Testbericht: Alone in the Dark
Minigames, Remotegefuchtel, Casual-Schrott… viiiiiel Casual-Schrott und im Gegenzug zu wenig Unterhaltung für echte Spieler. Nintendos megaerfolgreiche Wii-Konsole muss sich nach wie vor einiges an Kritik gefallen lassen. Mit Ataris „Alone in the Dark“ erscheint nun ein Titel, der bereits im Vorfeld mit Lorbeeren überhäuft wurde. Das Spiel will endlich wieder Core-Gamer ansprechen, Maßstäbe in der Steuerung setzen, Grafik, Sound, Story und Atmosphäre bereichern. Zu viel des Guten?
Fünf Mal Alone
Edward Carnby führt ein eigenartiges Leben. Nicht nur, dass er sich immer mal wieder mit allerlei Höllenzeug herumschlagen muss, der auf paranormale Phänomene spezialisierte Privatdetektiv startete (als Spiel erschienen 1992) bereits 1923 in sein erstes Abenteuer, zwei weitere folgten und spielten in den Jahren darauf. Alone in the Dark 4 wurde dann 2001 veröffentlicht und spielte aber auch in genau dem Jahr, also über 70 Jahre nach dem dritten Teil. Trotzdem sah Edward nun mindestens 10 Jahre jünger aus.
Im fünften Teil der Reihe, der – wie viele Neuauflagen – nur noch den Originaltitel Alone in the Dark trägt, flitzt Carnby nun durchs New York des Jahres 2008, sieht aber wiederum locker 20 Jahre älter aus als noch 2001. Eine ähnliche Anpassungsfähigkeit besitzt höchstens Frau Croft, die mit jedem Abenteuer jünger wird und ihren Brustumfang verändert.
Ungeachtet der Alterslogik gilt das Ur-Alone in the Dark als Vater eines ganzen Genres. Resident Evil, Silent Hill, Parasite Eve und viele andere Survival-Horror-Spiele der 90er und Neuzeit bedienten sich der von AitD eingeführten Spielmechanik und Technik. Polygon-Charaktere vor festen Hintergründen, eine Mischung aus Rätseln und Kämpfen sowie überraschende Schockelemente fanden sich bis vor kurzem in fast jedem Genrevertreter wieder. Doch der Zahn der Zeit nagt und nach Capcoms erfolgreicher Frischzellenkur mit Resident Evil 4, war es auch für Edward Carnby an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden. Der nunmehr fünfte Teil krempelt seine Wurzeln dabei nahezu komplett um. Statt subtilem Horror gibt’s Epos-Inszenierung, Kämpfe werden in der 3rd- oder First-Person-Sicht ausgetragen und allerlei Fahrsequenzen und Minispiele reichern das Geschehen an. Dazu kommen speziell für die Wii-Version noch viele wirklich clevere Steuerungsideen – klingt ganz nach einem wahren Superhit.
Alone in Central Park
Für sich genommen kann Alone in the Dark eigentlich gar nicht mehr als Survival-Horror bezeichnet werden. Der Spieler streift vergleichsweise selten durch dunkle, enge Abschnitt, dafür ist die gesamte Inszenierung zu 100% auf pompös getrimmt. Scriptsequenzen, dramatische Orchestermusik mit Chorgesängen, Verfolgungsjagden, Physikexperimente, viele Dialoge und noch dazu eine fast ständige Begleiterin. Nein – Alone in the Dark ist wirklich kein klassischer Survival-Horror, aber das soll kein Nachteil sein. Im Gegenteil, bereits bei Spielstart wirkt das Hauptmenü samt Musikuntermalung angenehm protzig, wer die Schnauze von minimalistischem „Gecausal“ voll hat, darf einen Augenblick lang großspurige Hollywood-Atmosphäre schnuppern, bevor es losgeht.
