos spielen, wenngleich das Game natürlich in erster Linie an die Fans der TV-Serie gerichtet sein dürfte und somit ein jüngeres Zielpublikum hat. Im Gegensatz zur Serie hat man den Plot in der Videospielumsetzung aber geringfügig geändert. Wo Ben in der Trickreihe nämlich gerade in den ersten Folgen noch Probleme mit der Omnitrix hat, nie weiß in welche Alienform er sich gerade verwandeln wird und auch später noch quasi als Running Gag mal die falsche Form erwischt oder einfach zurückverwandelt wird, geht man im Videospiel etwas geradliniger zu Werke. Zu Beginn stehen eurem Protagonisten nach der Wahl aus drei Schwierigkeitsgraden dabei allerdings nur zwei Alienformen zur Auswahl: Der feurige Inferno und Four-Arms, dessen Fähigkeit sich ebenfalls bereits aus seinem Namen ableiten lässt. Weitere Alienformen können im Laufe des Spiels freigeschalten werden, bzw. gesellen sich an vorgegebenen Stellen automatisch dazu und werden in die Omnitrix integriert, so dass sie von Ben verwendet werden können. Im Vergleich zu eurem Haupthelden selbst sind die Alienformen natürlich wesentlich stärker und verfügen auch alle über Sonderfähigkeiten. Schweben in der Luft, Projektilangriffe, mächtig Power in den Armen, blitzschnelle Geschwindigkeit – eben alles, was man sich so unter Superkräften vorstellt, ist auch in Ben 10: Protector of Earth vertreten. Allerdings ist die Zeit in der Aliengestalt unseres Jungspundes begrenzt und so muss man abwägen, ob man die Gegnerschergen lieber als kleiner Junge oder als schlagkräftiges Monster abservieren möchte.
Mag dies bei den ersten Kontrahenten noch relativ egal sein, stecken die späteren Fieslinge weitaus mehr Treffer ein und – schlimmer noch – teilen diese auch kräftig aus. Wird Ben in seiner Alienform dabei getroffen, verliert er zunehmend an Kraft und muss sich spätestens dann, wenn seine Energieleiste erschöpft ist wieder in einen kleinen Jungen verwandeln. Zum Glück regenerieren sich in diesem Moment seine Verwandlungskräfte wieder, so dass man nach einigen Sekunden bereits erneut in die Form eines Aliens schlüpfen kann. Das ist auch gut so, denn geht Ben selbst die Kraft aus, wird man an den letzten Rücksetzpunkt verfrachtet. Sonderlich tragisch ist dies aber nicht, da diese großzügig in den einzelnen Levels verteilt wurden. Diverse sammelbare Goodies verlängern zudem nicht nur die Energieleiste, sondern füllen diese auch wieder auf oder verleihen euch kurzzeitige Unverwundbarkeit oder stärkere Angriffskraft. Durch die Stages prügelt ihr euch in einer meist seitlichen Perspektive und trefft dabei immer wieder auf kurze Sprungpassagen, die meiste Zeit werdet ihr aber mit dem Eliminieren von Gegnern und dem Zerstören von Gegenständen beschäftigt sein. Wie in klassischen Sidescroll-Prüglern müsst ihr dabei immer erst eine Zone von den auftauchenden Opponenten befreien, bevor ihr im Level weiter voranschreiten könnt. Neben den Standardangriffen stehen euch dabei allerhand Combos zur Verfügung. Mehr als 80 Combos verspricht die Anleitung, allerdings sind dabei auch die Angriffsvarianten der insgesamt fünf Alienformen bereits mit eingerechnet. Dennoch wurde ein Level Up-System mit eingebaut, welches euch nach dem Erreichen der nächsten Stufe sogar die Wahl lässt, für welche Alienform ein neuer Move freigeschaltet werden soll. Betritt ein neuer Gegner die Bildfläche, so wird dieser übrigens in einer kleinen Grafik kurz vorgestellt und bewertet, so dass ihr dessen Stärken und Schwächen gleich kennt und entsprechend agieren könnt, was eine recht nette Idee ist.
