Testbericht: Alien Syndrome
Bereits 1988 feierte ein Titel Namens „Alien Syndrome“ sein Debüt auf Segas Master System. Vier Jahre später folgte eine Umsetzung für den Gameboy-Konkurrenten „Game Gear“. Beide Spiele hatten niemals das Potenzial zum Klassiker, konnten aber durchaus ihre Fans finden. Fast 20 Jahre nach dem Original hat Sega nun besagte IP erneut ausgegraben und präsentiert mit „Alien Syndrome“ für Nintendos Wii neue Action-Kost. Inwieweit die Wii-Version des ursprünglich für die PSP programmierten Titel im Endeffekt gelungen ist? Etliche Spielstunden und vaporisierte Aliens später sind wir nun etwas schlauer…
Die Aliens sind zurück!
Das Genre der Action-RPGs scheint seit einiger Zeit ziemlich ausgelutscht zu sein. Auf der einen Seite finden sich hier Ausflüge in typische Fantasywelten wie bei Diablo und Konsorten, auf der anderen Seite hat man bereits auch mehrfach die Rollen von Superhelden übernommen und die Schurken in Games wie Marvel Ultimate Alliance verprügelt und seine Charaktere gelevelt. Von daher versprach die Ankündigung von Alien Syndrome aus dem Hause Sega frischen Wind in die Szene zu bringen. Die klassische IP der Sonic-Erfinder sollte nicht nur wiederbelebt, sondern mit einigen Neuerungen versehen werden. Auf dem Papier liest sich dabei das Konzept des Titel mehr als vielversprechend. In der Rolle der 21jährigen Aileen Harding, ihres Zeichens jüngster Leutnant in der Geschichte der Kontrollstation Erde, muss der Spieler einen erneuten Angriff von Aliens abwehren. Die Biester bedrohten vor langer Zeit bereits einmal die Existenz unserer Spezies und ist in mutierter Form nun zurückgekehrt, um durch die blanke Berührung mit organischem oder gar totem Gewebe für Mutationen zu sorgen. Die Mission des Spielers beginnt dabei auf der fernen Kolonie Seti-Alpha 5 (kurz: SAT5, nicht zu verwechseln mit „SAT1“) und führt ihn in der Vogelperspektive durch einsame Korridore, verwinkelte Gänge und von Aliens verseuchte Areale.
Der RPG-Faktor des Games kommt dabei nicht zu kurz und sorgt schon nach dem Spielstart für erstes Erstaunen, wenn man aus fünf verschiedenen Charakterklassen, die von „Abbruchexperte“ über „Feuerwanze“ bis hin zu „Scharfschütze“ reichen, wählen kann. Die Wahl der Klasse bestimmt dabei allerdings nur die vorgegebenen Werte zum Spielstart und ermöglicht bestimmte Angriffstechniken. Durch das Erledigen von Gegnern lassen sich aber Erfahrungspunkte sammeln und damit die Spielfigur aufleveln, so dass man später auch mit der ursprünglich als Nahkämpfer gedachten „Panzerfahrer“-Klasse Projektil- und Explosionswaffen einsetzen darf. Der Ansatz ist somit zwar gut, wurde aber nicht konsequent genug durchgeführt, um dem Spieler wirklich abwechslungsreiche Charaktere zu bieten. Die Grundwerte eurer Heldin wurden dabei in Stärke, Geschick, Präzision und Ausdauer aufgeteilt. Hierdurch wird bestimmt, wie stark man im Nahmkampf zuschlägt, wieviel Gewicht man tragen kann, wie schnell und stark man Schaden erleidet und dergleichen mehr. Weitere Fertigkeiten lassen sich mit der Zeit erlernen, wie beispielsweise eine bessere Energieaufladungsrate, eine Schadensbegrenzung des Schutzschildes oder gar eine Bioregeneration, die für das konstante Auffüllen der eigenen Energie sorgt.