Und auch der Spielstart kleckert nicht lange. Ihr wacht als Carnby in einem unbekannten Raum zusammen mit zwei zwielichtigen Gestalten auf – natürlich mit Gedächtnisverlust. Ihr habt keine Ahnung, wer die Typen sind oder was ihr hier macht. Also kann Edward zunächst nichts anderes tun, als das Gespräch mit zu verfolgen, bis einer der beiden merkt, dass ihr wach geworden seid. Und da ihr offenbar nicht mehr gebraucht werdet, will euch der Kollege auch gleich nach nebenan zur Exekution bringen. Doch daraus wird nichts. Kaum seid ihr auf den Beinen, treten merkwürdige Ereignisse auf, Wände wackeln, von überall her kommen eigenartige Geräusche, das ganze Gebäude scheint verrückt zu spielen. Und der Typ, der euch immer noch mit seiner Waffe im Nacken sitzt, weiß darüber anscheinend sehr viel mehr als ihr! Das hilft ihm dann allerdings auch nichts, als er plötzlich von einem Riss in der Wand verschluckt wird. Der Vorteil, Edward ist frei. Die ersten Spielminuten verbringt ihr zunächst damit, durch das merkwürdige Hochhausstockwerk zu stapfen. Überall sind Brände ausgebrochen und ständig fressen sich diese eigenartigen Risse durch Wände und Böden, die mit Vorliebe Menschen in die Tiefe ziehen. Was zur Hölle ist hier nur los?
Dieser Einstieg verdeutlicht schon, welche Richtung das neue Alone in the Dark einschlagen will. Ein großer Blockbuster mit spannender Story in bestem Ambiente soll es sein. Denn es dauert nicht lange, bis Edward einen Balkon erreicht und die Kamera daraufhin in luftiger Höhe kurz über das abendrote New York und über den benachbarten Central Park schwenkt, der in der Handlung eine bedeutende Rolle spielt. Welche, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten, doch die Hauptstory kann sich durchaus sehen lassen. Als kleinen Hinweis kann man einen Satz auf der Rückseite der Spielverpackung zitieren: „Es hieß, der Central Park sei für die Bürger gedacht. Das war eine Lüge.“
Dramaturgisch weiß Edward Carnby im Jahr 2008 also durchaus zu gefallen – wenn auch manchmal etwas dick aufgetragen wird – und auch der weitere Spielverlauf ist immer wieder mit schicken Sequenzen und tollen Scripts gespickt. Doch wie sieht das ganze spielerisch aus? Wird AitD den großen Erwartungen gerecht? An dieser Stelle vorweg muss gleich ein deutlicher Dämpfer ausgesprochen werden. Denn der Titel will mehr, als er leisten kann. Das Ärgerliche ist dabei, dass die Entwickler der Eden Studios keine gravierenden Designfehler gemacht haben, sondern einfach viele ihrer guten Ansätze nicht ganz zu Ende dachten, bzw. leichtsinnige Standardfehler begehen. Angefangen bei der Steuerung, deren Kameraachse zunächst viel zu empfindlich reagiert, über die Gegner-KI, die öfters Aussetzer hat und damit das Gefühl der Bedrohung mindert, bis hin zu den regelmäßigen Trial & Error Passagen. Zudem hätte man die Idee, Carnby eine weibliche Begleiterin zur Seite zu stellen, besser nochmal überdenken sollen. Sarah, die gleich zu Beginn angetroffen wird und den Helden durch weite Teile der Geschichte begleitet, nervt mit ihrer grausigen deutschen Synchronstimme und einigen der dümmsten Dialoge der jüngeren Spielgeschichte. Da die Stimmen jedoch auch auf Englisch gestellt werden können, kann hier vom Spieler Abhilfe geleistet werden.