Teils versucht man zudem mit Rätseleinlagen das Geschehen etwas aufzulockern. Hierbei wurden die Rätsel aber relativ einfach gestrickt und erfordern in der Regel einen leicht zu durchschauenden Einsatz der Superfähigkeiten. In der Alienform XLR8 (na, wer hat den englischen Wortwitz durchschaut?) beispielsweise müsst ihr eure Beine in die Hand nehmen, um ein sich schnell schließendes Portal durchqueren zu können, während Inferno dagegen Flammen in sich aufsaugen und somit Brände löschen kann. Wer ungern alleine spielt, darf jederzeit einen zweiten Spieler sich in das Geschehen einklinken lassen, was die Langzeitmotivation durchaus anhebt. Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, dass in den Levels zudem jeweils drei Karten versteckt wurden, die es ebenfalls zu finden gilt. Da manche Stages Geheimnisse bergen, die man erst mit einer später freigeschaltete Alienform lüften kann, lassen sich nach dem erfolgreichen Absolvieren eines Levels einzeln anwählen und erneut spielen. Dadurch kann man nicht nur alles Extras ergattern, sondern auch seine eigenen Bestmarken schlagen, denn nach dem Abschluss eines jeden Levels wird euch eine Bewertung verpasst, die sich vor allem nach der benötigten Spielzeit richtet. In manchen Stages stellt sich euch vorher aber noch einer der obligatorischen Obermotze in den Weg, die zumindest teilweise aus der Serie integriert wurden. Hier muss meist etwas taktisch geprügelt werden, um letztlich zum Erfolg zu kommen. Denn reicht bei normalen Gegnerhorden unter Umständen schon die Haudrauf-Methode, möchten die großen Fieslinge etwas differenzierter zerlegt werden. Schläge müssen geblockt werden, bevor man im richtigen Moment zuschlagen kann. An dieser Stelle kommen auch kleine Minigames ins Spiel. Wer aber nun schon aufstöhnt und eine Minispielsammlung befürchtet, kann beruhigt werden. Man muss lediglich binnen wenigen Sekunden per Pointerfunktion der Wiimote auf die angezeigte Stelle auf dem Screen zeigen, damit euer Alienheld den Fiesling stilvoll plättet.
Hau drauf?
Dies bringt uns direkt zum Thema „Steuerung“. Im Prinzip könnte man Ben 10: Protector of Earth als einen simplen Button-Masher bezeichnen, denn mit dem Einsatz der A- und B-Knöpfe für die leichten und harten Schläge kommt man prima aus und kann die meisten Gegner besiegen. Allerdings macht man dann von den Combos im Spiel keinerlei Gebrauch, was schade wäre. Durch deren Vielzahl muss man aber die genauen Kombinationen nicht unbedingt auswendig lernen, sondern kommt auch durch experimentelles Tastendrücken zum Erfolg. Was den Hardcorezocker eher abschreckt, dürfte für die jüngere Zielgruppe des Titels dagegen recht gut geeignet sein. Der Rest der Steuerung wurde überraschend übersichtlich gehalten. Der Anlogstick steuert Ben durch die Stages, während die Buttons Z und C für das Springen – sofern benötigt auch als Doppelsprung – und das Blocken zuständig sind. Mit dem Steuerkreuz lässt sich links und rechts durch die Alienformen scrollen, ein Druck nach oben aktiviert und deaktiviert die Kräfte, während man mit einem Druck nach unten die Sonderfähigkeiten der Alienformen auslöst.
Moment mal, vermissen wir da aber nicht etwas? Richtig, die Wii-Funktionen! Diese wurden natürlich nicht vergessen, müssen aber nicht zwingend zum Einsatz kommen. Wie das? Ganz einfach. Ben 10: Protector of Earth bietet gleichzeitig die Möglichkeit die Attacken entweder per Knopfdruck auszulösen oder aber alternativ dazu die Wiimote zu schwingen. Nach rechts und links für schwache Angriffe und nach oben und unten für die starken Attacken. Wer also gerne mit vollem Körpereinsatz spielt, darf das ruhig tun und wer sich dagegen entspannen möchte, drückt einfach die Buttons. Im Vergleich zu anderen Button-Mashern hat man so den Vorteil, dass man dem Spieler keine Steuerungsvariante aufzwängt und man selbst wählen kann, ob man mit Fuchteln oder Tastendrücken seine Gegner ins Nirwana befördert. Ein Lob gebührt den Programmierern übrigens auch für den präzisen Einsatz der Pointerfunktion, die nicht nur in den Menüs, sondern auch in den Minispielen der Bosskämpfe zum Einsatz kommt. Eine derart präzise Pointerfunktion ist man sonst eigentlich nur von den Spielen aus dem Hause Nintendo gewöhnt. Insgesamt spielt sich Ben 10: Protector of Earth somit trotz mangelnder Abwechslung im Kampfgeschehen erstaunlich tight und es macht wirklich Spaß, mit den verschiedenen Alienformen um sich zu prügeln.