Den gegnerischen Aliens rückt man dabei entweder mit Nahkampftechniken oder Projektilwaffen zu Leibe. Zudem darf man ebenso einen Flammen- oder Granatenwerfer zücken, um sich seiner eigenen Haut zu erwehren. Allerdings ist die Munition stets begrenzt, denn nur der wiederaufladbare Laser steht nahezu unendlich zur Verfügung. Ein sinnloses Ballern führt somit zwangsläufig zu Munitionsmangel und resultiert in einem meist kräftezehrenden Nahkampf mit den fiesen Gestalten des Universums. Diese wollen euch nur zu gerne ans Leder und lassen dabei nichts unversucht, seien es nun ausladende Bissattacken, schwungvolle Körperdrehungen, schnelle Angriffssprünge oder gar schleimige Projektile, Gaswolken oder Schussattacken. Ein begrenzt einsetzbares Energieschild kann kurzzeitig vor Verletzungen schützen, oft allerdings wird der Griff zum Medi-Kit unabwendbar. Zum Glück begleitet euch ein Hilfsroboter in Form der Drohne „SCARAB“, der wie eine Art mobiler Item-Shop funktioniert und zudem im Kampf aktiv eingreift. „SCARAB“ kann außerdem als Schutzschild dienen und feindliche Salven abfangen oder ab und an selbst auf Gegner feuern. In weiteren Menüs des Hilfseinheit gibt es die Möglichkeit Items zu erwerben, für die man mit Recyclingpunkten bezahlt. Diese lassen sich entweder durch den Verkauf von aufgesammelten und nicht mehr benötigten Ausrüstungsgegenständen erlangen oder indem man die Hinterlassenschaften besiegter Aliens aufsammelt. Medi-Kits stehen dabei im Shop aber nicht unendlich zur Verfügung, so dass ein genaues Einteilen der Gesundheitsrationen überlebenswichtig ist.
Das Menü hält neben einer Übersicht über die aktuellen Fähigkeiten auch eine Anzeige über die bereits gesammelten Erfahrungspunkte bereit und ermöglicht nach dem Level up, sofern es gewünscht wird, das sofortige Verteilen der neu erworbenen Punkte. Diese lassen sich aber auch aufsparen und nach einem heißen Gefecht in Ruhe aufteilen. Eine kleine Karte im rechten oberen Bildschirmeck sorgt für den notwendigen Überblick und verrät den Standort der nächsten Speicherpunkte sowie des Levelausgangs. In den einzelnen Stages verlangen neben den Ausgeburten des Bösen zudem etliche Kisten und andere Gegenstände nach Munition, um ihren Inhalt freizugeben. Immer wieder lassen sich so Power Ups, Munition und Medi-Kits finden, die der Spieler auch bitter benötigen kann. Und wie es sich für ein richtiges Wii-Spiel gehört, hat man natürlich auch die Minispiele nicht vergessen. Diese wurden aber diesmal direkt in das Spielgeschehen integriert und sorgen dafür, dass man die Fähigkeiten seines Charakters verbessert, indem man beispielsweise durch ein Mikroskop die eigene DNA verbessert und vor Angriffen der Aliens schützt. Die Minispiele sind dabei am Anfang zur Übung freigegeben, dürfen im Spiel selbst aber jeweils nur einmalig absolviert werden. Neben dem Einzelspielermodus mit bis zu drei Schwierigkeitsstufen (die erst nach dem erfolgreichen Durchspielen freigegeben werden) wurde Alien Syndrome darüberhinaus ein Mehrspielermodus spendiert, bei dem man mit bis zu drei menschlichen Mitspielern antreten darf. Bereits gespeicherte Charaktere lassen sich übrigens dabei beim Spielstart laden, um so schon gestärkt das Abenteuer beginnen zu dürfen.
