Testbericht: Anno – Erschaffe eine neue Welt
Die „Anno“-Reihe ist nicht umsonst eine der erfolgreichsten Spieleserien auf dem PC. Perfekt ausgeklügeltes Gameplay wird hier mit einer tollen Optik und einer unglaublichen Langzeitmotivation kombiniert. Jetzt steht mit „Anno – Erschaffe eine neue Welt“ auch ein exklusiv für Nintendos Wii entwickelter Teil in den Regalen. Inwieweit unterscheidet sich die Konsolenversion dabei vom PC-Vorbild? Wir haben für euch gesiedelt, gebaut, gekämpft und wollen nun davon ausführlich berichten.
Ahoi Entdecker!
Setzt die Segel! Als Sohn des Königs seid ihr für das Schicksal eures Landes verantwortlich. Die Nahrungsvorräte neigen sich dem Ende zu und es gilt neues Land zu besiedeln. Dies zumindest ist die Ausgangssituation im Storymodus von Anno – Erschaffe eine neue Welt für die Wii. Im Laufe von sieben Kapiteln durchlebt der Spier dann die Geschichte des Protagonisten William sowie seines Bruders Edward, der in ständiger Konkurrenz zu euch steht, von friedlichem Siedeln nichts hält und am liebsten alle fremden Völker unterjochen würde. Dass ihr als „braver Prinz“ dagegen mit dem Orient paktiert und ein Handelsabkommen trefft versteht sich dabei von selbst. Lediglich gegen die finsteren Korsaren auf hoher See greift ihr zur Waffe. Zuviel will ich von der Story dabei nicht verraten, wenn gleich sie insgesamt recht flach und vorhersehbar ist. Doch unterhält sie den Spieler in den hübsch gezeichneten Zwischensequenzen recht gut.
Einsteigern in die Welt der Aufbau- und Wirtschaftssimulationen sei übrigens ebenfalls der Storymodus empfohlen. Nach und nach wird euch hier nämlich beigebracht, wie ihr euer kleines Fischerdorf zu einer großen Metropole ausbaut. Der Storymodus ist somit als ein riesengroß angelegtes Tutorial zu sehen. Sobald es Neuigkeiten im Menü zu entdecken gibt, werdet ihr darauf hingewiesen und eure beiden Berater erklären euch wie ihr die neuen Möglichkeiten im Spiel nutzt. Begonnen wird in der Regel auf einer unbewohnten Insel, wo ihr mit eurem Schiff anlegt und ein Kontor errichtet. Danach gilt es die Insel zu bewirtschaften und Häuser zu bauen, damit sich dort eure Untertanen ansiedeln können. Ein Holzfäller sorgt für das notwendige Baumaterial und in einer Fischerhütte wird für den erforderlichen Nachschub an Nahrung gesorgt. Sobald eure Pilger satt und zufrieden sind könnt ihr ihnen eine kleine Kapelle spendieren, damit sie ihrem Glauben nachgehen und dadurch zur nächsten Bevölkerungsstufe der Siedler aufsteigen. So zahlen sie zwar höhere Steuern an euch, verlangen dafür aber auch die entsprechenden Gegenleistungen.
In insgesamt fünf Stufen kann eure Bevölkerung so aufsteigen und letztlich das Level der Aristokraten erreichen. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg, denn die Ansprüche eurer Einwohner steigen konstant. Kräuter, Gewürze, feine Gewänder, ein Badehaus in der Nähe sowie einen Park für die Stunden der Muse – das will alles erst einmal beschafft werden. Nebenbei müsst ihr eure Finanzen im Auge behalten, denn sonst ist die Staatskasse bald leer und ihr könnt nichts mehr bauen. Die Steuern dürft ihr dabei allerdings nicht nach Belieben erhöhen, denn nur wenn eure Einwohner zufrieden sind zahlen sie auch gerne Steuern. Fehlen ihnen ein paar ihrer Bedürfnisse sinken auch eure Einnahmen aus den Steuern und im schlimmsten Fall entwickeln sich eure Bewohner eine Stufe zurück, sofern ein Mangel an Gütern über einen längeren Zeitraum nicht befriedigt werden kann. Schnelle Abhilfe kann dabei zwar über einen Einkauf im freien Markt getätigt werden, auf Dauer solltet ihr aber dafür sorgen, dass ihr die notwendigen Güter selbst produzieren könnt. Hierbei gilt es zu beachten, dass eure Startinsel in der Regel nicht für den Anbau aller Güter geeignet ist. Errichtet also eine Werft, baut ein Entdeckerschiff und besiedelt eine weitere Insel, von der ihr die gewünschten Güter beziehen könnt. Doch mitunter müssen erst bestimmte Bedingungen erfüllt sein damit ihr eine weitere Seekarte bekommt und so neue Inseln entdecken könnt. Im Menü der Verdienste sind diese einsehbar und reichen vom Heben einer bestimmten Anzahl von Schätzen über das Ansammeln von Goldmünzen bis zum Erobern feindlicher Inseln.