In insgesamt acht Kapiteln führt ihr Carnby wahlweise aus der Schulter- oder Egoperspektive durch baufällige Hochhäuser, Tiefgaragen, Straßenschluchten und natürlich immer wieder durch den Central Park. Euch in den Weg stellen sich dabei allerlei Gesellen aus der Unterwelt in Form von Zombies und Mutanten verschiedener Härtegrade. Alles in allem hätte die Gegnerpalette allerdings noch etwas größer ausfallen können. Angenehm gruselig – weil stets überraschend – gestalten sich die mysteriösen Risse, die immer wieder auftauchen. Versucht der Fußboden euch in die Tiefe zu ziehen, müssten ihr mit einem kurzen Quick-Time-Reaction-Minispiel versuchen, dem schnell wieder zu entkommen. Standardgegnern rückt ihr mit Pistolen, Schlagwerkzeug oder der Möblierung zu Leibe. Viele herumliegende Objekte können aufgehoben und gegen die Höllenfratzen verwendet werden. Besonders schön: Edward kann viele Items auch miteinander kombinieren. Spraydose und Feuerzeug ergeben einen Flammenwerfer – Spiritusflasche und Armwickel können zum Molotowcocktail umfunktioniert werden. Generell spielt Feuer eine wichtige Rolle, denn nur damit können die Monster dauerhaft erledigt werden. Zudem simuliert die integrierte Havoc-Physikengine das Brandverhalten äußerst realistisch. Flammen können sich in Maßen ausbreiten, brennbare Gegenstände dürfen von euch gezielt entflammt werden und mit einem Feuerlöscher lässt sich der ganze Spaß auch wieder auspusten. Zwar sieht das auf Nintendos weißem Toaster nicht so spektakulär aus, wie bei den großen Plattformbrüdern, erfüllt aber dennoch seinen Zweck. Diese Kombinationen nehmt ihr übrigens im wahrscheinlich stimmungsvollsten Inventarmenü seit 007s Goldeneye-Armbanduhr vor. Zieht ihr Remote und Nunchuk voneinander weg, blickt Edward nach unten und öffnet seinen Mantel. Darunter sind sämtliche Inventargegenstände in Gürteln und Taschen an seinem Körper befestigt und können entsprechend selektiert werden. Sehr nett. Weniger nett ist allerdings die Tatsache, dass ihr diese Bewegung sehr genau durchführen müsst, damit sie vom Spiel auch richtig erkannt wird. So kann es in hektischen Momenten durchaus vorkommen, dass ihr x-mal wild mit den Controllern herum wedeln müsst, bis Mr. Carnby kapiert, dass er in seine Manteltasche schauen soll. Ein weiteres Beispiel dafür, wie wichtig den Eden Studios Stimmung und Atmosphäre waren, wie schwer sie es sich aufgrund kleiner Fehler aber selbst machen.
Trotz alledem macht das Hauptspiel durchaus Spaß, die Story entwickelt sich – von einigen Klischees abgesehen – spannend und die Inszenierung weiß zu gefallen. Sicherlich, subtil ist etwas ganz anderes, aber wer gerne mal wieder zu dramatischer Orchestermusik und platten Heldensprüchen New York rettet, darf einen Blick riskieren – wenn er auch mit den Makeln leben kann.
Übrigens ist das Spiel in der Wii-Fassung leicht zensiert. Während 360- und PC-Versionen mit einem „ab 18″-Stempel gekennzeichnet sind, prangt hier das 16er Logo auf der Packung. Im Spiel selbst fließt etwas weniger Blut und Körperteile können nicht abgetrennt werden.
Alone on Wii
Insbesondere von der Steuerung hatten sich viele Wii-Fans ein kleines Wunder erhofft. Die im Vorfeld veröffentlichen Videos und Steuerungsdemos ließen bereits eine tiefe Verwurzelung des Wii-Prinzips in die Spielmechanik erahnen – und tatsächlich, Alone in the Dark gibt sich alle Mühe, die Facetten der Konsole auszunutzen. Dass es aber auch dabei weitestgehend scheitert, ist umso ärgerlicher, wenn man sich die erneut guten Ansätze anschaut. Gesteuert wird der Held mit dem Nunchuk, die Remote dient weitestgehend für Handaktionen. Greifen, werfen, schießen, schlagen, all das wird über die Fernbedienung ausgelöst. Dabei kann Edward wie Kollege Scott aus Red Steel seine Waffe schief halten und mit Schlaggegenständen in jede beliebige Richtung hauen. Ebenso wie bei Red Steel ist das allerdings etwas fummelig ausgefallen, die Remote reagiert oft zu empfindlich und alles in allem wirkt euer Privatdetektiv etwas steif. Das Springen per Nunchuk-Aufwärtsbewegung geht weitestgehend in Ordnung, doch auch hier wünscht man sich subjektiv etwas mehr Präzision und eine schnellere Abnahme der ausgeführten Bewegung. Als kritisch erweist sich –wie schon angesprochen – das Inventar. Wer es in einem ruhigen Moment öffnet, wird keine Probleme damit haben, aber locker aus dem Handgelenk ausgeführt funktioniert das Auseinanderziehen der beiden Steuerungseinheiten nur mit Übung. Und bis dahin wird sicher so mancher NPC versehentlich mit Feuerlöscher und Co. erschlagen werden.