Was sich in der Theorie bislang sehr vielversprechend anhört, krankt leider in der Praxis an der in vielen Punkten unzureichenden Umsetzung seitens „Totally Games“. Die gut 15 bis 20 Spielstunden von Alien Syndrome sind gespickt mit etlichen Designfehlern und Patzern, die den Spielspaß des Titel leider enorm trüben. Zum einen ist das Leveldesign ziemlich fade und sorgt durch seine repetitiven Raumanordnungen und die sich immer wieder wiederholenden Gänge schnell für Langeweile. Zudem ist es in der Regel stets das Ziel des Spielers, die Levels von Gegnern zu säubern, einen Miniboss zu erledigen und den Ausgang zu finden. Nur selten wird aus diesem Schema ausgebrochen, wenn beispielsweise wie in einer Arena erst 75 Opponenten aus dem Weg geräumt werden wollen bevor sich der Ausgang des Levels öffnet oder man binnen 20 Minuten vor einer drohenden Explosion zu fliehen hat. Diese Einfälle sind zwar auch nicht wirklich das Gelbe vom Ei, lockern das ansonsten sehr dröge Run’n’Shoot-Prinzip aber immerhin ansatzweise auf. Auch die Rollenspielelemente wurden nur unzureichend umgesetzt. Einzig die nach einem Treffer in den Himmel steigende weiße Ziffer macht dem Spieler klar, dass man es bei Alien Syndrome mit einem Action-RPG zu tun hat. Abgesehen davon merkt man im laufenden Game nur sehr wenig vom Rollenspielflair des Titels. Hinzu kommt, dass auch die Menüs sehr unglücklich gestaltet wurden. Was auf der PSP dank des kleinen Displays noch in Ordnung geht, hätte auf der Wii nicht sein müssen. Allerdings muss man sich auch auf Nintendos Heimkonsole mit winziger Schrift und popeligen Menüs herumschlagen, in denen die Navigation eine wahre Zumutung ist. Eine intuitive Bedienung wie in anderen Rollenspielen ist durch die unübersichtliche Menüverwaltung kaum möglich und trotz eines einleitenden Kurzübersicht wird man erst nach längerer Spielzeit hinter die vielen Geheimnisse rund um Munition, Tragfähigkeit und Waffenklassen stoßen – ein vermeidbarer Faux Pas, der dem Spieler in den ersten Spielstunden eher Frust als Motivation beschert.
Feuer frei!
Zum Teil ist dieser Frust auch der Steuerung von Alien Syndrome zuzuschreiben. Nichts zu mäkeln gibt es dabei am Grundprinzip, denn mit dem Analogstick des Nunchuk bewegt man seinen Charakter durch die Areale, während mit den üblichen Action-Buttons das Schild aktiviert, Gegenstände gesammelt und die Waffen abgefeuert werden. Die Waffe wird dabei mit der Pointerfunktion der Wii-Mote ausgerichtet, so dass ein gleichzeitiges Laufen nach hinten und Feuern nach vorne problemlos ermöglicht wird. Hierfür gibt es sogar ein Lob an die Programmierer, denn dieser Aspekt der Steuerung wirkt sehr frisch, intuitiv und ist mit wenig Übung zu meistern. Schelte dagegen müssen „Totally Games“ für die Integration der Kamera einstecken und tragen damit zu einem großen Minuspunkt des Titels bei. Denn wo es in anderen Games ohne Probleme klappt die Kamera durch das Neigen des Nunchuk zu steuern, so wurden die Kameramethode bei Alien Syndrome absolut verhunzt. Die Kamera spricht erst an, sobald das Nunchuk um komplette 90° zur Seite geneigt ist, was ein extrem unkomfortables Spielgefühl nach sich zieht. Zudem sind selbst dann die Reaktionszeiten stark verzögert, teils fällt die Kamerabewegung komplett aus. Eigentlich in Sichtweite befindliche Gegner lassen sich so nicht unter Beschuss nehmen und auch die Übersicht im Level geht so binnen Sekunden flöten. Die komplizierte Steuerung durch die Menüs fällt angesichts dieses Kritikpunkts kaum noch negativ auf, immerhin wird der Rest des Games während der Menünavigation pausiert und man darf sich in Ruhe durch die Menüs kämpfen. Spaß hat man dabei allerdings kaum.
Schaurig oder schön?