Das Reisen auf hoher See wird euch dabei immer wieder von Korsaren erschwert. Seid ihr anfangs noch mit unbewaffneten Schiffen unterwegs, solltet ihr den unter schwarzer Flagge segelnden Unholden aus dem Weg gehen, sonst ist euer Kahn schnell versenkt. Deren Aufmerksamkeit zieht ihr übrigens auch bei der Schatzsuche auf euch, bei der ihr mittels Schatzkarten die Beute versunkener Schiffe heben könnt. Das kann eine gute Möglichkeit sein um an seltene Güter zu kommen. Wer allerdings den Korsaren in die Arme segelt bevor er ein heimisches Kontor erreicht, ist seinen geborgenen Schatz auch gleich wieder los. Mit den Korsaren sind die Probleme allerdings noch lange nicht zu Ende. Hat eure Stadt eine gewisse Größe erreicht, solltet ihr euch der Sicherheit eurer Einwohner widmen. Eine Feuerwehr löscht Brände, ein Hospiz hilft gegen Krankheiten und der Rattenfänger vertreibt die nagenden Plagegeister aus eurer Siedlung. Unterstützung bekommt ihr hin und wieder von Spezialisten die ebenfalls auf hoher See unterwegs sind. Tretet ihr mit ihnen in Kontakt und erfüllt die vorgegebenen Bedingungen (beispielsweise mindestens drei Inseln besiedelt zu haben) stehen sie euch mit ihren Fähigkeiten zur Verfügung. Vom schnelleren und günstigeren Schiffbau bis zum vollständigen Verhindern von Rattenplagen sind hier einige nützliche Fähigkeiten zu finden, mit denen es sich deutlich angenehmer siedeln lässt. Da ihr euch im späteren Verlauf des Spiels unter anderem gegen die Korsaren aktiv zur Wehr setzen müsst, wird auch der Einsatz eurer Soldaten immer wichtiger. Siedelt ihr in den ersten Missionen friedlich vor euch hin, solltet ihr später schon mindestens eine Kaserne und ein paar Kriegsschiffe euer eigen nennen, um feindliche Übergriffe auf eure Inseln zu vermeiden. Eure wachsende Bevölkerung lässt euch übrigens auch im Technologiebaum voranschreiten, in welchem es verschiedene Technologien zu entdecken gibt. Diese reichen von Handelsabkommen mit dem Orient über extrem nützliche Wasserpumpen bis hin zu stärkeren Segeln, die eure Schiffe schneller machen. Die Erforschung all dieser Technologien wurde ebenso wie alle anderen Aspekte des Spiels geschickt in den Storymodus integriert, so dass man nach dessen Beendigung nach ca. acht bis zehn Stunden Spielzeit mit allen Einzelheiten des Games vertraut gemacht wurde.
Als weitere Motivation erlangt man nach jedem beendeten Kapitel eine Bewertung, die sich aus der eigenen Spielzeit, der Effektivität sowie dem Forscherdrang errechnet. Wer also den Storymodus durchgespielt hat darf sich noch an das Verbessern der eigenen Bewertung machen. Alternativ dazu kann man sich auch ins Endlosspiel stürzen und dort seine Künste als Baumeister unter Beweis stellen. Hier dürft ihr die Ausgangslage nach euren Bedürfnissen frei anpassen und könnt beispielsweise entscheiden, ob ihr es überhaupt mit Korsaren zu tun habt und wie angriffslustig diese sind oder ob ihr lieber in Ruhe siedeln und euch auf den wirtschaftlichen Aspekt in Anno – Erschaffe eine neue Welt konzentrieren wollt. Obwohl auf einen Mehrspielermodus verzichtet wurde, darf ein zweiter Spieler sich trotzdem mit der Wiimote jederzeit in das Geschehen einklinken, hat allerdings noch weniger Mitspracherecht als der zweite Spieler in Super Mario Galaxy. Immerhin können so Eltern dem spielenden Nachwuchs auf die Sprünge helfen und nett anzusehende Feuerwerkskörper über den Dächern eurer Siedlung sind so ebenfalls zu zünden. Selbst wenn man in Sachen Komplexität den PC-Versionen nicht das Wasser reichen kann, fühlt man sich nicht nur als Fan der Reihe schnell heimisch, sondern kommt auch als Neueinsteiger schnell mit dem Game zurecht. Die Mischung aus Aufbauspiel und Wirtschaftssimulation ist anspruchsvoll genug um euch viele Stunden vor die Konsole zu fesseln.
Bob der Baumeister?