Alone on the screen
Jaja, das alte Lied. Ein Multiplattformtitel erscheint unter anderem auch für Wii und PS2 und siehe da, das technische Niveau der beiden Versionen siedelt sich am gemeinsamen Nenner an. Sprich: AitD ist optisch alles andere als richtungsweisend, zumal bereits die PlayStation 2-Version hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Texturen und Effekte sind daher weitestgehend minimalistisch gehalten, dem spielerisch wichtigen Feuer fehlt die optische Wucht der „großen“ Versionen. Dafür gibt’s immer wieder nette Lichteffekte, etwa volumetrische Lichtstrahlen. Dennoch wäre hier wesentlich mehr möglich gewesen und das gebotene bewegt sich höchstens auf solidem Niveau – da konnte der Gamecube bereits wesentlich mehr.
Soundtechnisch ist der Titel ein äußerst zweischneidiges Schwert. Auch wenn in der internationalen Kritik hier und da die pompöse Orchestermusik als unpassend kritisiert wurde, erzeugt sie unserer Meinung nach zwar eine andere, aber dennoch starke Atmosphäre. Carnby bewegt sich musikalisch nicht durch einen dezent komponierten Thriller, sondern einen epischen Blockbuster. Rein qualitativ gibt es an der Musik ohnehin nichts zu bemängeln, die Melodien sind eingängig und von wohliger Wucht.
Ganz anders sieht es leider beim gesprochenen Wort aus. Atari sollte dringend seinen taubstummen Tonmeister vor die Tür setzen, anders ist jedenfalls nicht zu erklären, wie eine derartige Lokalisierung zustande kommen konnte. Wirklich brillant ist keiner der Charaktere besetzt, doch insbesondere Edward und Sarah – die Hauptprotagonisten – erzeugen mit ihrem Gebrabbel alles andere als Sympathie. Wie schon angesprochen versteht sich die Dame prächtig aufs Nerven, Edward holt als Kontrapunkt die Machosprüche aus der Mottenkiste. Die beiden reißen in den unpassendsten Situationen dumme Witze und an einer Stelle droht Mr. Carnby Sarah gar sie eigenhändig zu erschießen, wenn sie Dummheiten macht. Wer auch immer diese Dialoge geschrieben hat, gehört mit sämtlichen, schriftlichen Ausgaben eines Germanistik-Grundkurses verprügelt.
Wie schon angesprochen gibt es allerdings die Möglichkeit, die Sprache auf Englisch, Französisch oder Spanisch umzustellen. Zwar befinden sich einige Kalauer in den anderen Sprachfassungen, die eigentliche Qualität der Sprecher ist dann aber um Welten besser.
Alone with a Fazit
Was hätte es für ein tolles Spiel werden können. Die Ansätze lesen sich prima, das Szenario weiß zu gefallen, die Gameplayelemente funktionieren weitestgehend. Trotzdem stellt sich Alone in the Dark selbst ein Bein. Ich will das Spiel wirklich gern haben, mir gefällt die Story – trotz anfänglichem Amnesie-Klischee. Mir gefällt auch das apokalyptische New York, mir gefällt das Item-Basteln und mir gefällt auch die Inszenierung mit all ihrer Hollywood-Wucht. Doch die Entwickler scheitern an den typischen Standardfehlern. Die Steuerung ist nicht präzise genug, die KI leistet sich Patzer, die Grafik nur Durchschnitt und den Protagonisten fehlt es an Charakter. Obendrauf noch eine Nerv-Synchro und Sarah wird mit dem Prädikat „Dümmste Spieletussi des Jahres“ ausgezeichnet.
Dennoch hat das Spiel eine unbestreitbare Stärke und das ist seine straffe und effektvolle Inszenierung. Wer sich für das an sich spannende Szenario interessiert oder glaubt, über die Mankos hinwegsehen zu können, sollte Alone in the Dark in der Videothek eine Chance geben.
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