Nun könnte man meinen, dass man über die Patzer im Gameplay vielleicht durch eine fulminante Präsentation hinweggetäuscht werden könnte. Oftmals wird ja versucht spielerische Mängel durch eine opulente Optik zu kaschieren, Stichwort: Grafikblender. Doch wer in Sachen Technik herausragende Leistungen von Alien Syndrome erwartet, der wird ebenso bitter enttäuscht werden wie derjenige, dem eine tolle Steuerung und ein fesselnden Konzept bereits gereicht hätte. Nein, auch in Sachen Optik und Sound muss sich der Sega-Titel herbe Kritik gefallen lassen. Mag die Präsentation der Story mit ihren interessanten Zeichnungen noch gelungen sein, so wird spätestens nach den ersten Minuten des eigentlichen Spiels klar, dass hier seitens der Programmierer möglichst wenig Aufwand betrieben wurde. Es scheint als habe man die ohnehin schon schwache PSP-Version nahezu 1:1 auf die Wii übertragen. Die technischen Möglichkeiten der Nintendo-Konsole wurden dabei in keinster Weise ausgereizt, stattdessen muss sich der Spieler auch in der Wii-Version von Alien Syndrome mit groben, matschigen Texturen begnügen und blickt auf Polygon-arme Gestalten – es ist ein Trauerspiel. Vollmundig verspricht man in der Anleitung über 100 verschiedene Gegner. Wer sich aber die Mühe macht und den Titel mehrere Stunden spielt, wird erkennen, dass hier massiv getrickst wurde. Wie in besten GBA- und SNES-Zeiten hat man in späteren Levels dieselben Gegner der ersten Stages schlicht und ergreifend etwas neu eingefärbt und mit mehr Hitpoints gesegnet, schon sind die neuen Gegner fertig. Nicht einmal neue Angriffe oder Animationsphasen wurden ihnen spendiert. Doch das sind nur Details eine an sich misslungenen Vorstellungen, die eher am Rande auffallen. Viel gravierender stört der allgemein schlechte Eindruck der Optik. In der kleinsten Zoomstufe der Kamera meint man, man würde einen grünen Pixelhaufen durch die Levels steuern, keine bis unter die Zähne bewaffnete Kriegerin. Die triste Farbgebung tut dabei ihr übriges, um den Titel nahezu zur kompletten optischen Katastrophe werden zu lassen. Kontraste lassen sich kaum ausmachen, die Areale wirken einfallslos und lieblos gestaltet. Gar lachhaft muten Effekte wie der Flammenwerfer an. Dass angesichts solcher groben Schnitzer immerhin die Framerate konstant bleibt und der Titel flüssig und ohne Ruckler abläuft, ist kaum als Pluspunkt anzusehen.
Sehr schade ist auch, dass der Sound nach der stimmungsvollen Intromelodie und der von überzeugenden Synchronsprechern auf Englisch vorgetragenen Einleitung ebenfalls in mittelprächtige Gefilde abdriftet. Die Hintergrundmusik während der einzelnen Stages ist mehr als belanglos und bleibt zu keinem Zeitpunkt im Ohr, sondern geht vielmehr im Kampfgeschehen unter. Auch die Effekte vermögen keine Akzente zu setzen sondern reihen sich ein in die „alles schon einmal gehört“-Riege. Teils wird zwar versucht durch das Sabbern und Zischen der Aliens im Hintergrund ansatzweise so etwas wie Stimmung zu erzeugen, von der klaustrophobischen Atmosphäre der Alien-Filme ist man jedoch genauso weit entfernt wie die Xbox360 von überzeugenden Hardwareverkaufszahlen in Japan. Schlimmer noch, Effekte wie die Laufgeräusche eurer Protagonistin wirken derart künstlich und unecht, dass sie binnen Minuten einfach nur noch nerven und man den Sound am liebsten komplett abdrehen würde.
Fazit
Was auf dem Papier hätte eine wirklich interessante Action-RPG-Perle in einer Science Fiction-Umgebung hätte werden können, entpuppt sich leider in der Praxis als absoluter Schuss in den Ofen. Alien Syndrome langweilt den Spieler schon nach wenigen Minuten durch sein dröges Gameplay, welches viel verspricht, aber kaum etwas hält. Die an sich gute Steuerung des Charakters wird durch die vollkommen missratene Kamera verhunzt, die RPG-Elemente wurden unzureichend und zu inkonsequent integriert. Das umständliche Verwalten der Menüs sorgt ebenfalls eher für Verwirrung, als dass dem Spieler damit eine intuitive Bedienung ermöglicht wird. Abgerundet wird der ohnehin schon mangelhafte Gesamteindruck durch die maue Technik, die größtenteils eine Frechheit für jeden Wii-Besitzer darstellen dürfte. Niemand verlangt hochauflösende Grafiken und überwältigende Effekte, aber gerade in Zeiten kommender Superhits wirkt Alien Syndrome erst recht lieblos und plump umgesetzt. Einzig der zumindest ansatzweise Spaß machende Mehrspielermodus rettet den Titel vor der absoluten Katastrophe, nachdem Alien Syndrome allerdings zum Vollpreis erschienen ist, sollten selbst Multiplayer-Freaks vor dem Kauf erst einmal eine Runde Probespielen.
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