Dass dieses Unterfangen gelingt ist auch ein Verdienst der wirklich ausgezeichnet umgesetzten Steuerung. Die Pointerfunktion der Wiimote scheint ohnehin wie geschaffen für Strategiespiele, dennoch ist es immer ein heikles Unterfangen, wenn ein PC-Game auf eine Konsole gebracht wird. Seitens Keen Games hat man hier alle Mühe gegeben und die Steuerung so einfach und dennoch praktikabel wie möglich gehalten. Prinzipiell kommt man mit der Wiimote aus, wobei der A-Button zum Bestätigen aller Aktionen verwendet wird, während der B-Button das Baumenü verwaltet. Mit dem digitalen Steuerkreuz schaltet man sich durch seine Kontore, aktiviert den Militärmodus und kann sich zusätzliche Hinweise in den Menüs anzeigen lassen. Wichtig sind ebenfalls die Buttons Plus sowie Minus, wird über sie doch der Zoom gesteuert. Während der 1-Knopf den Kartenbildschirm öffnet, kommt man mit dem 2-Knopf ins Menü und kann dort das Spiel speichern oder beenden.
Mit einem angeschlossenen Nunchuk spielt sich Anno – Erschaffe eine neue Welt jedoch noch einen Tick komfortabler. Nun muss nicht mehr mit dem Pointer oder gedrückt gehaltenem A-Button über die Karte navigiert werden, sondern der Analogstick des Nunchuks übernimmt diese Funktion. Das Zoomen über C und Z dagegen ist optional und auf der Wiimote auch nicht schlechter. Die Verwaltung der Truppen im Militärmodus erfordert später ebenfalls eine kurze Eingewöhnungszeit, geht jedoch bald rasch von der Hand. Lediglich die Navigation von mehreren Schiffen zur gleichen Zeit wäre wünschenswert gewesen, da man seine Flotte leider immer einzeln zum gewünschten Zielpunkt dirigieren muss. Bis auf diese Kleinigkeiten gibt es an der Steuerung des Spiels nichts auszusetzen, im Gegenteil. Keen Games beweist eindrucksvoll, wie man Strategiespiele auf der Wii steuert und alle wichtigen Funktionen einbindet ohne die Steuerung dabei überladen wirken zu lassen.
Bau ein Haus…
Auch in Sachen Grafik hat man Anno auf die Wii zugeschnitten. Man verpasste dem Game einen leichten Comic-Look, der es in gewisser Weise knuffig und sympathisch wirken lässt. Der Realismus des PC-Vorbilds ging dadurch zu einem geringen Teil zwar flöten, ansehnlich ist Anno – Erschaffe eine neue Welt trotzdem. Das liegt vor allem in der Liebe zum Detail, mit der die Entwickler zu Werke gingen. In der höchsten Zoomstufe dürft ihr später unter anderem Zeuge werden, wie sich Füchse und Dachse in euren Straßen tummeln, beobachtet eure Marktkarren beim Transport der Güter und verfolgt die Antilopen und Leoparden auf den noch nicht besiedelten Inseln im Süden. Zu jeder Zeit läuft das Geschehen dabei absolut flüssig ab, egal in welcher Zoomstufe man sich gerade bewegt. Die Zwischensequenzen beschränken sich zwar auf Standbilder, diese sind jedoch ansprechend gezeichnet und hübsch in Szene gesetzt. Die Unterstützung des 60 Hz- sowie des 480p-Modus runden den positiven optischen Gesamteindruck ab.
Ergänzt wird dieser wird vom ebenfalls gelungenen Sound. Die Soundeffekte sind zwar nicht wirklich überragend, aber zu jeder Situation passend gewählt. Die Musikstücke halten sich dezent im Hintergrund und gehen dem Spieler nicht auf den Keks. Wenn man sich darauf einlässt, untermalen sie das Spielgeschehen stimmungsvoll. Lobenswert erwähnt werden muss auch die Sprachausgabe. Das komplette Spiel wurde deutsch synchronisiert und kann mit authentischen Sprechern aufwarten. Der Wortwitz in den Dialogen hält sich zwar in Grenzen und manches Mal kommt einem die Sprechgeschwindigkeit der Akteure etwas langsam vor, das sind allerdings nur kleine Kritikpunkte.
Fazit
Anno – Erschaffe eine neue Welt ist die nahezu perfekt auf die Wii zugeschnittene Version des Spiels, die von vorne bis hinten überzeugt und einfach nur Spaß macht. Trotz fehlendem Mehrspielermodus dürfen Fans der Serie hier bedenkenlos zugreifen und auch Neueinsteiger kommen auf ihre Kosten. Dass man in Sachen Komplexität nicht mit der PC-Version mithalten kann merkt man während des Spielens kaum – Daumen also klar nach oben!
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