Comic-Look
Auch auf technischer Seite hat man im Hause „High Voltage Software“ vieles richtig gemacht. Ausgehend von der Vorlage der Zeichentrickserie, hat man dem Game einen Cel Shading-Look verpasst. Wird diese Technik mittlerweile oftmals verwendet um grafische Unzulänglichkeiten zu übertünchen, ist sie im Falle von Ben 10: Protector of Earth durchaus angebracht und trägt zur Atmosphäre des Titels bei. Die Stages sind dabei zwar nicht allzu abwechslungsreich gestaltet, wirken aber in sich allesamt stimmig. Kleine Gimmicks lockern zudem das Spiel auf uns zeugen von den Ideen der Programmierer. Wenn man bereits im Hintergrund der Stages den Endboss sehen kann, wie er unaufhaltsam immer weiter auch euren Protagonisten zukommt und ihn von aus der Ferne versucht zu attackieren, dann ist das überaus stimmungsvoll. Ebenso passend zur Atmosphäre hat man die Zwischensequenzen gestaltet, welche die Story weitererzählen. Ben 10: Protector of Earth läuft im 60 Hz-Modus und ist HDTV-kompatibel. Auch wenn das Game die grafischen Fähigkeiten der Wii nicht ausnutzt, so hinterlässt es dennoch einen mehr als passablen optischen Eindruck. Selbst bei höherer Gegneranzahl auf dem Screen oder bei den teils riesigen Endbossen geht die Engine nicht in die Knie. Effekte wie Explosionen wirken ansprechend, wenn auch nicht überragend. Einzig bei den Schatten haben die Programmierer etwas geschludert, denn sobald ihr vor einer Wand steht, werden diese unnatürlich nach oben und unter verzogen, was nicht gerade schön wirkt. Etwas mehr Abwechslung hätte auch bei den Gegnern nicht geschadet. Zwar gibt es verschiedene Sorten an Fieslingen, oftmals unterscheiden diese sich allerdings nur durch das Hinzufügen eines Schilds, anderer Waffen oder durch den Einsatz von Projektilen. Ebenfalls eine Möglichkeit zur Optimierung wäre bei einigen Animationen gegeben, wobei diejenigen von beispielsweise XLR8 wirklich gelungen sind.
Der Sound kann mit dem Originalsong der TV-Serie aufwarten und bietet eine englische Sprachausgabe, die jedoch nicht wirklich herausragend ist. Das gilt genauso für die etwas laschen Effekte, die deutlich mehr „Wumms“ hätten vertragen können. Zu guter letzt muss sich auch die Hintergrundmusik ein paar Schelte gefallen lassen, dudelt sie doch meist recht uninspiriert aus den Boxen. Die deutsche Anpassung erfolgte übrigens einzig durch Untertitel, so dass der spielende Nachwuchs selbständig lesen können sollte. Und möchte man die Anzeigen im Pausenmodus aus der Anleitung verstehen, sollte man Französisch können, hier wurde nämlich im deutschen Handbuch eine Seite vergessen zu übersetzen – aber das nur am Rande bemerkt.
Fazit
Ben 10: Protector of Earth richtet sich in erster Linie an eine jüngere Zielgruppe, die auch die Cartoonserie kennt. Diese wird mit dem Spiel ihre helle Freude haben, denn selbst wenn sich Ben nur in insgesamt fünf Alienformen verwandeln kann, ist hier wie auch in der Serie jede Menge Action angesagt. Die griffige Steuerung sowie die grafisch ansprechende Umsetzung im Cel Shading-Look lassen trotz kleinerer Mängel darüber hinwegsehen, dass der Sound eher durchschnittlich ist und man auch in Sachen Abwechslung gerne noch mehr hätte bieten können. Schade, dass der Titel insgesamt gesehen recht einfach ist – Profis haben das Spiel somit schnell durchspielt und alle Extras ergattert. Der Nachwuchs, für den das Spiel ja hauptsächlich gedacht sein dürfte, sollte aber eine Zeit lang damit beschäftigt sein.
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